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Pressefreiheit im Baltikum„Das Wort ist frei“

In Estland will die Verbraucherschutzbehörde die Arbeit ausländischer Medien regulieren. Damit soll russische Staatspropaganda verhindert werden.

Fernsehturm in Tallinn, Estland Foto: Pond5/imago

A ls ich vor anderthalb Jahren nach Estland kam, wurde ich Mitarbeiter der Tallinner Zeitung Delowye Wedomosti. Vieles an meinem neuen Arbeitsplatz fand ich ungewöhnlich, darunter vor allem die Offenheit: Gesprächspartner haben keine Angst, mit Medienvertretern zu sprechen. Dazu wird in der Medienlandschaft der Versuch, Druck auf die Presse auszuüben, ernst genommen. Am Eingang unserer Redaktion hängt ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Das Wort ist frei“ hinter Glas. Jedes Mal, wenn mein Blick darauf fällt, freue ich mich.

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Anfang Juli hat die estnische Verbraucherschutzbehörde TTJA eine Initiative gestartet. Sie will eine Verpflichtung im Gesetz festschreiben lassen, dass Medien nur „wahrheitsgemäße und unparteiische Meinungen“ veröffentlichen dürfen. „Unter dem Deckmantel der Medienfreiheit können einige andere Aktivitäten durchgeführt werden“, sagte Helen Rohtla, Leiterin der Abteilung für Informations­gesellschaften in der Behörde.

Alexey Schischkin

ist Journalist beim Petersburger Zweig des alternativen russischen Nachrichtenportals Bumaga, das mit Beginn des Krieges gegen die Ukraine von der russischen Zensur gesperrt wurde. Er hat Russland verlassen.

Alarmierend war in diesem Zusammenhang, dass die TTJA das Beispiel Lettlands anführte. Das südliche Nachbarland, in dem die Behörden mehr Möglichkeiten zur Regulierung der Medienlandschaft haben. Gleichzeitig liegt Lettland in der jährlichen Rangliste für Pressefreiheit 8 Plätze hinter Estland.

Lettland wird regelmäßig von Skandalen heimgesucht – so verhängte der lettische Nationale Rat für elektronische Medien im Mai eine Geldstrafe von 8.500 Euro gegen den Fernsehsender tvnet.lv. Grund dafür war die Verwendung des Wortes „Deportation“ in einem Kontext, der den Beamten unangemessen erschien, und zwar nicht einmal von der Moderatorin, sondern von einem Gast in der Sendung.

Aus den Erklärungen der estnischen Behörde wurde klar, dass es ihnen in erster Linie darum geht, die Arbeit ausländischer Medien in Estland zu regulieren. Dabei scheint den Beamten wichtig zu sein, nicht nur redaktionelle Inhalte ausländischer Medien blockieren zu können, sondern auch zu verhindern, dass etwa die Propaganda russischer Staatsmedien Eingang in die nationalen Medien findet.

Letztendlich ist es in Estland trotzdem nicht gelungen, die russischen Fernsehkanäle vollständig zu blockieren. Estnische Medienunternehmen sprechen sich dagegen aus, den Behörden neue Instrumente zur Regulierung an die Hand zu geben.

Als Journalist aus Russland, der jetzt im Exil lebt und weiß, was die zunehmende staatliche Repression bedeutet, bin ich alarmiert. Obwohl ich auch weiß, dass das Vertrauen zwischen der Gesellschaft und dem Staat in Estland viel größer ist und das System der gegenseitigen Kontrolle funktioniert. Außerdem befürchte ich auch, dass Journalisten angesichts dieser geplanten Vorschriften beginnen, sich selbst zu zensieren. Reporter ohne Grenzen sieht darin übrigens die größte Bedrohung für die Medien in Estland, das im Jahr 2023 vier Plätze in der Rangliste der Pressefreiheit verloren hat.

Aus dem Russischen von Gaby Coldewey

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Ein Sammelband mit den Tagebüchern ist im Verlag edition.fotoTAPETA erschienen

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