piwik no script img

Bilder aus der ZukunftPflanzen statt Flugtaxis

Ein neuer Bildband reist ins Jahr 2045, in dem alles besser geworden ist. Er zeigt, wie sich unsere Vision von der idealen Zukunft verändert hat.

Fliegende Autos und Wolkenkratzer, Spaceshuttles und Hoverboards – so hat man sich die Zukunft früher vorgestellt. Wenn sich Menschen heute an die Hoffnung wagen, sehen die Hochglanzutopien, die dabei entstehen, ganz anders aus.

Ums Münchener Siegestor wächst keine neue Skyline. Die Altbauten bleiben stehen, an den Fassaden wächst Grün. Da, wo die Betonlandschaft aufgebrochen ist, spielen Kinder. Auch Düsseldorfs Hochhäuser wachsen nicht über sich hinaus, werden dafür aber grüner. Es gibt Kletterwände und Dachterrassen mit Bienenkästen. Die Zukunft protzt mehr mit Leben als mit Glas, Stahl und Auto-Ingenieurwesen. So stellen sich die Au­to­r:in­nen des neuen Buches „Zukunftsbilder 2045“ unsere Welt in 22 Jahren vor.

Das Buch

Stella Schaller, Ute Scheub, Sebastian Vollmar, Lino Zeddies: „Zukunftsbilder 2045. Eine Reise in die Welt von morgen“. oekom Verlag, München 2023, 176 Seiten, 33 Euro

Das war’s dann wohl mit höher, schneller, weiter. Denn neben den himmelhohen Riesentürmen fehlen hier auch Kraftfahrzeuge und Düsenantriebe, mit denen wir zur Arbeit gleiten oder fliegen. Dagegen ist all das, was utopisch aussieht, eigentlich 2023 schon da oder zumindest technisch in Reichweite – Schiffe mit E-Antrieb, Fahrradbusse wie in Holland, Lieferdrohnen, Straßenbahnen und Skateboards.

Mit einem Fahrradbus werden in München im Jahr 2045 Kinder auf breiten Radwegen zur Schule gefahren Foto: sonjanovak/Reinventing Society & Wire Collective

Das erinnert an Solarpunk, eine Kunstrichtung und Utopiebewegung, die unter anderem mit Filmen und Büchern Visionen von einer lebenswerten Welt entwickelt. Dabei ist die Community weder technikfeindlich noch nostalgisch. Sie feiert nachhaltige futuristische Architektur, Solarpanels und bei Bedarf auch Zeppeline. Nur eben keine Rekordbrüche um ihrer selbst willen. Kein Hochhaus, das einfach nur höher ist. Keine Pferdestärken nur für den Rausch der Geschwindigkeit.

In unser jetzigen Welt, deren Konsum alle planetaren Grenzen sprengt, bleibt wenig Spielraum für bedingungsloses Vorwärtsstreben. Beton und Brennstoff fördern Emissionen. Das, was uns lange so erfolgreich angetrieben hat, fährt uns akut vor die Wand und wir diskutieren hektisch, in welche Richtung es weitergehen soll.

Genau genommen haben wir die Orientierung wohl schon in den 80ern verloren, als die Begeisterung für Utopien zuletzt verloren ging. Eine natürliche Reaktion auf Ronald Reagan. Oder zumindest war er es, der in dieser Zeit die USA regierte, so wie in Großbritannien Margaret Thatcher. Beide sind internationale Vorreiter neoliberaler Politik – implementierten Sozialkürzungen, Deregulierung und Steuergeschenke für Reiche. Das ideologische Fundament von Ungleichheit, Umweltzerstörung und Christian Lindner. Viele aktuelle Probleme nehmen hier ihren Anfang.

„Es gibt keine Alternative“, hat Thatcher immer wieder gesagt – und die Welt hat prompt aufgehört zu träumen. Oder vielleicht war es auch ein anderer Dominostein, der die Utopien damals zu Fall brachte – irgendwo zwischen Atomangst und Waldsterben. Von da an wurde die Zukunft eine Endzeitvision zwischen flackernden Neonröhren und radioaktiv verstrahlte Wolken.

Um die Jahrtausendwende ließen sich die Folgen von Ungleichheit und Ausbeutung vielerorts noch ignorieren (oder verleumden). Inzwischen haben sie uns mit Macht eingeholt und das, was mal dystopische Fantasien waren, drängt sich heute in die Abendnachrichten: Corona, Klimakrise, Inflation. Auch die Fiktion überschlägt sich, um unseren realen Ängsten noch gerecht zu werden mit Filmen und Serien zum Weltuntergang.

Düsseldorfs Promenade ganz unbearbeitet im Jahr 2022. Da geht noch was Foto: Landeshauptstadt Düsseldorf

Dystopien sind überall und diesmal können uns auch keine Technikträume davon ablenken. Künstliche Intelligenzen sind uns längst suspekt, und wenn endlich jemand Hoverboards erfindet, teilen sie unseren Standort wahrscheinlich mit Google.

