Mutmaßlicher Doppelagent für Russland: BND-Mann weist Vorwürfe zurück
Ein BND-Mitarbeiter soll Interna an Russland durchgestochen haben. Sein Anwalt spricht von „Geheimnishuberei“.
Carsten L. werde kein Geständnis ablegen, teilte am Donnerstag sein Anwalt Johannes Eisenberg, der auch die taz presserechtlich vertritt, mit. Der Beschuldigte werde vielmehr „massiv vorverurteilt“, die Vorwürfe würden „durch manipulierte Ermittlungen konstruiert“. So sei bis heute unklar, wer das angebliche „Verratsmaterial“ in Russland gefunden habe und dem BND weitergereicht haben soll, so Eisenberg. Auch gehe die Verteidigung davon aus, dass dieses Material „wertlos“ war und keine Folgen hatte. Zudem basiere die Anklage auf „Behördenerklärungen“ des BND, die nicht überprüfbar seien.
Auch die Aussagen des Mitbeschuldigten Arthur E., einem befreundeten Geschäftsmann von Carsten L., der diesen belastet hatte, weist Eisenberg zurück. Arthur E. habe seine Einlassungen immer wieder angepasst und „nachweislich verschiedentlich gelogen“. Die Bundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt wiederum hätten es weitgehend unterlassen, mit Ermittlungen dessen Aussagen zu überprüfen.
Eisenberg weist auch zurück, dass Carsten L. politisch rechtsgerichtet sei. Dies habe sich trotz Ermittlungen angeblich „nicht erhärtet“. Medien hatten unter anderem von einer Bekanntschaft von Carsten L. mit einem AfD-Mann berichtet und über eine Unzufriedenheit über seine Arbeit beim BND.
„Willkürliche Geheimnishuberei“
Der Verteidiger beklagt auch, dass seine Arbeit durch die hohe Geheimhaltung des Falls stark behindert werde. Fast der gesamte Aktenbestand – rund 40 Ordner – sei als geheim eingestuft worden, kritisiert Eisenberg. Auch bei der Anklage seien von den 118 Seiten ganze 106 als „geheim“ klassifiziert. Eisenberg spricht von „willkürlicher Geheimnishuberei“: Einzelheiten der Vorwürfe seien so öffentlich nicht benennbar und kritisierbar.
Eisenberg hatte in der Vergangenheit schon die Gegenseite vertreten und im NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag BND-Zeugen juristisch begleitet. BND-Chef Bruno Kahl hatte von Beginn an „Diskretion“ in dem Fall angemahnt. Mit Russland habe man es mit einem Akteur zu tun, „mit dessen Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft wir zu rechnen haben.“ Jedes Detail des Falls, das an die Öffentlichkeit gelange, bedeutet einen Vorteil Russlands in seiner Absicht, Deutschland zu schaden.
Die Anklage wirft Carsten L. und seinem Bekannten Arthur L. Landesverrat in besonders schwerem Fall vor. Im September 2022 hätten beide zusammen mit einem russischen Unternehmer, der Kontakt zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB hat, beschlossen, BND-Interna nach Moskau durchzustechen. Daraufhin habe Carsten L. neun BND-Dokumente an seinen Dienstrechnern in Pullach und Berlin ausgedruckt oder vom Bildschirm abfotografiert. Dabei sei es um ein Projekt „zur technischen Informationsgewinnung“ gegangen, so die Bundesanwaltschaft.
Russland zahlte fast eine Million Euro
Das Material habe Carsten L. an Arthur E. übergeben, der wiederum Fotos der Ausdrucke nach Moskau gebracht und dem FSB im September und Oktober 2022 übergeben habe. Vermittelt habe hier der russische Unternehmer, der auch die Flugreisen von E. bezahlt habe. Für eine zweite Übergabe habe der FSB dann eine Liste mit Fragen vorgelegt, die ihn interessierten. Hierzu habe Carsten L. erneut BND-Informationen rausgesucht und über Arthur E. dem russischen Dienst übergeben.
Der FSB belohnte die Dienste von Carsten L. laut Anklage mit 450.000 Euro in bar. Arthur E. soll 400.000 Euro bekommen haben. Der Prozess gegen die beiden Männer soll vor dem Kammergericht in Berlin verhandelt werden.
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