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Nach dem deutschen WM-DebakelDie Tugenddebatte schwillt schon an

Die verweichlichte, deutsche Jugend soll also schuld sein. Unterirdischer könnte die Diskussion nach dem deutschen WM-Aus kaum sein.

Dämliche Debatte: Alexandra Popp kann es schier nicht fassen Foto: dpa

Was ist nur mit der deutschen Jugend los? Na klar, es wird wieder mal ganz grundsätzlich, wenn es darum geht, das andauernde Scheitern deutscher Fußballauswahlteams bei großen Turnieren zu begründen. Die faule deutsche Jugend, mit der man als Arbeitgeber nicht mehr machen kann, was man möchte, war eines dieser merkwürdigen Kulturkrampfthemen dieses Jahres.

Nur logisch also, dass Repräsentantinnen dieser leistungsverweigernden Generation bei der Fußball-WM keine Chance haben. Wenn heute in Kommentaren davon die Rede ist, dass es die anderen viel mehr gewollt haben als die Deutschen, dann schwingt diese Kritik an der leistungslosen deutschen Jugend nicht selten mit.

Der deutsche Sportwissenschaftler Ingo Froböse sieht Deutschland in den Tagen nach dem WM-Aus in der Vorrunde gar auf dem Weg zum Sportentwicklungsland. Sein Facebook-Post dazu wird rauf und runter zitiert. Es werde zu wenig über Leistung gesprochen, meint er und erinnert an die Diskussion über die Bundesjugendspiele im Sommer. Dann wäre das ja geklärt. Deutschland war also früher eine so große Sportnation, weil es normal war, Kinder, auch wenn sie es nicht wollten, mit der Stoppuhr über den Platz zu jagen. Man hört sie schon anschwillen, die Debatte über Kuschelpädagogik im Sportunterricht. Oje.

Wider den Druck

Dabei hat der Sport doch gerade angefangen, jenen Athletinnen und Athleten Raum zu geben, die offen über den irrwitzigen Druck sprechen, der auf ihnen lastet und der von Trainerinnen und Betreuern auf sie ausgeübt wird. Superturnerin Simone Biles wird gerade dafür gefeiert, dass sie ihren ersten Wettkampf seit den Olympischen Spielen von Tokio geturnt hat.

Dort war sie wegen psychischer Probleme ausgestiegen. Die Leistung, zu bekennen, dass sie micht mehr kann, ist mindestens genauso hoch einzuschätzen wie die Anstrengungen, die hinter ihren zahlreichen olympischen Goldmedaillen stehen.

Und was geschieht in Deutschland nach dem WM-Aus? Da beklagen Expertinnen und Klugscheißer im vorgerückten Alter die mangelnde Widerstandsfähigkeit der Sportlerinnen in Drucksituationen im Speziellen und die Faulheit der jungen Leute im Allgemeinen. Statt über die fehlende taktische Variabilität der deutschen Auswahl zu diskutieren, kommt von irgendwoher der Ruf nach mehr Straßenfußballerinnen.

Die Hoffnung auf hungrige Spielerinnen, die sich durch den Fußball aus dem Elend einer verkommenen Vorstadtsiedlung ins Rampenlicht spielen, ist auch nichts anderes als der Vorwurf an die ach so satte Generation von Sportlerinnen, denen es doch eigentlich viel zu gut gehe.

Ob derartige Einlassungen dazu geeignet sind, junge Leute für den Spitzensport zu begeistern? Wohl kaum.

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13 Kommentare

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  • Die Tugenddebatte ist ein zielgerichtetes Manöver. Es lenkt u.a. davon ab, dass seit Jahren der Amateurfußball vom DFB vernachlässigt wird. Die Gründe sind bekannt: Aus sportlichem Wettstreit ist ein Wettstreit der Sponsoren um globale Marktanteile geworden. Siehe Testspiele der Topclubs in Asien und den USA.



    Da muss dann selbstverständlich nach einer Niederlage, einem Abstieg oder dem Ausscheiden in einem Turnier mindestens ein Schuldiger (Schiri, VAR, das Wetter, der Trainer, der zu runde Ball) gefunden oder eine nationale Katastrophe verkündet werden, um den Marketingschaden für die Sponsoren zu reduzieren.



    Früher war Fußball ein Spiel. Kein Milliardengeschäft, bei dem Sponsoren ihre Lieblingslitfaßsäule spielen sehen wollen, Oligarchen, Investoren und von Kamelrennen gelangweilte Scheichs "Spielermaterial" und Vereine aufkaufen, um sich in deren Glanz zu sonnen und ihre Einflusssphären zu erweitern.