Selbst im Silicon Valley, wo man sich sonst noch für jeden Fortschritt begeistert, wirkt das Geschäft mit der Zukunft jetzt freudlos. Luxusbunker sollen vor dem Zusammenbruch schützen und Milliardär Elon Musk wirbt mit einem Cybertruck, dessen Fenster sicher sind gegen Stahlkugeln. In welcher guten Zukunft bewerfen sich Menschen mit Stahl?

Ein Strand auf dem Fluss und Gärten auf dem Dach. So könnte Düsseldorf 2045 aussehen Foto: Landeshauptstadt Düsseldorf/Reinventing Society & loomn

„Ich will keine selbstfahrenden Autos“, heißt ein hunderttausendfach geteilter Spruch auf Twitter. „Ich will langweilige Dinge, wie öffentlichen Verkehr!“ Die Sehnsucht dreht sich nicht um Gegenstände, sondern um eine tolle neue Gesellschaft. Weniger Wolkenkratzer, mehr Mietendeckel und ein gerechter, gebündelter und vor allem gezielter Umgang mit Ressourcen. Immer mehr Arbeitende fordern, die 40-Stunden-Woche zu reduzieren. Die Zukunft braucht Platz für Care-Arbeit und Leben. Wofür sie offenbar keinen Platz mehr hat, ist Selbstzweck.

Das gute an einer Welt, in der die Ressourcen knapper werden, ist, dass sie uns zwingt, endlich das „Warum“ in den Vordergrund zu stellen.

Warum sollten wir?

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Warum brauchen wir das?

Und warum geht das nicht besser?

Es ist jenes mächtige Fragewort, das – wie jeder Dreijährige weiß – alle alternativlose Gewissheit in die Knie zwingt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Das zweite Bild von Düsseldorf ist zwar grüner und man sieht mehr Natur, aber das Grün ist auch aufgehellt worden. Das erste würde so auch grüner wirken. Schon manipulativ.

  • Auf die Grafiken bezogen. Wenn man schlechtes Wetter hinzufügt, ein paar Ampeln, Verkehrsschilder und lustige Werbebotschaften platziert, ist doch alles wie jeden Sonntag. Okay, nicht artgerecht gehaltene Bäume auf Brücken und Hausdächern waren dann doch zu optimistisch gedacht, weil wer wird das versichern? Nette Ablenkung vom gegenwärtig Wesentlichen. Realitätsflucht.

  • Einzig das mit den Wolkenkratzern darf ich nicht so stehen lassen: Vertikale Städte müssen so gut wie nie verlassen werden, eventuell findet man Arbeit im selben Gebäude. Der Flächenverbrauch des Menschen reduziert sich stark und die Emissionen ebenfalls.

    Diese Hochhäuser dürfen halt niemals zu sozialen Brennpunkten werden. Weshalb eine faire, gerechte Umverteilung von Reich nach Arm zu erfolgen hat. Zum Beispiel mit einem sehr engen Korsett aus Mindest- und Maximallohn, oder einem allgemeinen BGE für alle, und Zubrote dürfen einen gewissen Betrag nicht überschreiten oder es erfolgt eine automatische Umverteilung an restliche Bürger.

    Ich finde daher, Hochhäuser mit viel Grün und Solarflächen an den Wänden, sollte man schon bis hin zur architektonischen Meisterleistung erstreben.

    cdnb.artstation.co...big.jpg?1565787070

    Auch der Individualverkehr würde sicherlich eingeschränkt sein, weil keiner "kreuz und quer" und immer abseits von ÖPNV arbeiten, zum Baumarkt fahren oder Freunde treffen muss. Schon alleine wenn die Topographie und die Städtebebauung so gestaltet wird, dass der ÖPNV unabdingbar ist.

    Allerdings, und das als Wermutstropfen: Die Neubebauung würde viele Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Selbst, wenn man das unbürokratisch vorgeht, alles sofort abreißt, und sich über die Bedenken der Bevölkerung hinwegsetzt. Bis dahin ist der Planet in Schutt und Asche, im schlimmsten Fall so sehr, dass kein Leben mehr auffindbar und somit keine Utopie aus 2045 mehr möglich ist.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Also, nichts für ungut, aber ich möchte mein Leben nicht in einem Hochhaus verbringen. Vielleicht geht's doch noch etwas anders



      , z.B. durch einen wi9rklöich guten ÖPNV und all die anderen schönen Dinge, die nur darauf warten, umgesetzt zu werden. Gegen architektonische Meisterleistungen ist natürlich nichts einzuwenden – die brauchen wir genauso, um nicht den letzten rEst an Schönheit aus unseren Städten zu verbannen.

      • @HaKaU:

        Du kannst auch in einem Earthship wohnen.

        Aber weit weg von allem zu sein schreit doch schon danach, lieber mit dem eigenen Auto reisen zu wollen, anstatt auf nen Bus oder ner Bahn zu warten, mitten in einer Streusiedlung à la Allgäu, wo es bis zur nächsten Station 2km zu Fuß sind.