piwik no script img

Debatte über TriggerwarnungKiezgröße bekennt sich zu Otto

Der Hamburger Rotlichtgrande Kalle Schwensen findet die Kritik an Otto Waalkes abwegig. Dabei ist er selbst wegen Rassismus vor Gericht gezogen.

Mal empfindlich bei Rassismus und mal nicht: Kiezgröße und Otto-Fan Kalle Schwensen Foto: Axel Heimken/dpa

Hamburg taz | Karl-Heinz oder auch „Kalle“ Schwensen ist das, was man eine Hamburger Kiezgröße nennt. In seinem Fall bedeutet das, dass er einen Club an der Reeperbahn betrieben hat, dass er die Waffe für den Auftragsmörder Werner Pinzner besorgt hat und dass er sich, als er angeschossen auf einer Sanitäterbahre lag, mit Victory-Geste fotografieren ließ.

Gerade hat sich Schwensen auf Instagram demonstrativ als Fan der Otto-Show bekannt. Der viel diskutierte Verweis des WDR, dass die Otto-Show Passagen enthalte „die heute als diskriminierend empfunden werden“, ist für ihn der Beweis, „dass die öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten völlig durchgeknallt sind und fern jeglicher Realität! Ich lachte vor 50 Jahren herzhaft über Ottos Sketche und ich lache auch heute noch darüber.“

Kalle Schwensen, der demnächst 70 wird, bezeichnet sich selbst als öffentliche Figur, und liest man Interviews von ihm, so sieht er sich selbst als Elder Statesman des Rotlichts, ein Mann, dessen Urteil unverstellt von Befindlichkeiten beglaubigt wird durch das, was man pauschal Lebenserfahrung nennt und worunter, genau betrachtet, alles und nichts fällt.

Schwensen weiß, mit welchen Details er die Le­se­r:in­nen packt, und so erfahren sie in einem Interview mit t-online, dass er nur drei bis vier Stunden pro Nacht schläft, dann eine halbe Stunde badet, was weiteren Schlaf ersetzt. Deshalb, so Schwensen, „kann ich mich zum Beispiel nachts hinsetzen und alle möglichen Medien lesen. Und bilde mir aus all den Informationen eine eigene Meinung. Ganz anders als ein Normalbürger. Der hat seinen Acht-Stunden-Arbeitstag, Stress, Familie und Hobbys.“

Im Dunstkreis von Querdenkern und AfD

Schwensen hat sich davon unbehelligt Meinungen gebildet, die gelegentlich im Dunstkreis dessen liegen, was die Querdenkerszene oder die AfD von sich gibt. Auf seinem Instagram-Account schreibt er, dass die „westlichen Politiker und Medien“ im Ukraine-Krieg „eine verlogene Kriegs-Propaganda, wie einst Hitler und Goebbels“, betrieben. Wolodimir Selenski ist für ihn „der faschistische Diktator“. Daneben organisiert er Spendenaktionen „für Personen, die wegen beherzten Aktionen gegen die chaotischen Straßen-Kleber juristische Hilfe benötigen“.

All das mag man, anders als seine 5.410 Follower, trübe finden, ungewöhnlich ist es nicht. Aber sein Gebell gegen den WDR ist interessant, weil Schwensen selbst seit 2007 Zeitungen und Blogs abmahnen lässt, die eine Bezeichnung für ihn verwenden, die er als rassistisch empfindet. Mit der taz ging er vor Gericht, weil sie nicht auch ältere Texte mit dem Begriff aus dem Archiv löschen wollte – und bekam recht.

Nun bekennt Schwensen sich dazu, Fan einer Show zu sein, in der ein gebrochen Deutsch sprechender Schwarzer als Haussklave angeheuert wird. Die Frage, ob das nun ironisch gebrochen ist oder nicht, beschäftigt derzeit die Kommentarspalten in hohem Maß. Sicher ist, dass es Schwarze in Deutschland gibt, die die Show als rassistisch ablehnen. Schwensen schreibt in seiner Otto-Hymne: „Wenn ich deshalb ein Fan von diskriminierender Sprache und Haltung sein soll, dann bekenne ich mich mit Stolz dazu.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Schaut man sich die eigentlichen Ursache an sämtliche Probleme unserer Zeit an, so sind diese im demografischen Wandel und der massiven Überrepräsentation der über-50-jährigen zu suchen. Es liegt in der Natur des langsam sterbende Menschens, sich nicht weiter anzupassen und möglichst lange den Konsum und liebgewordene Meinungen zu behalten.

    In der gesamten Menschheitsgeschichte vor uns haben die jüngeren dem Einhalt geboten. Schlicht dadurch, weil es mehr gab und auch in demokratischen Zeiten progressiver gewählt werden konnte.

    Demokratisch ist das Problem jedenfalls nicht zu lösen.

    • @Roland81:

      Soll das heißen, dass ich mich spätestens in knapp anderthalb Jahren, wenn ich die 50 überschritten haben werde, bei Debatten zu einschlägigen Themen in Anbetracht meiner bereits stark verkürzten Restlebensspanne brav zurückhalten und bspw. auf das reaktionäre Geseich, welches nicht wenige unter meinen 10-15 Jahre jüngeren Arbeitskolleg*innen nur allzu oft von sich geben, nichts mehr erwidern soll?!

  • Steht es Weißen Personen zu, Schwarze für ihr Verständnis von Rassismus zu kritisieren?

    • @rero:

      Jeder darf kritisieren egal ob POC oder weiß. Es kommt nämlich auf den Inhalt der geäußerten Kritik an.

      • @pablo:

        Eigentlich richtig, dennoch ist die Frage berechtigt, denn sehr oft wird umgekehrt in Abrede gestellt, dass Weiße sich zu solchen Themen äußern dürfen bzw zu hören wären.

        • @Dr. McSchreck:

          Berücksichtigen Sie bitte, dass es mir nicht darum geht, dass Frau Gräff ein anderes Verständnis davon hat, was Rassismus bedeutet.

          Das wäre aus meiner Sicht ohne Frage völlig legitim.

          Im vorliegenden Artikel geht es aber darum, dass Frau Gräff Herrn Schwensen seinem Verständnis von Rassismus die Legitimität abspricht.

          Das hat eine darüber hinausgehende Qualität

        • @Dr. McSchreck:

          Gehört man in seinem Lebensumfeld zu einer privilegierten Mehrheit, dann dürfte man nicht sehr viel eigene Erfahrung als Rassismusempfänger haben. Daraus folgt meistens, dass man besser nicht den Kenner mimen sollte. Klar kann man und sollte man mitreden, aber man sollte sich dann auch sehr, sehr sicher sein, ob das, was man sagt, stimmt.

          • @Jeff:

            Genau das ist die Argumentation, die der Ausgangsfrage zugrunde liegt.

      • @pablo:

        Sie meinen, Weiße Frauen wissen besser, was Rassismus ist, als Schwarze Männer?

        • @rero:

          Wenn es eine Definition von Rassismus gibt, kann jeder Mensch einen Sachverhalt daraufhin prüfen, ob dieser unter die Definition fällt.

          • @Arthur Helwich:

            Es gibt mehrere. Insofern haben Sie immer Spielraum.

            Ihr Verständnis wird ein anderes als meines sein. Frau Gräff und Herr Schwensen werden andere als wir haben.



            Das halte ich für völlig legitim.

            Würden Sie sagen, es steht einer Weißen Deutschen zu, einen Schwarzen Deutschen wegen seinem Verständnis von Rassismus zu kritisieren?