    Die fußballfernen Ökonomen in der DFL haben den "Alten Herren" im DFB längst den Kopf verdreht. Es geht nur noch um (Vereins-)Marken, Marketing, Fernsehrechte, Einschaltquoten und Cash! Wir freuen uns schon auf die angekündigten Bilder aus den Umkleidekabinen und die Interviews mit Spielern und Trainern in den Halbzeitpausen! "Dieses unnötige Geschwätz wurde Ihnen präsentiert von: Vermögensverbratung &Co!"



    Dass Geld den Sport kaputt macht, ist keine neue Erkenntnis. Dass man mit einem verhältnismäßig kleinem Etat und einer soliden Vereinsstruktur erfolgreichen und ansehnlichen Fußball spielen kann, bewiesen z.B. Union Berlin und der SC Freiburg Jahr für Jahr.



    Wenn das deutsche Pokalfinale erst einmal in Doha ausgetragen werden muss, weil es die Sponsoren so wollen, werden sich die "Alten Herren" zwar räuspern, aber es letztlich für eine gute Idee halten.

  • Könnten wir als Gesamtgesellschaft nicht mal einen ganz anderen Ansatz berücksichtigen? Wieso ist es z.B. verwerflich, wenn junge Leute bei der Jobsuche nach der Work/Life Balance fragen? Wieso muss immer und alles das Erste, das Beste oder das Höchste sein? Ist es nicht von riesigem Vorteil endlich anzufangen mit "Entschleunigug"? Ist es nicht von wahrlich großem Wert auch mal zufrieden mit dem zu sein, was man hat oder kann? Aus dem Denken unserer "modernen" Gesellschaft ist das nahezu vollkommen verschwunden. Geht es uns damit wirklich besser?



    Ich ahne schon die Dresche, die ich jetzt bekommen werde....

    • @Perkele:

      Prinzipiell hast du Recht. Aber zumindest beim Leistungssport ist der Gedanke ziemlich abwegig. Da sind Entschleunigung und "zufrieden sein" doch die falsche Einstellung.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Wenn Leistung und Wettbewerb in einer Gesellschaft keinen sonderlichen Stellenwert mehr haben, ja es sogar zu einem Stigma wird, entsprechenden Idealen anzuhängen, ist es kein Wunder wenn in Bereichen, die hohen Leistungswillen erfordern, keine Erfolge mehr errungen werden.

    Das gilt nicht nur für Sport. Die Leuchttürme deutscher Wissenschaft und Kultur, wie auch im Grunde alle Unternehmen die starkem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, kommen ohne hoch qualifizierte ausländische Mitarbeiter längst nicht mehr aus, wenn sie ihr Niveau halten wollen.

    Schuld daran sind aber nicht die Jugendlichen und Kinder, sondern deren Eltern, die sich eher als die besten Freunde ihrer Kinder sehen – oder vielmehr ihres Kindes. Denn den meisten vergeht das Bedürfnis nach weiterem Nachwuchs, wenn sie ein Kind ganz ohne Kindermädchen zur kleinen Majestät erziehen.

    • @14231 (Profil gelöscht):

      "Wenn Leistung und Wettbewerb in einer Gesellschaft keinen sonderlichen Stellenwert mehr haben"

      Wo ist das so?

  • Gegen Kolumbien und Südkorea gab es einen ganzen Punkt.



    Dabei ist die deutsche Mannschaft bis auf den letzten Platz auf jeder Poition besser besetzt gewesen als die Gegner.



    Aus so viel Talent so wenig zu machen zeigt ganz klar, das Hauptproblem sitzt auf der Trainerbank.



    Und DFB-typisch, hier unterscheiden sich Männer und Frauen nicht, werden unfähige Trainer nicht entlassen, sondern entscheiden selbst, ob sie weitermachen wollen.



    Und da sowohl Herr Flick als auch Frau Voss-Tecklenburg anderswo nicht annährend soviel verdienen können wie beim DFB, das galt auch schon für Löw,bleiben sie natürlich solange es geht. Deshalb werden ja auch grundsätzlich beim DFB Verträge vor einem Turnier verlängert. Überall sonst macht man sowas erst nach dem Turnier, oder bei Mißerfolg eben nicht.

  • Ich denke, der DFB Führung mangelt es an, durch soziale und emotionale Intelligenz geprägte, mentaler Stärke die konstruktiv in die Strukturen - bis auf den Platz - einfließt. Das Motto: Hier haste Geld , jetzt mach mal reicht nicht.

  • Ingo Froböse muss man nun wirklich nicht kommentieren und es ist wirklich wurscht, wenn irgendein Spruch von ihm "auf Facebook rauf- und runterzitiert wird". Der hat erst vor ein paar Jahren über die Schädlichkeit von Tattoos im Sport geschwurbelt. Und seine Fitnesstipps "Männer müssen als Jäger kräftig und ausdauernd sein, um die Sippe durchzubringen" sprechan auch für sich.



