piwik no script img

EU-Position zum Nahost-KriegNichts gewonnen

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Die EU hat sich auf eine gemeinsame Haltung zu Gaza geeinigt. Doch dahinter verbergen sich tief liegende Differenzen mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten.

Hat dafür gekämpft, Israel den Rücken freizuhalten: Kanzler Olaf Scholz am Freitag in Brüssel Foto: Olivier Hoslet/epa

K ein Waffenstillstand und auch keine Waffenruhe, sondern humanitäre Korridore und Pausen: Das ist das Ergebnis des EU-Gipfels zu Israels Krieg gegen die terroristische Hamas in Gaza. Fünf Stunden lang hat Kanzler Olaf Scholz in Brüssel dafür gekämpft, Israel den Rücken freizuhalten und alles zu verhindern, was wie eine Bremse im Kampf gegen den Terror aussehen könnte. Am Ende hat er sich durchgesetzt.

Der Erfolg hinterlässt allerdings einen bitteren Beigeschmack. Humanitäre Korridore und Pausen sind, anders als eine Waffenruhe, auf kurze Zeit und begrenzte Räume angelegt. Israel kann seine militärische Offensive gegen die Hamas also weiterführen und muss nur gelegentlich Hilfe nach Gaza durchlassen. Die humanitäre Katastrophe geht weiter, warnt die Uno. War es das wert?

Nein, mit dem Gipfelergebnis ist nichts gewonnen. Israel hat den Beschluss mit eisigem Schweigen quittiert; er verpufft ohne praktische Wirkung. Deutschland hat die Mehrheit der EU-Staaten gegen sich aufgebracht. Kanzler Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock mussten auf die harte Tour lernen, dass die Sicherheit Israels zwar deutsche Staatsräson ist, aber keine europäische.

Die meisten anderen EU-Staaten haben einen anderen historischen Kontext mit Israel und dem Nahen Osten als Deutschland. Deshalb setzen sie – allen voran Spanien und Irland – auch andere Akzente. Am Ende teilten nur Österreich, die Niederlande und Tschechien die deutschen Anliegen, plus Ungarn. Ausgerechnet Viktor Orban stand Seit’ an Seit’ mit Scholz.

Das unwürdige und letztlich unnütze Gezerre um Hilfe für die Palästinenser steht in einem gewissen Kontrast zu der Entschlossenheit, mit der die EU ihre Solidarität mit der Ukraine bekundet. Da geht es nicht um kleine Korridore und kurze Pausen, sondern um jahrelange politische, finanzielle und militärische Unterstützung. Brüssel plant schon für die nächsten vier Jahre.

Die Einheit bröckelt

Doch auch hier sollte man sich nicht von wohlklingenden EU-Beschlüssen täuschen lassen. Die Einheit bröckelt, vor allem beim Geld. Ungarn und die Slowakei blockieren die geplante zusätzliche Finanzhilfe von 50 Milliarden Euro für die Ukraine. Andere EU-Länder, darunter Deutschland, weigern sich, mehr Geld nach Brüssel zu überweisen, um die neuen Budgethilfen zu finanzieren.

Die bittere Wahrheit ist, dass die EU nicht die nötigen Ressourcen hat, um als indirekt Beteiligter einen langen Krieg in der Ukraine durchzustehen. Einen „Zwei-Fronten-Krieg“ – in Osteuropa und in Nahost – kann sie schon gar nicht bestehen. Die EU steht nach diesem Gipfeltreffen außenpolitisch geschwächt und lädiert da. Wenige Monate vor der Europawahl 2024 hat sie sich als Papiertiger erwiesen, wieder einmal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Die EU ist ein Staatenbund, kein Bundesstaat. Die Staaten (sprich die Regierungen, die Bevölkerung der einzelnen Staaten etc...) haben unterschiedliche Interessen, vertreten unterschiedliche Meinungen. Eine zwangsweise Einigung zu einer Meinung ist undemokratisch und damit abzulehnen. Das schwächt zwar die EU als Ganzes, führt aber vielleicht zu einer demokratischen EU mit einer demokratischen Regierung. Die jetzige "Regierung", die Kommission mit v.d. Leyen an der Spitze wurde von den Staatenregierungschefs, voran Macron und Merkel, durchgedrückt. Oder hat irgendjemand vor der letzten EU-Parlamentswahl gewusst, dass v.d. Leyen eine mögliche Kandidatin war. Die stand auf keinem Stimmzettel, war in keinem Wahlspot und kam nach der Wahl wie Kai aus der Kiste. Die EU ist etwa so (prä)demokratisch wie das Deutsche Kaiserreich nach 1871, in dem der Kaiser die Regierung (Exekutive) einsetzte und die männliche Bevölkerung das Parlament, den Reichstag (Legislative) mit dem Etatrecht bestimmte. Wobei der Kaiser auch ein eingeschränktes Vetorecht bei Gesetzen hatte.

  • Ja klar, harte Pro- Israelhaltung von DE!



    Gestern in der UN: Enthaltung!!



    So sieht die uneingeschränkte Solidarität und Staatsräson mit Israel aus. Worthülsen, wie immer wenn man sich auch mal hart entscheiden müsste.



    Und dass die EU nicht genug Ressourcen hätte!? Sie will sie nicht haben.



    Usw. Usw.

