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Wahlsieg der Opposition in PolenPolen und die EU sollen diese Chance ergreifen

Gemma Teres Arilla
Kommentar von Gemma Teres Arilla

Nach der Wahl in Polen rückt das Ende des PiS-Regimes näher. Die EU sollte jetzt schnell die politische und wirtschaftliche Nähe zu Warschau suchen.

Anhänger von Donald Tusk feiern am Sonntag in der Parteizentrale der liberalkonservativen Bürgerkoalition Foto: Petr David Josek/ap

E s wurde als historische Wahl angekündigt und die Rekordzahl von 73 Prozent Wahlbeteiligung bestätigt das. Zwar konnte die seit acht Jahren in Polen regierende rechtskonservative PiS-Partei ihre Stammwähler mobilisieren. Ausschlaggebend aber war: Die Parteien der Bürgerkoalition, unter anderem mit der PO-Partei des ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten und Ex-Präsidenten des Europäischen Rates Donald Tusk, haben es geschafft, die Mehrheit der unentschiedenen Wäh­le­r*in­nen zu den Wahlurnen zu bewegen.

Selbst wenn die PiS laut ersten Prognosen die meistgewählte Kraft bleibt, hat Jarosław Kaczyński seine absolute Mehrheit verfehlt. Und das allein ist bereits ein Erfolg. Nun rückt das Ende des PiS-Regimes näher, und sowohl Polen als auch die Europäische Union (EU) müssen diese Chance ergreifen.

Die PiS verdankte ihre Macht zum größten Teil ihren Desinformationskampagnen, die sie aufgrund ihres Monopols bei den größten Massenmedienkanälen und ihrer Nähe zur Kirche fahren konnten. Dass ein Pastor oder Priester im Dorf für die PiS gepredigt hat, war in Polen lange Alltag.

Auch da haben die Oppositionsparteien auf dem Land ihren kleinen Spielraum gegenüber der PiS im Wahlkampf genutzt. Fälle von PO-Wähler*innen, die sich in den letzten Monaten in kleineren Städten oder Kommunen gemeldet haben, um dort ihre Wahlstimme abgeben zu dürfen, gab es viele. Denn in Polen werden die Wahlen auf dem Land gewonnen.

Polen spielt bereits eine zentrale Rolle in Europa – dank seiner geostrategischen Lage und seiner boomenden Wirtschaft: Der Krieg in der Ukraine hat das gezeigt und das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner hat sich seit 1989 sogar versiebenfacht. Übrigens hat sich in Polen auch in den letzten Jahren viel bewegt in Bereichen wie erneuerbare Energien.

Polen ist mehr als PiS

Die europäische Öffentlichkeit bekam indes oft nur den Rechtsruck Polens mit und die böse Allianz zwischen Warschau und Budapest. Polen ist viel mehr als das, und wenn die oppositionelle Bürgerplattform ihren Sieg bestätigt, sind das gute Nachrichten für alle.

Denn dann wird hoffentlich endlich diese positive Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft an die polnische und europäische Oberfläche kommen können. Über mögliche progressive und soziale Reformen, wie eine Legalisierung des im Land stark umstrittenen Abtreibungsrechts, soll Polen auch für europäische Investoren wieder attraktiv werden.

Das müsste auch dringend geschehen, sonst wird Europa den Zug im EU-Land bald verpasst haben. So haben südkoreanische und US-Investoren längst die besten Gebote abgegeben, etwa für neue Atomkraftwerke, in Polen einvernehmliche Allheilmittel für den Kohleausstieg, und einen großen Flughafen zwischen Warschau und Łódź.

Im Gegensatz zur penetranten Anti-EU-Rhetorik der PiS haben die Po­l*in­nen sich bei der Wahl vor allem für eher pragmatische Dinge interessiert: für Rechtsstaatlichkeit, für ein Ende der hohen Lebenshaltungskosten, für eine gute Gesundheitsversorgung. Die EU war ein Thema im Hintergrund des Wahlkampfs. Deswegen darf auch Brüssel die Chance nach dieser Parlamentswahl nicht verpassen und muss die Nähe zu Polen wieder suchen, bevor es zu spät ist.

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Gemma Teres Arilla
Leitung taz Panter Stiftung
Jahrgang 1982, ist Leiterin der taz Panter Stiftung. Zuvor war sie stellvertretende Auslandsressortleiterin und taz-Europa-Redakteurin. Bei der taz hat sie im Mai 2022 als Themen- und Nachrichtenchefin angefangen. Sie berichtet seit 2005 als freie Korrespondentin für Tageszeitungen, Fernseh- und Radiosender über Deutschland, Zentral- und Osteuropa. Ihre Karriere als Journalistin hat sie in Spanien gestartet und an der FU Berlin hat sie sich auf Osteuropa und Russland spezialisiert. Mehrere multimediale Projekte hat sie initiiert und durchgeführt, um Mehrsprachigkeit, Vielfalt und Toleranz in der Gesellschaft zu fördern.
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2 Kommentare

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  • Erst einmal: erfreulich.

    Ansonsten befürchte ich das Muster, das wir sonstwo auch beobachten: die Linke vereint sich hinter einer sich progressiv gebenden, im Kern neoliberalen Plattform [0] (wobei sich einige die Nase zuhalten müssen), um etwas viel schlimmeres zu verhindern.

    Irgendwann ist das "Kapital" aufgebraucht (entfesselter Kapitalismus braucht so ziemlich alles auf) und die Rechte gewinnt.

    Gerade in Frankreich in Zeitlupe zu beobachten.

    Die erste Runde davon haben Clinton (It's the stupid economy! [1]), Blair und Schröder vorgeführt.

    Ich vermute: wenn wir nicht in uns gehen und manche Dinge grundlegend anders machen werden uns diese ekligen Rechtspopulisten auffressen.

    [0] Wir finden LGBTQ* und Migrant*innen ganz hip. Hauptsache, wir können sie ausbeuten.



    [1] Jaja, ich weiss, im Original in leicht veränderte Reihenfolge. Was macht's?

  • > [...] soll Polen auch für europäische Investoren wieder attraktiv werden.

    Die Zahlen sagen hier aber einen konstanten Anstieg der Investitionen. Was soll da "wieder attraktiv" bedeuten?