    Die Ursachen für die "Krise" im Fußball liegen zuallererst in der Leistungszentren, der Idee spezielle Spielertypen nach Schablone F für bestimmte Systeme und nicht individuell nach Talent auszubilden. Die taktischen und spielerischen Mängel sind dazu unverkennbar. Gerade bei den Frauen war das ein Offenbarungseid. Durch einen Mangel an klarer Aufgabenverteilung und Hierarchie wirken die Spieler und Spielerinnen oftmals überfordert und verunsichert.



    Danach können sich gleich Öffentlichkeit und Medien den Schuh anziehen. Da werden im Vorfeld Erwartungen geweckt, die der Realität nicht entsprechen. Sportlich haben weder Frauen noch Herren derzeit das Zeug Anspruch auf den Titel zu erheben. Schon gar nicht mit Verletzungsproblemen und schwachen Besetzungen auf einigen Positionen. Und dann reicht es auch nicht zu performen und zu gewinnen, die Sportler werden gleich noch dazu auserkoren, nebenher noch allerlei gesellschaftspolitische Aufgaben zu meistern. Sie haben nicht nur das gute Recht sich politisch zu positionieren, es wird von Ihnen erwartet und versucht herbeizuschreiben. Das kann, wenns nicht läuft, schon für Druck sorgen, dem nicht alle Spieler gewachsen sind.



    Dass in dieser Generation nicht so viele Typen dabei sind, die gelernt haben sich durchzubeißen und immer alles zu geben, ist schon richtig, würd ich aber eher hinten anstellen.

  • Stefan Kuntz, langjähriger Trainer der U21, hats doch schon angedeutet :

    "Den Grund für die fehlende Siegermentalität sieht der 60-Jährige vor allem in den Ausbildungsstrukturen in Deutschland. „Den Jungs wird alles abgenommen, sie müssen selbst gar keine Konflikte mehr lösen. Wenn sie nicht spielen, reden die Eltern mit dem Trainer. Wenn es Probleme in der Schule gibt, gehen die Eltern zum Lehrer“, sagte Kuntz, unter dessen Regie die U21 in den Jahren 2017 und 2021 Europameister wurde und 2019 erst im Finale an Spanien gescheitert war. „Da wird insgesamt viel zu wenig auf Eigenverantwortung gesetzt. Das ist nicht nur ein Fußball-Problem, sondern ein gesellschaftliches."

    Ich bezeichne das als Ergebnis der Trasformation vom Leistungsprinzip hin zu einem undefinierbaren Konstrukt, wo Leistung egal ist und nur zählt, das alle gleich "gut" sind und es keine Verlierer oder Gewinner gibt. Geliefert wie bestellt. Da ist dann auch vollkommen egal mit welcher Taktik sie auf dem Platz gespielt haben.

    • @SeppW:

      die gesamte Jugend eines 80 Mio Landes über einen Kamm zu scheren, das kann man nur aus der Altersperspektive...



      Mit Realität hat das nichts zu tun, nur mit der Warnehmungsrealität des Schreibers....

      • @nutzer:

        "die gesamte Jugend eines 80 Mio Landes über einen Kamm zu scheren, das kann man nur aus der Altersperspektive..."

        -----

        Oder aus der Perspektive eines Bundestrainers, der mit dem Material arbeiten muss, was Gesellschaft, Staat, Eltern und DFB fabrizieren. Das wir zu einer Helikopter-Eltern-Gesellschaft mutiert sind wo u.a. Eltern Lehrern mit juristischen Konsequenzen drohen, wenn das Kind ein Schuljahr wiederholen muss oder nicht aufs Gymnasium gestuft wird. Oder 20-jährige in einem Formular, das nur ein Unterschriftsfeld beinhaltet, nicht weiss ob und wo es unterschreiben soll. Oder mit 17 Jahren als Profisportler ein Millionensalär pro Jahr verdient, aber ausserhalb vom Fussballplatz für jeden Handgriff einen Assistenten braucht und die Probleme so löst, das die Snowflake-Wolke nicht negativ beeinflusst wird.

        Bei mir ist es natürlich reine anekdotische Evidenz...und da sehe ich genug glauben Sie mir.

        • @SeppW:

          mir fällt nur auf, dass ich als Jugendlicher nie das Gefühle hatte, dass alle jungen Menschen gleich waren, da gab es diametrale Unterschiede, das Wie und Was hing vom Charakter ab, nicht vom Alter.



          Und nun sollen ALLE Jugendlichen alle gleich sein, alles Helikopterkinder etc.?



          Entweder hat sich da wirklich grundlegend etwas geändert und das sind wirklich alles nur noch Klone oder es ist die Altersperspektive.



          Ich tippe auf letzteres.

          • @nutzer:

            Es geht nicht um eine Pauschalisierung. Es geht um einen erkennbaren Trend zur Unselbstständigkeit und übertriebenen Sensibilität.



            Also eine grundlegende Veränderung, anders als in meiner Kindheit und Jugendzeit, die nun auch schon wieder 20 Jahre her ist.