EU-Position zum Nahost-Krieg: Nichts gewonnen

Die EU hat sich auf eine gemeinsame Haltung zu Gaza geeinigt. Doch dahinter verbergen sich tief liegende Differenzen mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten.

Olaf Scholz vor blauem Hintergrund

Hat dafür gekämpft, Israel den Rücken freizuhalten: Kanzler Olaf Scholz am Freitag in Brüssel Foto: Olivier Hoslet/epa

Kein Waffenstillstand und auch keine Waffenruhe, sondern humanitäre Korridore und Pausen: Das ist das Ergebnis des EU-Gipfels zu Israels Krieg gegen die terroristische Hamas in Gaza. Fünf Stunden lang hat Kanzler Olaf Scholz in Brüssel dafür gekämpft, Israel den Rücken freizuhalten und alles zu verhindern, was wie eine Bremse im Kampf gegen den Terror aussehen könnte. Am Ende hat er sich durchgesetzt.

Der Erfolg hinterlässt allerdings einen bitteren Beigeschmack. Humanitäre Korridore und Pausen sind, anders als eine Waffenruhe, auf kurze Zeit und begrenzte Räume angelegt. Israel kann seine militärische Offensive gegen die Hamas also weiterführen und muss nur gelegentlich Hilfe nach Gaza durchlassen. Die humanitäre Katastrophe geht weiter, warnt die Uno. War es das wert?

Nein, mit dem Gipfelergebnis ist nichts gewonnen. Israel hat den Beschluss mit eisigem Schweigen quittiert; er verpufft ohne praktische Wirkung. Deutschland hat die Mehrheit der EU-Staaten gegen sich aufgebracht. Kanzler Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock mussten auf die harte Tour lernen, dass die Sicherheit Israels zwar deutsche Staatsräson ist, aber keine europäische.

Die meisten anderen EU-Staaten haben einen anderen historischen Kontext mit Israel und dem Nahen Osten als Deutschland. Deshalb setzen sie – allen voran Spanien und Irland – auch andere Akzente. Am Ende teilten nur Österreich, die Niederlande und Tschechien die deutschen Anliegen, plus Ungarn. Ausgerechnet Viktor Orban stand Seit’ an Seit’ mit Scholz.

Das unwürdige und letztlich unnütze Gezerre um Hilfe für die Palästinenser steht in einem gewissen Kontrast zu der Entschlossenheit, mit der die EU ihre Solidarität mit der Ukraine bekundet. Da geht es nicht um kleine Korridore und kurze Pausen, sondern um jahrelange politische, finanzielle und militärische Unterstützung. Brüssel plant schon für die nächsten vier Jahre.

Die Einheit bröckelt

Doch auch hier sollte man sich nicht von wohlklingenden EU-Beschlüssen täuschen lassen. Die Einheit bröckelt, vor allem beim Geld. Ungarn und die Slowakei blockieren die geplante zusätzliche Finanzhilfe von 50 Milliarden Euro für die Ukraine. Andere EU-Länder, darunter Deutschland, weigern sich, mehr Geld nach Brüssel zu überweisen, um die neuen Budgethilfen zu finanzieren.

Die bittere Wahrheit ist, dass die EU nicht die nötigen Ressourcen hat, um als indirekt Beteiligter einen langen Krieg in der Ukraine durchzustehen. Einen „Zwei-Fronten-Krieg“ – in Osteuropa und in Nahost – kann sie schon gar nicht bestehen. Die EU steht nach diesem Gipfeltreffen außenpolitisch geschwächt und lädiert da. Wenige Monate vor der Europawahl 2024 hat sie sich als Papiertiger erwiesen, wieder einmal.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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