EU-Gipfel zum Krieg in Nahost: Die richtige Formel

Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU ringen bei ihrem Gipfeltreffen um ihre Position zum Krieg in Nahost. Doch das hat nur symbolische Bedeutung.

Eu-Reatspräsiden Charles Michel steht vor Mikrofonen

Versuchte, es beiden Seiten recht zu machen: Gipfelchef und EU-Ratspräsident Charles Michel Foto: Virginia Mayo/ap

Ein dauerhafter Waffenstillstand, eine humanitäre Waffenpause – oder nur kurze Waffenpausen zum Atemholen? Über die richtige „Formel“ für den Krieg gegen den Hamas-Terror in Israel haben die 27 Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag in Brüssel heftig gerungen.

Dem vorausgegangen war ein zwei Wochen langer Dauerstreit. Selten hat die EU ihre Meinungsverschiedenheiten so offen ausgetragen, noch nie sind die Positionen so hart aufeinandergeprallt. Es geht um die Frage, ob die EU in der Nahostpolitik eine eigenständige und aktive Rolle einnimmt – und um ihre Glaubwürdigkeit weltweit.

Deutschland versuchte am Donnerstag nun, Israel im Krieg gegen die Hamas den Rücken freizuhalten und Forderungen nach einer längeren Waffenruhe abzuwehren. Spanien, Irland und Belgien sprachen sich dagegen für eine Waffenpause aus, die die humanitäre Katas­trophe in Gaza lindern soll. „Jetzt geht es darum, zu zeigen, dass wir Israel unterstützen“, sagte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seiner Ankunft in Brüssel. Es sei wichtig, dass die EU einen „klaren Standpunkt“ vertrete. Dies schließe „humanitäre Unterstützung der Bürger Gazas, die auch Opfer der Hamas sind“, nicht aus.

Mehr Hilfe für die Palästinenser mahnte dagegen der spanische Regierungschef und amtierende EU-Ratsvorsitzende Pedro Sánchez an. „Ich bin definitiv für eine humanitäre Pause“, erklärte er. Dies sei das Minimum. Eigentlich sei sogar ein Waffenstillstand notwendig, dem ein Friedensgipfel und eine Zweistaatenlösung folgen solle.

Gipfelchef und EU-Ratspräsident Charles Michel versuchte, es beiden Seiten recht zu machen. Er ging jedoch vor allem auf Deutschland zu. In seinem letzten Entwurf für die Gipfelerklärung war nur noch vage von „humanitären Korridoren“ und „humanitären Pausen“ die Rede; zudem wurde Israels Recht auf Selbstverteidigung betont.

Der Belgier warb um eine geschlossene Haltung der EU-Staaten. „Einige in der Welt“ würden versuchen, Teile der internationalen Gemeinschaft gegen die EU aufzubringen und „Zweifel an unserer Glaubwürdigkeit zu wecken“, so Michel vor Beginn des zweitägigen Gipfeltreffens. Deshalb sei eine Einigung in dieser Frage sehr wichtig. „Wir haben keine Doppelstandards“, betonte Michel.

Er reagierte damit auf Kritik aus den arabischen Staaten, Afrika und Südamerika. Dort stößt es vielfach auf Unverständnis, dass die EU der Ukrai­ne das Recht auf Selbstverteidigung zubilligt, die Palästinenser jedoch allein im is­raelischen Bombenhagel lässt.

Europa vertrete fundamentale Prinzipien und halte sich an das Völkerrecht, betonte Michel. Das internationale Recht gelte für alle, auch im Krieg. Ähnlich äußerte sich Scholz. Israel sei eine Demokratie mit „sehr humanitären Prinzipien“. Er habe daher „keine Zweifel“, dass sich die israelische Armee an das Völkerrecht halten werde, so der Bundeskanzler.

Die EU ringt bereits seit Beginn des Angriffs der Hamas auf Israel um Worte – bisher ohne Erfolg. Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ergriff ebenso wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Partei für Israel.

Der spanische EU-Vorsitz und eine Mehrheit der EU-Staaten fordert jedoch eine ausgewogenere Haltung. Dem EU-Gipfel kommt nun nur noch eine symbolische Bedeutung zu. Israel hat bereits Fakten in Gaza geschaffen und eine „totale Blockade“ verhängt. Die Forderung nach „humanitären Pausen“ werde daran nichts mehr ändern, hieß es bei EU-Diplomaten in Brüssel.

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