Debatte über Triggerwarnung: Kiezgröße bekennt sich zu Otto
Der Hamburger Rotlichtgrande Kalle Schwensen findet die Kritik an Otto Waalkes abwegig. Dabei ist er selbst wegen Rassismus vor Gericht gezogen.
Gerade hat sich Schwensen auf Instagram demonstrativ als Fan der Otto-Show bekannt. Der viel diskutierte Verweis des WDR, dass die Otto-Show Passagen enthalte „die heute als diskriminierend empfunden werden“, ist für ihn der Beweis, „dass die öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten völlig durchgeknallt sind und fern jeglicher Realität! Ich lachte vor 50 Jahren herzhaft über Ottos Sketche und ich lache auch heute noch darüber.“
Kalle Schwensen, der demnächst 70 wird, bezeichnet sich selbst als öffentliche Figur, und liest man Interviews von ihm, so sieht er sich selbst als Elder Statesman des Rotlichts, ein Mann, dessen Urteil unverstellt von Befindlichkeiten beglaubigt wird durch das, was man pauschal Lebenserfahrung nennt und worunter, genau betrachtet, alles und nichts fällt.
Schwensen weiß, mit welchen Details er die Leser:innen packt, und so erfahren sie in einem Interview mit t-online, dass er nur drei bis vier Stunden pro Nacht schläft, dann eine halbe Stunde badet, was weiteren Schlaf ersetzt. Deshalb, so Schwensen, „kann ich mich zum Beispiel nachts hinsetzen und alle möglichen Medien lesen. Und bilde mir aus all den Informationen eine eigene Meinung. Ganz anders als ein Normalbürger. Der hat seinen Acht-Stunden-Arbeitstag, Stress, Familie und Hobbys.“
Im Dunstkreis von Querdenkern und AfD
Schwensen hat sich davon unbehelligt Meinungen gebildet, die gelegentlich im Dunstkreis dessen liegen, was die Querdenkerszene oder die AfD von sich gibt. Auf seinem Instagram-Account schreibt er, dass die „westlichen Politiker und Medien“ im Ukraine-Krieg „eine verlogene Kriegs-Propaganda, wie einst Hitler und Goebbels“, betrieben. Wolodimir Selenski ist für ihn „der faschistische Diktator“. Daneben organisiert er Spendenaktionen „für Personen, die wegen beherzten Aktionen gegen die chaotischen Straßen-Kleber juristische Hilfe benötigen“.
All das mag man, anders als seine 5.410 Follower, trübe finden, ungewöhnlich ist es nicht. Aber sein Gebell gegen den WDR ist interessant, weil Schwensen selbst seit 2007 Zeitungen und Blogs abmahnen lässt, die eine Bezeichnung für ihn verwenden, die er als rassistisch empfindet. Mit der taz ging er vor Gericht, weil sie nicht auch ältere Texte mit dem Begriff aus dem Archiv löschen wollte – und bekam recht.
Nun bekennt Schwensen sich dazu, Fan einer Show zu sein, in der ein gebrochen Deutsch sprechender Schwarzer als Haussklave angeheuert wird. Die Frage, ob das nun ironisch gebrochen ist oder nicht, beschäftigt derzeit die Kommentarspalten in hohem Maß. Sicher ist, dass es Schwarze in Deutschland gibt, die die Show als rassistisch ablehnen. Schwensen schreibt in seiner Otto-Hymne: „Wenn ich deshalb ein Fan von diskriminierender Sprache und Haltung sein soll, dann bekenne ich mich mit Stolz dazu.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos