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Jüdischer Turn- und Sportverband MakkabiSie wollen spielen

Nach den Angriffen in Israel herrscht bei Makkabi Unsicherheit. Die insgesamt 37 Sportvereine des Verbandes trainieren unter verstärktem Schutz.

Unbeschwertere Zeiten: Vor wenigen Monaten feierte Makkabi Berlin den Finalerfolg im Landes­pokal Foto: Matthias Koch/imago

Seit dem Angriff der radikalislamistischen Hamas auf Israel am vergangenen Wochenende, bei dem 1.300 jüdische Israelis getötet wurden, herrscht auch beim jüdischen Turn- und Sportverband Makkabi Deutschland Fassungslosigkeit.

Es ist ein Zustand der Leere“, sagt Präsident Alon Meyer am Telefon, hörbar um Worte ringend. „Man funktioniert nur noch.“ Zu Makkabi Deutschland gehören insgesamt 37 Sportvereine, über 5.000 Mitglieder sind in ihnen organisiert. Ihr Präsident spricht wohl für viele von ihnen, wenn er sagt: „Man ist tief erschüttert, man ist entsetzt, man ist sauer, aber ein Stück weit fühlt man sich auch hoffnungslos.“

Eines der Mitglieder ist Dervis Hızarcı. Der 40-Jährige spielt seit über acht Jahren Fußball für TuS Makkabi Berlin und hat in dieser Zeit 80 Tore geschossen, wie er nicht ohne Stolz erzählt. Der Sohn einer türkischen Gastarbeiterfamilie ist in Neukölln aufgewachsen und seit 2015 Vorstandsvorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus.

Auch darüber hinaus engagiert er sich gegen Diskriminierung und Rassismus. Im Gespräch mit der taz sagt er: „Wir haben in Deutschland viele Menschen, die mit der Hamas sympathisieren.“ Dass diese Sympathie auch nach dem letzten Wochenende nicht nachgelassen habe, lasse für ihn nur einen Schluss zu: „Für jüdische Menschen in Deutschland kann es potenziell sehr gefährlich werden.“

Die Gefahr, ein jüdischer Sportverein in Deutschland zu sein

Überall im Land verstärken Behörden dieser Tage ihre Sicherheitsvorkehrungen, der Zentralrat der Juden teilte mit, in den sozialen Netzwerken gebe es zahlreiche Gewaltaufrufe gegen jüdische Einrichtungen. Am vergangenen Wochenende führte auch diese konkrete Bedrohungslage dazu, dass Makkabi Berlin seinen gesamten Spielbetrieb absagte.

Die Berliner Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) versicherte dem Verein „tiefe Solidarität und Unterstützung“. Die Entscheidung könne sie sehr gut nachvollziehen: „Menschen jüdischen Glaubens müssen sicher in Berlin leben können.“ Im Jahr 2022 kam es in der Hauptstadt täglich im Schnitt zu mehr als zwei antisemitischen Vorfällen.

„In Deutschland ist es insbesondere beim Fußball gefährlicher, ein jüdischer Sportverein zu sein als ein nichtjüdischer“, sagt Präsident Alon Meyer. „Weil man mit dem stilisierten Davidstern auf der Brust aufläuft.“ Hızarcı, der langjährige Makkabi-Torjäger und Kämpfer gegen Antisemitismus, erzählt, er habe in seiner ersten Saison „die schrecklichsten Erfahrungen gemacht. Da kam es nicht nur zu Rangeleien, sondern zu Gewaltausbrüchen“.

Beide Teams aus Neukölln und Wedding seien muslimisch geprägt gewesen, was aber nicht darüber hinwegtäuschen dürfe, dass antisemitische Gefahr auch sehr stark von rechts ausgeht: „Es gibt immer wieder Angriffe auf Jüdinnen und Juden. Sie fühlen sich nicht sicher.“

„Wir möchten uns dieser Entwicklung nicht ergeben“

Bei Makkabi Berlin soll der sportliche Betrieb an diesem Wochenende zumindest teilweise wiederaufgenommen werden. Gegenüber der taz erklärt der Berliner Fußballverband (BFV), dass die Spiele der erwachsenen Teams planmäßig stattfinden, wenngleich das Pokalspiel der zweiten Mannschaft gegen Anadoluspor Berlin als „gefährdet“ eingestuft worden sei. Wieso, kann der BFV-Sprecher am Telefon nicht sagen. Die Jugendfußballspiele wurden erneut abgesagt.

Der Verein bestätigt am Donnerstagabend in einer Pressemitteilung, dass, wie schon die gesamte Woche, unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen trainiert und gespielt werde. Auch die Mannschaft von Dervis Hızarcı wird am Wochenende auf dem Platz stehen: „Alle wollen spielen“, betont er. „Wir möchten uns dieser Entwicklung nicht ergeben, sondern selbstbewusst und selbstverständlich leben.“ Also auch: Fußball spielen.

Bei Weitem nicht alle Sport­le­r:in­nen und Mitglieder der Makkabi-Vereine sind jüdisch, sondern nur etwa 20 Prozent. In dem Kader der ersten Mannschaft von Makkabi Berlin sind es Fußballer aus elf Nationen, darunter ein Israeli und ein Iraner. Was für das halbprofessionelle Oberligateam aus Berlin gilt, ist deutschlandweit Normalität: Bei Makkabi kommen Menschen aus der ganzen Welt und mit diversen Glaubensrichtungen zusammen, um gemeinsam Sport zu treiben.

Hitlergruß bei A-Jugend-Spiel

Immer wieder kommt es bei Spielen und Wettkämpfen zu antisemitischer Gewalt, physisch wie verbal. Für Entsetzen hatte etwa ein Fall im November letzten Jahres gesorgt, als bei einem Fußballspiel der A-Jugend von Makkabi Berlin gegen Hertha 06 ein gegnerischer Spieler den Hitlergruß gezeigt und sich ein anderer schwer antisemitisch geäußert haben soll. Das Sportgericht sperrte die beiden und den Vereinsvorsitzenden für zwei Jahre. Sie hatten sich von einem Zuschauer mit Israel-Flagge provoziert gefühlt.

„We stand with you, Israel! Wir stehen an Eurer Seite, liebe Sport­freun­d*in­nen von Makkabi Berlin!“

Pokalgegner Berolina Stralau

Dervis Hızarcı sagt, dass die vergangenen sieben Jahre, nach den beiden Vorfällen gleich in seiner ersten Saison, „relativ friedlich“ verlaufen seien. Angesichts der aktuellen Lage wünscht er sich nun von den anderen Vereinen vor allem eines: „Dass sie sich solidarisch zeigen mit Jüdinnen und Juden. Ich wünsche mir, dass sie auf Makkabi zugehen und zeigen, dass Antisemitismus und Rassismus hier keinen Platz haben.“

Das könne durch einen Social-Media-Post geschehen, einen Brief oder in der direkten Begegnung. Hızarcı erklärt: „Wenn wir es schaffen, uns als Berliner Fußballgemeinschaft im Blick zu behalten und mitfühlend zu sein, dann brauchen wir keinen Polizeischutz und müssen uns keine Sorgen um Gewalt oder Eskalation machen.“

Berolina Stralau tut genau das. Auf seiner Website schreibt der Verein, auf den die ­Fußballmannschaft von Makkabi Berlin an diesem Sonntag im Pokal trifft: „We stand with you, Israel! Wir stehen an Eurer Seite, liebe Sport­freun­d*in­nen von Makkabi ­Berlin!“

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