  • Hamas-Terror, Geiselnahme (in mehrfacher Hinsicht) der Bevölkerung durch eine Terrororganisation, Leiden der Zivilbevölkerung… da jetzt auf den Stand der EU in der Welt abzuheben, finde ich mehr als merkwürdig.

  • "Wenige Monate vor der Europawahl 2024 hat sie sich als Papiertiger erwiesen, wieder einmal."



    Richtig, die EU hat mal wieder bewiesen, dass sie gemeinsam kaum was zustande bekommen. Dass wir einen anderen Blick auf das Geschehen haben, ist doch klar. Es gibt eine Geschichte und es gibt Verantwortung. Aber interessant ist dennoch, dass es viele EU-Staaten gibt, die eben einen anderen Blickwinkel haben und auch andere Schlüssel daraus ziehen. Denn eines ist wohl auch klar: Es MUSS eine Lösung geben und die kann nur bedeuten, dass es zwei Staaten gibt. Und darüber hinaus, ist auch klar, dass dieses Gemetzel aufhören und das der Wiederaufbau letztendlich auch gewährleistet sein muss. Insofern ist der UN-Beschluss mehr als vernünftig, den hätte man auch zustimmen können.

  • Ich bin froh, dass Bundeskanzler und Außenministerin hier eine klare Haltung zeigen.



    Auch ich sehe mich auf Seiten Israels.



    Dass Deutschland außerdem für eine Zwei Staaten Regelung plädiert, dass Deutschland seit Jahrzehnten die



    Palästinenser in diversen sozialen , schulischen und Ernährungsprogrammen unterstützt, scheinen Viele, die " die Palestina Flagge hochhalten" , zu vergessen.



    Dass Scholz und Baerbock schon bei den ersten Konsultationen auf Hilfe für die zivilen BewohnerInnen Gazas gedrungen haben, fällt bei den "RelativiererInnen" auch nicht auf.



    Sicher hat die EU Reformbedarf.



    Das Problem der Einstimmigkeit ist schwer zu überwinden, der Kanzler mahnte dies vor einer Erweiterung der EU als notwendig an.



    Dennoch bleibt die EU ein Friedens- und Fortschritts-Projekt. Wenn Russland in den 90ern mit Gorbatschow in die EU gekommen wäre, wäre dann der Ukrainekonflik entstanden?

    • @Philippo1000:

      Dann hätte ja Scholz & Baerbock auch der UN-Resulution zustimmen können. Haben sie aber nicht. Sie haben auch nicht Nein gesagt, sie haben wieder einmal nichts gesagt.



      "Wenn Russland in den 90ern mit Gorbatschow in die EU gekommen wäre, wäre dann der Ukrainekonflik entstanden?" Ach nee, man wird ja noch mal träumen können, oder? Aber das wäre NIE passiert. Die USA haben massiv was dagegen, dass die EU, dass Deutschland, wie vorgesehen mit Russland dicke Geschäfte macht und somit sich vom großen Bruder über den Teich "abnabelt". NIE würde die USA das zulassen. Dass wir uns jetzt den USA vor die Füße werfen, darüber lachen die in den Staaten noch in 100 Jahren. Das ist ein Problem. Die Franzosen wissen das, die denken weiter, wir nicht. Wir können nicht und wir dürfen nicht.

      • @Frankenjunge:

        Ich weiß nicht, ob Sie Erinnerungen an das Ende des kalten Krieges haben.



        Gorbatschow jedenfalls hatte Deutschland und die EU aufgefordert, zu einer Zusammenarbeit in Europa zu finden.



        Es scheiterte damals an der Arroganz Kohls und Konsorten. In einer Art Siegermentalität wurde Russland abgeschrieben.



        Die Entwicklung zeigt uns jetzt was für ein historischer Fehler das war.



        Ihre Einschätzung einer US bestimmten Europa Politik teile ich nicht.



        Glücklicherweise gibt es mit Biden wieder eine Annäherung an die USA, mit denen uns deutlich mehr verbindet als zum Beispiel mit China.



        Unter Trump war das ganz anders, von Zusammenarbeit waren wir so weit entfernt wie nie und an den gegenseitigen Zöllen war abzulesen, dass sich die EU keineswegs auf der Nase herumtanzen lies.



        Wieso hätten Baerbock und Scholz der UN Resolution zustimmen sollen?



        Die Gründe für das Handeln finden Sie im Artikel.



        Unsere Regierung hat die Solidarität mit Israel in vielen Zusammenhängen deutlich gemacht.



        Dennoch waren die Interessen für die Zivilisten in Gaza immer Thema, auch Israel gegenüber. Natürlich ist Biden der mächtigere Partner Israels, doch die Zahl der Freunde scheint für Israel gerade überschaubar.



        In der Folge der Verhandlungen hat die Versorgung der Menschen im Gazastreifen begonnen.



        Als Vermittler ist es manchmal besser eine neutrale Entscheidung zu fällen, wie Sie sich erinnern werden, wurde Biden, im Gegensatz zu Scholz und Baerbock von Jordanien ausgeladen.



        Meiner Meinung nach, macht die Regierung in der Außenpolitik gerade Vieles Richtig.



        Was Ihre Behauptung betrifft, die USA würde "verhindern, dass wir mit Russland dicke Geschäfte machen", erinnerne ich daran, dass wir genau das die letzten 20 Jahre gemacht haben und erst der Angriff auf die Ukraine diese Wirtschaftliche Zusammenarbeit beendete.