piwik no script img

Film „Hugo Hercules & The Wild West“Ein Dithmarscher geht nach Westen

Die Doku „Hugo Hercules & The Wild West“ erzählt von dem Auswanderer W. H. D. Koerner, der in den USA als Comic- und Wild West-Zeichner berühmt wurde.

Stets das Sketch­book dabei: Tim Eckhorst in Wyoming Foto: Yucca Filmproduktion/Nordische Filmtage

Supermann gilt als der erste Comic-Superheld. Aber schon lange bevor im Jahr 1938 Jerry Siegel und Joe Shuster ihren Übermenschen vom Planeten Krypton in den ersten Heften fliegen und siegen ließen, gab es Hugo Hercules: Auf den Comicseiten der Chicago Tribune hob der etwa eine Eisenbahn aus den Gleisen oder schoss ein Haus in den Himmel wie andere einen Fußball. Im Jahr 1902 entwarf ihn für 17 kurze Comicstrips ein gewisser W. H. D. Koerner.

Geboren worden war dieser Comic-Pionier im Jahr 1878 als Wilhelm Heinrich Detlev Körner – in Lunden im Kreis Dithmarschen. Seine Eltern wanderten im Jahr 1881 in die USA aus, er dürfte kaum Erinnerungen an seine frühe Kindheit in Norddeutschland gehabt haben.

Körner hat dann auch nicht nur seinen Namen amerikanisiert, sondern er wurde zu einer Art Vorzeige-Amerikaner, zu dessen Bewunderern auch Präsident George W. Bush und der erzkonservative Schauspieler John Wayne zählten. Denn nach einer kurzen, aber einflussreichen Karriere als Comiczeichner wurde er zu einem Maler von Genrebildern aus dem Wilden Westen. Und die sahen – als Illustrationen in Magazinen und Romanen – so viele Menschen, dass sie nachhaltig das Bild mitprägten, das viele US-Amerikaner*innen von ihrer eigenen Geschichte haben.

Ein Mann aus Schleswig Holstein hat also gleich zweimal mit seinen Bildern die US-Populärkultur beeinflusst – ein großartiges Thema für einen Dokumentarfilm. Den hat Martina Fluck nun mit „Hugo Hercules & The Wild West“ gedreht. Fluck hat 2019 schon den Dokumentarfilm „Katzenjammer Kauderwelsch“ über die ihrerseits in Heide/Holstein geborenen Gebrüder Dirks gedreht. Auch sie gehörten zu den ersten erfolgreichen Comiczeichnern für US-amerikanische Zeitungen.

Stärker als alle anderen: W. H. D. Koerners „Hugo Hercules“ (1902) Foto: W. H. D. Koerner / Nordische Filmtage

Flucks neuer Film ist thematisch und stilistisch eine Fortsetzung. Erneut wendet sie einen sehr effektiven Kunstgriff an: Als Protagonisten und Erzähler schickt sie den Grafikdesigner Tim Eckhorst auf eine Recherchereise. Und dass dieser das Gesehene und Gehörte stets zeichnerisch in seinem Sketchbook kommentiert, beschert dem Film eine zweite, grafisch interessante Ebene. Und was passt mehr zu einem Maler und Zeichner als eine zum Teil gezeichnete Biografie?

Die Recherchereise beginnt in Lunden. Dort findet sich im alten Gemeindebuch die Eintragung der Geburt von ­Koerner, und das kleine Heimatmuseum präsentiert stolz ein paar Bilder des berühmtesten Sohns des Dorfes. Koerners Vater war Schuhmacher, und als er in die USA auswanderte, zog er mit seiner jungen Familie in den Ort Clinton in Iowa. Dort siedelten sich vor allem Immigranten aus Schleswig-Holstein an, sodass Eckhorst auf einem alten Friedhof herumspazieren kann, auf dessen Grabsteinen viele norddeutsche Namen stehen.

„Wer hatte sonst schon eines seiner Gemälde im Weißen Haus hängen?“, fragt ein örtlicher Hobbyhistoriker und bezieht sich dabei auf die Amtszeit von George W. Bush, der von ­Koerners heroisch wirkendem Gemälde „A Charge to Keep“ so angetan war, dass er es im Oval Office aufhängen ließ und gleich noch seiner eigenen Autobiografie diesen Titel gab.

Mit dem angenehm zurückhaltenden Eckhorst als Reiseführer reist die Filmemacherin durchs Land, um in Museen, Archiven und Zeitungsredaktionen Menschen zu befragen, die über ­Koerner geforscht oder den 1938 Verstorbenen noch selbst gekannt haben. In Chicago wird so seine kurze Karriere als Zeitungsillustrator und Comiczeichner beleuchtet. Die Frage, warum Koerner die Comicreihe mit Hugo Hercules schon nach wenigen Monaten aufgab, bleibt unbeantwortet. Aber manche seiner Strips lassen erahnen, dass Koerner ein sehr guter Illustrator, aber kein Erzähler war.

Um so größer war dann sein Erfolg als Maler von Bildern aus dem Wilden Westen, und davon hängen viele im „Buffalo Bill Center of the West“ in Cody, Wyoming. Hier interpretiert eine Museumsführerin kompetent einige seiner bekanntesten Arbeiten, etwa seine „Madonna der Prärie“: Koerner hat die Führerin eines Planwagens so gemalt, dass dessen Stoffbespannung ihr Gesicht umrahmt wie ein Heiligenschein. Das Bild war eine Illustration für den erfolgreichen Roman „The Covered Wagon“. Als der 1923 verfilmt wurde, ließ sich Regisseur James Cruze eindeutig durch ­Koerners Bilder inspirieren.

Der Film und seine Premiere

Hugo Hercules & The Wild West.Regie: Martina Fluck. Deutschland 2023, 88 Minuten

Premiere auf den Nordischen Filmtagen Lübeck: Samstag 4. 11., 16.15 Uhr, Filmforum, Lübeck

Solche Verwandtschaft zeigt Fluck, indem sie die Bilder und entsprechenden Einstellungen aus dem Film nebeneinanderstellt. Auch sonst arbeitet sie sparsam, aber souverän mit den stilistischen Möglichkeiten des Kinos. So sind nun einige Comicstrips animiert – erstmals können wir Hercules in Bewegung sehen, wenn er ein Auto über seine Schultern hebt.

Reizvoll ist auch, dass Fluck und Eckhorst gerne ein wenig vom Thema ihres Films abschweifen, wenn sie auf ihrer Reise etwas Interessantes oder Amüsantes finden. Im Heimatmuseum von Clinton lassen sie sich etwa im „Weihnachtszimmer“ einen nach deutscher Art geschmückten Tannenbaum zeigen.

Im Reservat der Crow Nations, das Koerner oft besuchte, zeigt Eckhorst einem der Stammesältesten einige von Koerners Bilder, die der andere als „accurate“ bewertet; aber auch Ausschnitte aus „The Covered Wagon“: Wie so oft im Westernfilm sind es die „Indianer“, die hier einen Planwagen-Treck angreifen. Die Antwort des Gesprächspartners macht klar: Selbst wenn Koerners Bilder spüren lassen, wie groß seine Liebe für die Menschen und Landschaften waren: Ohne rassistischen Unterton sind sie nicht zu haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!