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Schräge Umfrage zur MigrationspolitikRadio Bremen bedient die AfD

Kommentar von Amira Klute

Radio Bremen formuliert eine Umfrage zur Migrationspolitik auf der Grundlage rechter Positionen. Das soll der AfD schaden – und erreicht das Gegenteil.

Wollte die AfD durch Kopieren entzaubern: die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Radio Bremen Foto: dpa | Sina Schuldt

R adio Bremen hat brennende Fragen, genauer: Das Fernsehmagazin „buten un binnen“ interessiert, wie zufrieden Menschen in Bremen mit der aktuellen Asyl- und Migrationspolitik sind. Man denkt sich also Fragen aus und Antwortmöglichkeiten und 5.579 Menschen, „Meinungsmelder“ aus Bremen, Bremerhaven und Umland, antworten.

Ergebnis: 80 Prozent sind unzufrieden. Wenn auch aus einigermaßen unterschiedlichen Gründen: Kriminalität, Rechtsruck, schlechte Unterbringung. Der Flüchtlingsrat Bremen kritisiert die Umfrage scharf als „tendenziös“ und als Beitrag zu einem „rassistischen Diskurs“. Jetzt hat der Flüchtlingsrat sogar eine Rüge beim Rundfunkrat erbeten.

Das ist mehr als richtig, denn die Umfrage bedient rechte Argumentationen und ist schlicht nicht mit dem Programmauftrag der Öffentlich-Rechtlichen vereinbar. Einige Fragen sind suggestiv („Auf einer Skala von 0 bis 10: Wie groß ist Ihre Sorge über mögliche Folgen der Migration?“), andere wollen menschenrechtsverletzende Forderungen („keine Bargeldauszahlungen“, „EU-Außengrenzen schützen“ oder „konsequenter Abschieben“) bewertet sehen oder suggerieren, dass Abschiebungen begrüßenswert seien („Wie gelingt aus Ihrer Sicht in Bremen die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern und Asylbewerberinnen?“)

Andere Fragen produzieren uneindeutige Ergebnisse. Schon die zweite Frage („Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Asyl- und Migrationspolitik im Land Bremen?“) ist so ein Fall. Wer „überhaupt nicht zufrieden“ angibt, kann entweder meinen, dass Geflüchteten zu viele Rechte zugestanden werden oder dass die Asylrechtsverschärfungen falsch sind.

Geflüchtete, Mi­gran­t*in­nen und migrantisierte Menschen kommen nicht zu Wort

Für Frank Schulte, den Regionalchef von „buten un binnen“, ist diese Vielfalt ein Beweis dafür, dass die Umfrage „sehr differenziert“ sei. Genauso gut kann man argumentieren, dass hier völlig konträre Positionen in den 80-Prozent- Topf der „Unzufriedenen“ geworfen werden.

Besonders gefährlich ist, dass die Umfrage rassistischen Unwahrheiten eine Plattform bietet. Zwar ist der Artikel zur Umfrage von einem Hintergrundbericht mit Zahlen und Fakten zu Migration und Flucht in Bremen begleitet, trotzdem bleiben Aussagen von Befragten, die Unwahrheiten enthalten, kommentarlos stehen. So sei „für viele“ der Befragten eine „möglicherweise steigende Kriminalität“ besorgniserregend. Damit wird einer Behauptung Raum gegeben, die eine oft bemühte rassistische Erzählung bedient und das ohne sachliche Einordnung.

Was falsch ist an dieser Umfrage, zeigt sich am deutlichsten bei der klaffenden Leerstelle derjenigen, die nicht gefragt werden, die nicht zu Wort kommen: Geflüchtete, Mi­gran­t*in­nen und migrantisierte Menschen selbst. Deren Perspektiven tauchen in der Umfrage nämlich nicht auf. Die Fragen richten sich offensichtlich an Nicht-Geflüchtete.

„Die Umfrage schließt ein Drittel der Bre­me­r*in­nen aus“, kritisiert auch der Flüchtlingsrat. Dadurch wird aktiv ein „Othering“ betrieben, also die Spaltung der Gesellschaft in „Wir“ und „die Anderen“. Im Fernsehbeitrag von „buten un binnen“ über die Ergebnisse der Umfrage wird das besonders deutlich. Wenn Geflüchtete auftauchen, dann ohne Gesicht, von hinten gefilmt und: stumm.

