Meduza-Auswahl 21. – 27. September: Weitere Mobilisierung rückt näher

Viele russische Soldaten wurden getötet, Freiwillige kommen kaum nach. Mehr Mobilisierung wird erwartet, analysiert Meduza.

Junge russische Männer in Uniform stehen salutierend in einer Reihe

Sie hat es schon erwischt: Russische Soldaten und Wehrpflichtige, die einberufen wurden Foto: Alexey Pavlishak/reuters

Das russisch-und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Woche vom 21. bis 27. September 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Eine weitere Mobilisierung scheint unvermeidlich

Der Kreml behauptet, dass Russland seinen Krieg gegen die Ukraine künftig mit Freiwilligen führen wird. Laut offiziellen Zahlen sollen bis Ende des Jahres 420.000 Kämpfer rekrutiert worden sein, seit Beginn des Jahres angeblich bereits 300.000. In diesem Bericht schätzt Meduza diese Zahlen als “stark übertrieben“ (englischer Text) ein. Einige russische Soldaten hatten vor September 2022 – als die letzte Teilmobilisierung erfolgte – außerdem ihre Verträge gekündigt, denn bis dahin war das noch erlaubt.

Erhebliche Verluste erleidet das russische Militär gleichzeitig auf dem Schlachtfeld. Nach Angaben des unabhängigen Portals Mediazona hatten die russischen Streitkräfte und die Söldnergruppe Wagner bis Ende Mai 2023 rund 47.000 Tote zu beklagen. Darüber hinaus muss das Verteidigungsministerium möglicherweise bald die im Jahr 2022 einberufenen Wehrpflichtigen rotieren.

Meduza analysiert die Zahlen und die aktuelle Lage und kommt zum Schluss, dass eine weitere Mobilisierung in Russland nur eine Frage der Zeit ist.

Nawalny und die Präsidentschaftswahlen 2024

Der in einer Strafkolonie inhaftierten Oppositionspolitiker Alexej Nawalnyhat sich vor kurzem in einem Beitrag mit den kommenden Präsidentschaftswahlen in Russland im März 2024 befasst. Meduza hat ihn kurz zusammengefasst (russischer Text).

Nach Ansicht Nawalnys werden wohl drei Oppositionsparteien antreten, darunter auch die FBK. Sie wurde 2011 von Nawalny selbst gegründet. “Oppositionskoalitionen sind Zeitverschwendung“, sagte Nawalny in seiner Analyse und stellte seinen Plan für die Wahl vor: “Umfragen, Fokusgruppen, Recherche, Datenanalyse“.

Einer der Architekten von Jelzins Reformen ist gestorben

„Er glaubte, dass die Wirtschaft frei sein sollte und dass Frieden besser sei als Krieg“. Mit dieser Beschreibung erinnert Oleg Buklemishev an Jewgeni Jasin, ehemaliger Wirtschaftsminister der Russischen Föderation unter Boris Jelzin und Gründer der Wirtschaftshochschule Moskau. Jasin ist am 25. September im Alter von 89 verstorben. Buklemishev war einer seiner Kollegen an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Moskauer Staatsuniversität und hat für Meduza einen Nachruf geschrieben (russischer Text).

“Jewgeni Jasin stützte sich auf Werte wie Freundlichkeit, Verständnis, Vielfalt und Reichtum dieser Welt sowie auf die Notwendigkeit, Diktate abzuschaffen. Er glaubte, dass eine Lösung [für ein gegebenes Problem] die Interessen verschiedener Menschen gleichermaßen berücksichtigen muss – und dass sie angestrebt werden muss, auch wenn diese Interessen im Widerspruch stehen“, schreibt Buklemishev.

Bergkarabach, von der globalen Diplomatie verlassen

Meduza veröffentlicht einen Artikel (englischer Text) über den laufenden Konflikt in Bergkarabach und erklärt, warum die globale Diplomatie den Angriff Aserbaidschans auf die Region – in der überwiegend Armenier lebten und die sich von Aserbaidschan für unabhängig erklärten – nicht verhindern konnte. Der Text wurde von einem russischen Reporter geschrieben, der sich angesichts der russischen staatlichen Zensur aus Sicherheitsgründen dafür entschieden hat, anonym zu bleiben.

Der Autor hat lange über den Konflikt in Bergkarabach berichtet, hat Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach bereist und mit Einwohnern sowie Beamte und Diplomaten auf beiden Seiten des Konflikts gesprochen.

Unter anderem ist in dem Meduza-Beitrag zu lesen: “Während Aserbaidschan die freie Wahl internationaler Vermittler hat, ist dies in Armenien nicht der Fall“. Aserbaidschan ist zum Gaslieferanten der EU geworden und hat dadurch an Bedeutung gewonnen.

Der belarussische Nobelpreisträger Ales Bialiatski benutzt den Begriff „Aserbaidschanisierung“, um die Tendenz der NATO-Länder zu beschreiben, den Blick von systemischen Menschenrechtsverletzungen abzuwenden, wenn es ihren Interessen entspricht.

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