Hamburg will Reederei MSC beteiligen: Bieterschlacht um den Hafen
Der Hamburger Senat will den Hafen mit der weltgrößten Reederei MSC betreiben. Nicht nur der Logistikunternehmer Kühne ist nun sauer.
So soll MSC künftig 49,9 Prozent an der Betreibergesellschaft Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) halten, die Stadt will 50,1 Prozent halten. Der Senat erhofft sich dadurch einen Befreiungsschlag für den kriselnden Hafen. Allerdings sorgt der Entschluss auch für Irritation, Empörung – und eine Kampfansage des Logistik-Milliardärs Klaus-Michael Kühne.
Drei der vier Hamburger Containerterminals betreibt die HHLA. Im vergangenen Jahr wurden darüber 6,4 der insgesamt 8,3 Millionen Standardcontainer in Deutschlands wichtigstem Hafen umgeschlagen. Die HHLA war bis 2007 komplett in Besitz der Stadt, ehe der damalige Senat unter Ole von Beust (CDU) beschloss, rund 30 Prozent der Aktien in den Streubesitz zu verkaufen. Den Einstieg einer Reederei aber schloss der Senat bislang immer aus.
Nur an einzelnen Terminals kam es in der Vergangenheit zur Beteiligung von Reedereien: Der Hamburger Logistikkonzern Hapag-Lloyd ist am Terminal Altenwerder beteiligt; nach langwierigen Querelen und Debatten stieg im Juni die chinesische Reederei Cosco mit einer Minderheitsbeteiligung am Terminal Tollerort ein.
Stadt kann Investitionen nicht alleine stemmen
Tschentscher begründet die Beteiligung von MSC damit, dass die Stadt Investitionen, die die stagnierende Entwicklung beenden sollen, nicht allein stemmen könne. Es brauche dafür „partnerschaftlichen Begleitung“. In den vergangenen Jahren war der Umschlag rückläufig, während vor allem die konkurrierenden Häfen in den Niederlanden zulegten.
Im Gegenzug garantiert MSC, seinen Umschlag in Hamburg bis 2031 auf mindestens eine Million Standardcontainer pro Jahr zu erhöhen. MSC verfügt über mehrere Hundert Containerschiffe. Jährlich transportiert die Reederei eigenen Angaben zufolge rund 23 Millionen Standardcontainer über die Ozeane. Zudem will der Konzern seine Deutschlandzentrale nach Hamburg verlegen und dort Arbeitsplätze schaffen.
Dass es zum Zusammenschluss kommt, ist allerdings nicht sicher, schließlich muss MSC noch in den Besitz der 49,9 Prozent der Aktien kommen. Neben den etwa 19 Prozent, den die Stadt an MSC verkaufen will, braucht es dann noch die Aktien, die sich im Streubesitz befinden.
Dafür macht MSC ein nach Aussage von Wirtschaftssenatorin Leonhard ein „sehr, sehr gutes Angebot“ von 16,75 Euro je Aktie. Bevor am Morgen die Zusammenarbeit bekannt gegeben wurde, lag der Wert noch bei rund 11,50 Euro. Seit der ersten Ausgabe der Aktien 2007 ist der Wert um mehr als 70 Prozent gefallen. Ob die Anleger:innen also auf das Angebot eingehen, ist offen.
Hinzu kommt, dass bereits kurz nach der Bekanntgabe der Aktienwert einen Sprung sogar über das MSC-Angebot gemacht hat. Das dürfte auch an Klaus-Michael Kühne liegen: Der in der Schweiz wohnende Logistikunternehmer mit enger Verbindung nach Hamburg zeigte sich über das Vorgehen des Senats empört und will den Plan gegebenenfalls durch ein Gegenangebot zu Fall bringen, wie er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte.
„Ersten Zugriff auf eine Minderheitsbeteiligung an der HHLA hätte man natürlich einem echten Hamburger Unternehmen wie Hapag-Lloyd einräumen müssen“, sagte Kühne. „Ich kann Hapag-Lloyd nur dringend raten, selbst und sofort ein Übernahmeangebot für 49,9 Prozent der HHLA-Aktien abzugeben.“ Sollte das nicht geschehen, würde er kurzfristig über ein Gegenangebot seiner privaten Unternehmensholding entscheiden. Bis Redaktionsschluss blieb offen, ob Kühne tatsächlich ein Gegenangebot wagt.
Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen zeigte sich am Mittwoch zurückhaltend, auch hinsichtlich der Frage, ob nicht der Einstieg einer Reederei von der Konkurrenz kritisch gesehen wird: „Wir gehen davon aus, dass dies unsere Zusammenarbeit mit der HHLA nicht beeinträchtigen wird“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Die Linke kritisiert die Privatisierung
Weitere Reaktionen aus der Hamburger Wirtschaft und der Opposition auf die anvisierte Zusammenarbeit mit MSC sind dagegen weniger zurückhaltend, liegen dafür aber umso weiter auseinander: Die Linksfraktion kritisiert die Privatisierung, spricht vom „Ausverkauf des Hafens“. Verwunderlich sei die Entscheidung des Senats, da er zuvor noch das von Kühne bereits vergangene Woche bekundete Interesse an einer HHLA-Beteiligung abgelehnt hatte.
Dass nun ein anderer privater Akteur im Hafen mitentscheiden darf, sei fatal. „Die Folge dieser Übernahme ist der dominierende Einfluss einer Reederei auf alle Terminals der HHLA und damit auf einen bedeutenden Teil der Hafenentwicklung“, sagte der hafenpolitische Sprecher Norbert Hackbusch.
Dagegen hält die CDU den Schritt für überfällig „nach Jahren rot-grüner Misswirtschaft und Passivität im Hamburger Hafen“, wie der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Götz Wiese, sagte. Die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein sieht gleichzeitig Chancen und Risiken im MSC-Einstieg: „Die marode Hafeninfrastruktur könnte davon profitieren; jedoch könnten sich andere Reedereien von Hamburg abwenden, womit die Tonnage im Hafen weiter sinken würde.“
Ähnlich gegensätzlich sind die Positionen der Handelskammer und der Gewerkschaft Ver.di. „Die angestrebte strategische Partnerschaft kann ein entscheidender Befreiungsschlag für den Hamburger Hafen werden“, sagt Handelskammer-Geschäftsführer Malte Heyne und erwartet nun vor allem aus seiner Sicht dringend nötige Investitionen in die Hafenlogistik. Heyne zufolge könnte die jetzt getroffene Entscheidung den Auftakt für weitere private Beteiligungen bilden.
Demgegenüber sieht Ver.di durch den Verkauf der Anteile die Zukunft der Beschäftigten gefährdet. „Wir fordern die Stadt auf, transparent aufzuzeigen, wohin die Reise gehen soll“, sagt der bei Ver.di für den Hafen zuständige Fachbereichsleiter André Kretschmar. Notwendig sei nun ein eindeutiges Bekenntnis zur Tariftreue, zum Erhalt der Arbeitsplätze und der betrieblichen Mitbestimmung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“