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Verbrannte Migranten in GriechenlandEine neue Qualität

Kommentar von Ferry Batzoglou

18 Geflüchtete sterben bei Waldbränden in Griechenland. Migranten werden beschuldigt, die Feuer gelegt zu haben. Es trifft wieder die ganz unten.

Der Baum brennt: In Griechenland werden die Waldbrände dazu genutzt, Fremdenhass zu schüren

E rneut sind es unfassbare Nachrichten: Am Dienstag wurden 18 verkohlte Leichen von Geflüchteten im Dadiaswald an der griechischen Festlandgrenze zur Türkei gefunden. Sie waren auf dem Weg ins Landesinnere, bis sie im Dadiaswald, einer Durchgangsstation für viele Migranten, bei einem Waldbrand ihr Leben verloren. Erst Mitte Juni ertranken vor der griechischen Küste vor Pylos mutmaßlich 646 Flüchtlinge im Laderaum eines heillos überfüllten Fischkutters.

Ob im Mittelmeer oder auf dem Festland: Schutzsuchende sterben auf ihrem mühsamen Weg in ein neues, sicheres Leben, auch in Europa. Im Fall der verbrannten Migranten im Wald steckt jedoch eine völlig neue Qualität: Die griechische Öffentlichkeit bezichtigt Geflüchtete, die Waldbrände gelegt zu haben.

Offen wird zu einem Pogrom gegen sie aufgerufen. Das Narrativ: der Geflüchtete sei der skrupellose Brandstifter, der Hellas in Schutt und Asche legt. Darin steckt eine abscheuliche Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie. Die Staatsfeinde Nummer eins hätten nur eines im Sinn: das christliche Abendland zu vernichten.

Eine Metapher dürfte lehrreich sein. Die US-Juristin Kimberlé Crenshaw, die die kritische „Rassen“-Theorie (mit)entwickelte, verwendet sie: Man stelle sich einen Keller voller Menschen vor, von denen einige, wie bei einer menschlichen Pyramide, auf den Schultern anderer Menschen stehen. Diese Pyramide reicht bis an eine Decke. Oberhalb der Decke sind die Privilegierten der Gesellschaft, deren Rechte voll anerkannt sind. Ab und an öffnen die Privilegierten eine kleine Tür.

So lassen sie nur jene im Keller die obere Etage betreten, die sich direkt unter dem Dach befinden und nur in einem Faktor wie Hautfarbe, Geschlecht oder Religion benachteiligt sind. Ganz unten im Keller befinden sich jene, die gleich mehrfach von Ungleichheit betroffen sind. Letztere schaffen es nie, der Tiefe zu entkommen. Diese Ordnung der Welt wird uns durch den Laderaum des Fischkutters vor Pylos vor Augen geführt. Oder durch den Massentod im Dadiaswald. Diese Ordnung der Welt ist ganz und gar nicht in Ordnung.

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KORRESPONDENT ATHEN
1967 in Weiden in der Oberpfalz (Bayern) geboren, in der Südpfalz (Rheinland-Pfalz) aufgewachsen, Abitur in Baden-Württemberg. Grundstudium der Rechtswissenschaft in Heidelberg sowie Studium der Politikwissenschaft, Philosophie und Geschichte in Köln. Brach 1994 im Alter von knapp 27 Jahren die Zelte in Deutschland ab. Lebt seither in Athen. Redakteur für Wirtschaft und Sport in der deutschsprachigen "Athener Zeitung" (Anfang September 1999 bis Ende März 2002), anschließend Korrespondent für deutschsprachige Medien. Länderschwerpunkt Griechenland und Zypern. Henri Nannen Preis 2012 in der Kategorie Dokumentation.
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1 Kommentar

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  • Haarsträubend.

    Um Frau Crenshaws Metapher noch um eine weitere zynische Umdrehung zu erweitern: hoch kommen nur die, die bereit sind auf die Schultern anderer zu klettern. Wenn sie oben sind, wird ihnen genau das zum Vorwurf gemacht.

    So auch hier in diesen Foren gesehen ("die Migrant*innen, die es bis hierher schaffen, das sind die reicheren -- die muss man umgehend zurückschicken, weil es sonst ungerecht wäre").

    Es gibt keine Grausamkeit derer wir Menschen nicht fähig sind, nicht wahr?