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Neue IG-Metall-ChefinBenner sagt AfD den Kampf an

Kante gegen Rechts zeigt die neue Vorsitzende der größten deutschen Einzelgewerkschaft. Von der Regierung fordert sie Tempo bei der Energiewende.

Benner: IG Metall ist offen für alle – außer für Rassisten, Faschisten und andere Reaktionäre Foto: Ronald Wittek/epa

Frankfurt am Main taz | Am Ende ihrer ersten Rede als neue Chefin der IG Metall muss Christiane Benner mit sich kämpfen. Als die sonst so taffe 55-jährige Gewerkschafterin unter lautem Applaus ihre vier Mit­vor­ständ­le­r:in­nen auf die Bühne bittet, wird kurz ihre Stimme brüchig. „Wir können so viel erreichen“, ruft sie sichtlich bewegt den rund 420 Delegierten in der Frankfurter Messe zu. „Der Himmel ist weit offen!“

Eine Stunde und siebzehn Minuten hatte Benner zuvor am Dienstagmorgen gesprochen. Ihr „Zukunftsreferat“ war ein Parforceritt durch alle Bereiche, die Deutschlands größte Einzelgewerkschaft beschäftigen und bewegen: von nachhaltiger Energie- und Industriepolitik sowie Tarifpolitik und betrieblicher Mitbestimmung über Digitalisierung, Mobilität und die Verteilung gesellschaftlichen Reichtums bis zum Kampf gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck.

Zunächst noch etwas steif wirkend, gewann die am Vortag mit 96,4 Prozent gewählte Benner dabei von Minute zu Minute spürbar an Souveränität. „Heute führen wir landauf landab Abwehrkämpfe: gegen Abbau, Verlagerung, Standortschließung, Tarifflucht“, räumte sie zu Beginn ein. „Das ist kräftezehrend.“ Doch es hätte nicht dem Selbstbewusstsein der IG Metall entsprochen, wenn Benner nicht schnell von der Defensive in die Offensive umgeschaltet hätte. Zum Beispiel in Richtung des Autobauers Tesla und dessen gewerkschaftsfeindlichen Chef Elon Musk.

„Tesla bleibt nicht tarifvertragsfrei“

Unter Verweis auf den Protest von mehr als 1.000 Beschäftigten für bessere Arbeitsbedingungen Anfang des Monats vor dem Werk in Grünheide drohte Benner: „Wir lassen keine gewerkschaftsfreien Zonen zu – noch nicht mal auf dem Mars, Elon Musk!“ Und sie ließ keinen Zweifel am Ziel der IG Metall, dass Tesla nicht tarifvertragsfrei bleibt.

Deutliche Worte fand die neue IG-Metall-Vorsitzende auch in Richtung der Ampelkoalition, von der sie mehr Einsatz zum klimafreundlichen Umbau der Industrie einforderte. „Wir brauchen einen aktiven Staat, der in die Zukunft und in die Industrie investiert – der Markt alleine richtet es eben nicht mehr in diesem Land“, sagte Benner, die ihre Gewerkschaft als „Teil der Umweltbewegung“ bezeichnete. Zum einen forderte sie von der Bundesregierung, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien „noch viel, viel schneller gehen“ müsste. Vor allem bei der Windkraft bräuchte es „das dreifache Tempo“.

Bis endlich ausreichend nachhaltiger, günstiger Strom und grüner Wasserstoff zur Verfügung stehen, müsste es zum anderen einen subventionierten niedrigeren Strompreis für energieintensive Branchen wie die Stahlindustrie geben, um den notwendigen Umbau stemmen zu können. „Ohne diesen Brückenstrompreis laufen wir in eine Sackgasse in diesem Land“, warnte Benner.

Außerdem warf sie der Bundesregierung vor, Kaufprämien für Elektroautos zu früh zu kürzen und beim Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Autos und Lastwagen zu trödeln. „Was sind denn das für Signale – fahren die die E-Mobilität bewusst gegen die Wand?“, fragte Benner. „Wir brauchen keine Bremser, wir brauchen Ermöglicher in den Ministerien.“

Benner: Toxische Diskussion über Flucht und Migration

Höchst befremdet zeigte sich das SPD-Mitglied Benner über die vergiftete gegenwärtige Diskussion über Flucht und Migration. „Abschottung ist doch keine Alternative“, sagte sie. Es wäre ein fataler Rückschritt, wenn wieder die Schlagbäume an den Grenzen aufgebaut würden. Sie wolle in einem freien, geeinten Europa leben und dazu gehöre auch eine humanitäre Flüchtlingspolitik. „Und wir sagen Nein zu Eingriffen ins Asylrecht!“, rief sie unter langanhaltendem Beifall.

In Richtung AfD sagte Benner, diese würde den Menschen „mit plumpen Parolen Sicherheit versprechen“ und damit ihre demokratiefeindlichen Vorstellungen „unter der Tür durchschieben“. Dem stelle sich die IG Metall entschieden entgegen. Die Stärke der IG Metall sei ihre Vielfalt, betonte die Fremdsprachenkorrespondentin und Diplom-Soziologin. Dazu gehöre auch, dass sie eine „Einwanderungsgewerkschaft“ sei. Die IG Metall sei „offen für alle – außer für Rassisten, Faschisten und andere Reaktionäre“, zog Benner klare Kante. „Die haben bei uns nichts zu suchen!“

Die Reaktionen auf die Rede fielen bemerkenswert einheitlich aus: Ihre erste Bewährungsprobe habe sie mit Bravour bestanden, war die einhellige Meinung. „So gut hat zuletzt Franz Steinkühler geredet“, sagte ein älterer Delegierte. Das war vor 37 Jahren.

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1 Kommentar

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  • So so. Unbegrenzte Zuwanderung ist als gut für die Arbeiterschaft.



    Bei Marx hieß sowas noch Industrielle Reservearmee, womit die Kapitalisten die Löhne drücken.



    Man muss ja nicht gleich AfD wählen, aber es ist einfach logisch das der Arbeiter bzw. kleine Mann am meisten unter Zuwanderung leidet, wenn der Staat die sozialen folgen nicht abfedert. Sei es eben durch Lohndumping oder eben durch nicht mehr vorhandenen billigen Wohnraum.



    Entsprechend sind solche Aussageneinfach Unsinn und realitätsfremd. Das die SPD in im Überlebenskampf auch noch die Gewerkschaft mobilisiert, ist schade. Denn es wird eher die Gewerkschaften auch noch killen, als die SPD retten.



    Es ist erbärmlich wie wenig die Arbeiter überhaupt noch verstanden werden. Man kann die Wähler noch und nöcher als Nazis und Rassisten beschimpfen, solang sich die Politik nicht ändert wird man der AfD nur Wähler zutreiben.