Krieg in der Ukraine: Geländegewinne und Nebelkerzen

Russland räumt mehrere wichtige Verteidigungsstellungen im Süden der Ukraine. Gleichzeitig greifen Moskaus Truppen im Osten des Landes an.

Ukrainische Soldaten feuern Granaten ab.

Feuer frei: Ukrainische Soldaten feuern am 12. August unweit von Bachmut auf russische Stellungen Foto: Libkos/ap

Berlin taz | Die Fronten in der Ukraine geraten immer stärker in Bewegung – aber ein einheitliches Bild zeichnet sich noch nicht ab. Im nördlichsten Bereich der 1.500 Kilometer langen Frontlinie versucht Russland offenbar, in Richtung der Stadt Kupjansk vorzustoßen, rund zehn Kilometer von der Front entfernt. Von bis zu 100.000 russischen Soldaten dort ist die Rede und die Ukraine erließ vergangene Woche eine Evakuierungsanordnung für Dutzende Siedlungen.

Russische Geländegewinne, die über ein bis zwei Kilometer hinausgehen, sind jedoch nicht belegt. Manche Kommentatoren meinen, dass die Ukraine die Lage bei Kupjansk bewusst überdramatisiere, damit Russland in der Hoffnung auf einen großen Erfolg Truppen aus anderen Frontbereichen dorthin verlegt. Dies würde der Ukraine dort helfen, wo sie ihre eigenen Offensivbemühungen konzentriert: an der Südfront in den Gebieten Saporischschja und Donezk.

Dass die Ukraine „16 bis 20 Kilometer vorgerückt“ sei, wie die unabhängige Webseite Kyiv Independent in der Nacht zu Sonntag meldete, erscheint übertrieben. Am Wochenende waren ukrainische Einheiten an der Südfront allerdings dabei, zwei Orte rund zehn Kilometer hinter der ursprünglichen Front einzunehmen, die Russland seit Wochen besonders hartnäckig verteidigt hatte, um eine größere Entfaltung der ukrainischen Gegenoffensive abzublocken.

„Die halbe Brigade betrinkt sich hinter der Front“

Sowohl aus Urozhaine sowie aus Robotyne weiter westlich wurden am Samstag und Sonntag Aufnahmen einrückender ukrainischer Soldaten und schwerer Kämpfe verbreitet. Urozhaine liegt direkt neben Staromajorske, dessen Einnahme Ende Juli den ukrainischen Einheiten den Weg in Richtung der russischen Hauptverteidigungslinie gen Mariupol freigemacht hatte; solange Urozhaine noch russisch besetzt war, waren weitere Vorstöße in dieser Richtung aber nicht möglich.

Am Sonntag verbreitete das ukrainische Verteidigungsministerium Satellitenaufnahmen, die zeigen sollen, wie russische Soldaten zu Fuß aus Urozhaine fliehen und dann von ukrainischer Streumunition eingeholt werden. Ein russischer Militärblogger bestätigte auf Telegram: „Heute wurde das Dorf Urozhaine aufgegeben.“ Er beschuldigte eine Panzereinheit der 37. russischen Brigade in der Nachbarschaft, der eigenen Infanterie die Unterstützung verweigert zu haben: „Sie behaupteten, dass sie kein Personal zum Kämpfen übrig haben. In Wirklichkeit ist die halbe Brigade damit beschäftigt, sich hinter der Front zu betrinken, und ihre Offiziere können sie nicht zur Vernunft bringen. Aber aus irgendeinem Grund wird immer noch die 37. Brigade an die wichtigsten Frontabschnitte geworfen und überlässt diese erfolgreich dem Feind.“

Wachsende Aufmerksamkeit erzeugen auch die zunehmenden Überquerungen des Dnipro, der seit November 2022 bei Cherson die Frontlinie bildet. Immer öfter halten ukrainische Einheiten Brückenköpfe auf dem russisch besetzten Südufer des Flusses. Russland wiederum setzt seine Angriffe auf zivile Ziele fort. Bei einem Artillerieangriff auf Schyroka Balka an der Mündung des Dnipro-Flusses nahe Cherson wurden nach ukrainischen Angaben mindestens sieben Menschen getötet, darunter Kinder. Zudem feuerte Moskau nach eigenen Angaben am Sonntag erstmals Warnschüsse auf ein Frachtschiff im Schwarzen Meer ab, das den Hafen von Ismajil ansteuerte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.