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Überschwemmungen in LibyenEine Katastrophe mit Ansage

In Libyen geht die Zahl der Fluttoten in die Tausende. Eine Betroffene berichtet, dass sie von der Gefahr wusste, die Warnung aber ignorierte.

Tödliches Wadi inmitten der Stadt: Das Wasser suchte sich seinen Weg ins Meer Foto: dpa

Berlin/Marrakesch taz | Mehr als 5.000 Tote – und es wäre eine Überraschung, wenn diese Zahl nicht weiter steigt. Nach den Überschwemmungen in Libyen galten am Mittwochnachmittag weiterhin rund 10.000 Menschen als vermisst. Zudem wurden Unicef-Angaben zufolge bis zu 30.000 Menschen allein in der besonders schwer betroffenen Küstenstadt Darna aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben.

Am Wochenende hatte das Sturmtief Daniel für starke Regenfälle in Libyen gesorgt. Das Wasser sammelte sich in den Tälern der Wüste und suchte sich – zunächst nicht ungewöhnlich – den Weg ins Mittelmeer. Die Wassermassen waren jedoch so groß, dass die marode Infrastruktur dem Druck nicht standhielt. Vor Darna brachen zwei Dämme, was die besonders schwere Verwüstung in der Stadt erklärt. Das Wadi Darna, das mitten durch die Stadt führt, trat über die Ufer und riss ganze Stadtteile mit.

Es war eine Katastrophe mit Ansage: Nicht nur hatte das Sturmtief schon Griechenland heimgesucht, auch hatte es in Darna offenbar Warnungen gegeben. „Drei Tage vor Beginn des Starkregens am Samstagnachmittag wurden wir über den lokalen Radiosender aufgefordert die Stadt zu verlassen“, berichtet Lobna Almustari der taz am Telefon. „Es hat hier aber nie einen derartigen Sturm gegeben, also ignorierten wir wie fast alle Nachbarn die Evakuierung.“

Ihr Vater entschied sich, einen Lebensmittelvorrat anzulegen und abzuwarten. „Er sagte, dass wir die Gaddafi-Diktatur, den Einzug der Islamisten nach der Revolution (von 2011, d. Red.) und die Kämpfe zwischen dem Islamischen Staat und der Armee ohne Flucht überstanden hätten.“

Nach den Kämpfen der letzten zwölf Jahre sind die Menschen in dem Bürgerkrieg besonders vulnerabel. Nachdem Aufständische mit Rückendeckung von Nato-Luftangriffen 2011 die Gaddafi-Diktatur stürzten, ergriffen Milizen, darunter auch der „Islamische Staat“, die Kontrolle.

Heute sind zwei rivalisierende Führungen an der Macht, im Westen die offizielle Regierung unter Ministerpräsident Abdulhamid Dbaiba, im Osten der abtrünnige General Chalifa Haftar mit seiner Libyschen Nationalarmee (LNA). In diesem Gebiet liegen Darna und andere überflutete Städte wie Susa, al-Baida und Schahat.

Ein Baum auf der Staumauer

Im Chaos des vergangenen Jahrzehnts und womöglich bereits zu Gaddafi-Zeiten ist die Wasser-Infrastruktur offenbar vernachlässigt worden. Ein vor der Katastrophe aufgenommenes Video des Staudamms Wadi Darna zeigt, wie ein Baum auf der Staumauer wächst.

„Das ist nicht nur das Böse von Mutter Natur, das ist das Böse des Menschen. Es ist die Unfähigkeit und Selbstgefälligkeit von Männern, die sich im letzten Jahrzehnt bereichert haben“, betont der Analyst Anas El Gomati im Interview mit Al Jazeera. Es gebe klare Verantwortlichkeiten: „Haftars eigene Kräfte, die LNA“.

Die politische Situation erschwert nun nach der Katastrophe die internationale Hilfe, da eine Zusammenarbeit mit Haftars Behörden nur begrenzt möglich ist. Internationale Such- und Rettungsteams wurden bislang nicht entsandt.

Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie Jordanien schickten jedoch tonnenweise Hilfsgüter, darunter Stromgeneratoren, Zelte, Lebensmittel und Medikamente. Deutschland stellte vier Millionen Euro zusätzlich für Libyen bereit. Das Geld soll etwa an Ärz­t*in­nen und andere Helfer in Gesundheitszentren fließen, die bereits unterstützt werden. Die EU gab am Mittwoch bekannt, erste Gelder in Höhe von 500.000 Euro bereitzustellen.

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3 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Ein Baum auf der Staumauer"" oder eine Katastrophe mit Ansage.



