Prozess wegen Tierquälerei: Schweinerei im Mastbetrieb
Die Schweine des Landwirts W. aus Merzen erleiden große Qualen. Das Tierschutzbüro zeigte ihn an. Jetzt startet der Prozess in Bersenbrück.
Anfang 2021 hatte die Berliner Tierrechtsorganisation „Deutsches Tierschutzbüro“ Strafanzeige erstattet, wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Ihr war das Videomaterial, entstanden Ende 2020, zugespielt worden (taz berichtete).
Die 13-seitige Strafanzeige bezeichnet die hygienischen Zustände in der konventionellen Großmast als „katastrophal“, spricht von Tieren, die „über und über mit eigenen Exkrementen verschmutzt“ sind. Auf den Aufnahmen seien „stark erkrankte und verletzte Tiere zu sehen, die augenscheinlich ohne adäquate tierärztliche Versorgung sind“. Ein totes, aufgedunsenes, dunkel angelaufenes Schwein ist zu sehen; ein anderes Schwein nagt an ihm.
Es sei davon auszugehen, so steht es in der Anzeige, „dass den betreffenden Tieren länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt wurden“. Das Tierschutzgesetz sieht dafür eine Geldstrafe vor, im Maximalfall eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
Festliegen, Sepsis und erhebliche Verletzungen
Vor Prozessbeginn teilte das Gericht mit: „Eine sachverständige Auswertung dieser Aufnahmen ergab, dass bei acht Mastschweinen mindestens seit einigen Tagen u. a. Festliegen, Sepsis, Nekrosen, Dekubitus, Lahmheit und erhebliche Verletzungen infolge Schwanzbeißens vorlagen.“ Dem Angeklagten Landwirt werde vorgeworfen, „vorsätzlich keinerlei Maßnahmen zur Schmerzlinderung, Behandlung und ggfs. Tötung der erkrankten und verletzten Tiere ergriffen zu haben“.
Dass es am Mittwoch zu einer Hauptverhandlung kommt, bei der auch Sachverständige aussagen sollen, liegt an W. selbst. Gegen einen Strafbefehl des Amtsgerichts Bersenbrück von Ende 2022 hatte er Einspruch eingelegt. Die verhängten 5.600 Euro, also 80 Tagessätze à 70 Euro, wollte er nicht zahlen.
Hart war der Strafbefehl nicht: Vorbestraft ist man erst bei mehr als 90 Tagessätzen. „Das stellt keine Abschreckung dar“, sagt Jan Peifer, Vorstand des Deutschen Tierschutzbüros, der taz. „Hier wurden nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.“ Das sei bedauerlich, aber nicht ungewöhnlich in solchen Fällen. „Letztlich fördert das ja die Tierquälerei“, sagt Peifer. „Es passiert nichts, höchstens kommt es mal zu einer Geldstrafe. Also macht man weiter wie bisher.“
Theoretisch könnte am Ende der Hauptverhandlung eine höhere Strafe stehen. Aber Peifer befürchtet das Gegenteil: „Der Anwalt des Angeklagten wird alles versuchen, das Bildmaterial und den Gutachter zu diskreditieren.“ Dabei seien auf den Videoaufnahmen krasse Missstände und Verletzungen zu sehen. „Nicht das Schlimmste, was wir jemals zu sehen bekommen haben, aber übel.“
Anfangs hatte sich W.s Vater für die Zustände im Mastbetrieb verantwortlich gezeigt. Zum Zeitpunkt der Undercover-Aufnahmen war er für die CDU stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Merzen. Auch die Datenbank-Website „tierschutz-skandale.de“, die vom Deutschen Tierschutzbüro und der Münchner Tierrechtsorganisation „Soko Tierschutz“ betrieben wird, führt W.s Vater für diesen Zeitpunkt als Betreiber: „Er und weitere Familienmitglieder führen diverse Mastanlagen, an die EU-Fördergelder fließen“, steht dort. Unter der Fallnummer 50 dokumentiert die Datenbank die Missstände in Merzen.
Verdacht auf Subventionsbetrug
Der Vizebürgermeister, mittlerweile in der Gemeinde Merzen nicht mehr im Amt, scheint nun aus der Schusslinie zu sein. Aber sein Sohn, dessen Mast zum Zeitpunkt der Aufnahmen laut tierschutz-skandale.de den milliardenschweren Fleischverarbeitungs-Konzern Tönnies belieferte, muss Rede und Antwort stehen.
Und auf W. kommt weiterer Druck zu: Nicht nur, dass das Verfahren nach dem Tierschutzgesetz noch offen ist, das die Staatsanwaltschaft Oldenburg angestrengt hat. Auch bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück sind Ermittlungen anhängig, seit 2021, wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug – es geht um Hunderttausende Euro. Peifers Tierschutzbüro hat auch diese Anzeige erstattet. „Erst kürzlich hatte die Staatsanwaltschaft noch Rückfragen“, sagt Peifer. Das sei ein Indiz dafür, dass sie die Sache ernst nehme.
Der Fall W. ist kein Einzelfall. Die Website tierschutz-skandale.de listet 172 Vorfälle für die Jahre 2016 bis 2023. Kämpferisch spricht die Datenbank von „systematischer Quälerei“ und stellt klar: „Es kommt in allen Bundesländern, bei allen Tierarten und in allen Haltungsformen immer wieder zu Verfehlungen.“
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