Laut Rundfunkstaatsvertrag soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk die „demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft“ erfüllen. Zu dieser Gesellschaft gehören alle, auch geflüchtete Menschen. Dazu sagt Schulte in „buten un binnen“, dass die Perspektive von Geflüchteten im Programm des Senders zur Genüge auftauche. Die Umfrage sei ein wichtiges Zeichen für Menschen mit „bestimmten Meinungen“, die mitunter das Gefühl hätten, dass diese ausgeblendet würden. Man müsse auch deren Positionen aufnehmen, „um Rechtspopulisten ausschließen zu können“.

Hinter der ganzen Sache steckt also das alte Argument: der AfD schaden, indem man rechten Positionen Raum gibt. Radio Bremen hat nach Meinungen gefragt, wie wär’s damit: Rechte Inhalte übernehmen schwächt nicht Rechte, sondern ist rechts. Punkt.

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Jahrgang 1997, hat Soziologie und Anthropologie in Halle (Saale) studiert, kommt vom Freien Radio. Seit November 2024 Volontärin der taz nord in Hamburg.
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4 Kommentare

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  • "Laut Rundfunkstaatsvertrag soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk die „demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft“ erfüllen."

    --> Hätte der Kommentator auch nur einen einzigen Absatz im Rundfunkstaatsvertrag weitergelesen, hätte er gesehen, dass RadioBremen hier den Programmauftrag des Rundfundstaatsvertrags wahrnimmt, denn der Rundfunkstaatsvertrag verpflichtet auch zu folgendem:

    "Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags



    die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen."

    Und daher gilt der Satz, den der Kommentator verwendet in leicht abgewandelter Version auch hier:

    "Zu dieser Gesellschaft gehören alle, auch [rechte] Menschen."

    Der Rundfunkstaatsvertrag verpflichtet die Anstalten dazu auch diese Meinungen angemessen abzubilden, natürlich nur solange sie nicht extremistisch oder strafbar sind. Letzteres scheint aber noch nicht einmal der Autor anzunehmen.

    Daher gilt: Radio Bremen hatte nicht nur jedes Recht, sondern sogar die gesetzliche Pflicht auch diesen Meinungen Raum zu geben. Anders als die taz sind die öffentlichen Anstalten gerade keine Tendenzbetriebe.

  • Bei nahezu jeder Meinungsumfrage für den Rundfunk (im Unterschied zu wissenschaftlichen Studien) gibt es reichlich solcher Fragen. Das ist der Standard etwa bei der ARD mit den „wichtigsten Themen“: Sind das die Themen, die im Augenblick am meisten in den Medien diskutiert werden oder diejenigen, die nicht diskutiert werden, aber mehr diskutiert werden sollten? Die Bürger:innen antworten mehrheitlich auf das erste, die Presse interpretiert das als letztes, und fühlt sich so immer bestätigt in ihrem Auftrag.

  • 1. Die Frage nach der Zufriedenheit mit der Migrationspolitik ist in der Tat unsinnig, und die Frage nach dem "Gelingen" von Abschiebungen ist eine Suggestivfrage. Aber die zitierten Fragen betreffend die im Artikel als menschenrechtsverletzend bewerteten Forderungen bedienen keine rechten Argumentationen, da die Befragten die Forderungen auch vollständig ablehnen können. Und die Frage, "wie groß" die Sorge um Migrationsfolgen sei, ist im Ergebnis auch keine Suggestivfrage, da die Befragten die "Sorge" auch mit " Null" bewerten können.

    2. Mir erschließt sich nicht, dass Migranten, "migrantisierte" Menschen (was bedeutet das?) und Geflüchtete in der Umfrage nicht zu Wort kämen bzw. deren Perspektive nicht berücksichtigt werde, weil sich die Fragen "offensichtlich" an Nicht-Geflüchtete richteten. Zum einen sind längst nicht alle Migranten geflüchtet. Zum anderen können auch Geflüchtete, die sich in Deutschland befinden und die Situation daher zwangsläufig aus der Perspektive eines Einwohners Deutschlands betrachten, die Fragen beantworten. Es sind im Übrigen keineswegs alle Geflüchteten und erst recht nicht alle Migranten Befürworter einer unbeschränkten Migration bzw. Gegner jeglicher Abschiebungen.

  • Das ist leider kein Einzelfall. NDRInfo hatte vor 3 Wochen in Elmshorn in Schleswig-Holstein eine identische Aktion. Ist diesen Medien ihrer Verantwortung überhaupt bewusst? Oder ist es deren Intention, Stimmung zu machen? Leider ist diese Art der Berichterstattung, auch in vielen Printmedien unterschwellig populistisch und tendenziös zu argumentieren, immer häufiger zu beobachten. Wenn ich die Taz nicht abonniert hätte, wäre ich schon längst über die (einschlägigen) Medien verzweifelt.