    ==



    ""Die Wut in Libyen wächst darüber, ob die Warnungen über den Zustand der beiden Staudämme ignoriert wurden. Offenbar ist es nach dem Bürgerkrieg in Libyen 2011 nicht gelungen, neue Auftragnehmer für die Instandhaltung des Staudamms zu finden und dass die Polizei und das Sicherheitsamt in der Nacht keine genauen Anweisungen über das mit Sicherheit zu erwartende Hochwasser gegeben haben .

    Ein türkisches Unternehmen war 2007 mit Arbeiten an den Dämmen beauftragt, verließ Libyen jedoch 2011, als die Kämpfe ausbrachen und kehrte nicht zurück.. Ein Teil der 2003 für die Instandhaltung des Staudamms bereitgestellten Summe von 39 Mio. Dinar wurde später vom Ministerium zurückgenommen, der größte Teil davon wurde jedoch nicht ausgegeben. Nachdem das Unternehmen das Land verlassen hatte, wurden die Baumaschinen gestohlen und die Baustelle wurde stillgelegt wie aus Informationen hervorgeht, die bei einem Treffen mit dem Ministerium für Wasserressourcen mitgeteilt wurden.""

    www.theguardian.co...atastrophic-floods

    Klartext:



    1. Die Baufälligkeit der Staudämme und die Gefahr für die Stadt war bekannt.

    2..Als ""Wadi""werden in Wüstengegenden Flüsse bezeichnet die bei Trockenheit trocken fallen, aber bei Regen das Wasser abführen.

    Das Wadi in Derna erfüllte diese Funktion seit Jahrhunderten - wie unschwer auf Sateliten gestützten Karten besichtigt werden kann., da die Schlucht des Trockenflusses sich



    durch eine gebirgige Landschft zieht



    und die Stadt Derna in 2 Teile aufteilt.

    Das bedeutet: Da der Trockenfluss auf seinem Weg durch die Stadt nicht mit Dämmen versehen war und nicht auszuschliessen ist, ob Teile des Wadis mit Häusern bebaut wurden war es eine Katastrophe mit Ansage - wobei die Klimakatastrophe sicher einen erheblichen Anteil hatte.

    Die Sicherheit der Bewohner der Stadt war spätestens seit 2011 ein Lotteriespiel.

  • Danke für diesen Bericht! Kann man nicht überbetonen, wie wichtig bei solchen Sachen O-Ton ist.

    „Er sagte, dass wir die Gaddafi-Diktatur, den Einzug der Islamisten nach der Revolution (von 2011, d. Red.) und die Kämpfe zwischen dem Islamischen Staat und der Armee ohne Flucht überstanden hätten.“

    Wer hat den Befehl gegeben, dass die Staudämme dort nicht mehr gewartet werden dürfen?



    Gaddafi.

    Wann?



    Vor über 20 Jahren.

    Und warum?



    Um die Bevölkerung für ihre Unbotmäßigkeit zu bestrafen. Die Leute dort haben eine Tradition einer selbst für libysche Verhältnisse ausgesprochen großen Renitenz, spätestens seit sie vor gut 220 Jahren eine französische Invasion in die Flucht schlugen. Derna war die erste Stadt, ind er Gaddafis Truppen vertrieben wurden, und sie schafften es nie, zurückzukehren. Als Daesh zum ersten Mal da einmarschiert ist, hielten sie sich genau eine Nacht. Haftar konnte die Stadt nur mit Hilfe von Wagner und Paramilitärs des französischen Auslandsgeheimdiensts erobern.

    Und danach?



    Dasselbe, denn weder IS noch Haftar haben sich in Derna fest etablieren können. Diese maroden Dämme, das war der Abzug, an dem welcher Möchtegern-Herrscher auch immer seinen Finger hatte. Man hätte die bei Bedarf sprengen, oder der Stadt die Wasserversorgung abschneiden können. Das war literally das AKW Saporischia Libyens.

    „Drei Tage vor Beginn des Starkregens am Samstagnachmittag wurden wir über den lokalen Radiosender aufgefordert die Stadt zu verlassen“

    Vom Lokalradio. Nicht von Haftars "Regierung". Die hat da nur eine Gelegenheit gesehen, potentielle Gegner billig loszuwerden.

    Ich bin gespannt, wie Haftar sich aus *der* Sache rauswinden will. Bislang konnte er sich immer drauf verlassen, dass Putin ihm rettet, aber Putin hat grad andere Sorgen.

    • 8G
      83911 (Profil gelöscht)
      @Ajuga:

      Vielen herzlichen Dank, Ajuga, für die Infos. Das erklärt so Einiges und hätte eigentlich in den Artikel schon gehört. Schade, das inzwischen auch die taz nicht mehr sauber recherchiert oder was auch immer es für Gründe haben mag, derart unfertige Nachrichten zu veröffentlichen.