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Geflüchtete im deutschen ArbeitsmarktSie schaffen das, nach und nach

Mehr als die Hälfte der im Jahr 2015 hierher Geflüchteten hat einen Job, viele davon sogar als Fachkraft. Die Einkommen sind aber noch gering.

Ein junger Syrer schraubt im Jahr 2019 an seinem Hamburger Ausbildungsplatz an einer Schaltleiste Foto: Daniel Bockwoldt/dpa/picture alliance

Berlin taz | Mehr als die Hälfte aller Schutzsuchenden, die 2015 nach Deutschland kamen, ist inzwischen erwerbstätig. Zwei Drittel davon arbeiten in Vollzeit, 70 Prozent gehen einer qualifizierten Beschäftigung nach – haben also eine Berufsausbildung oder ein Studium absolviert. Das zeigt eine am Donnerstag veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Sie beruht auf Daten von 2021.

Die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter sei schwieriger und langwieriger als bei anderen Migrant*innen, zeigt die Studie auf: Diese Menschen hatten nicht vor, ihr Land zu verlassen, haben entsprechend keine Sprachkurse besucht, keine Arbeits- oder Ausbildungsplätze gesucht und seltener eine den deutschen Ansprüchen entsprechende Ausbildung. „Die Erwerbstätigenquoten der Geflüchteten sind unmittelbar nach ihrer Ankunft in Deutschland gering, also während der Zeiträume, in denen sie zum Teil noch Beschäftigungsverboten unterliegen oder sich in den Asylverfahren befinden; sie steigen dann aber mit zunehmender Aufenthaltsdauer“, bilanziert das IAB.

Im ersten Jahr nach Zuzug liegt die Erwerbstätigenquote demnach bei sieben Prozent, nach sechs Jahren bei 54 und nach sieben Jahren sogar bei 62 Prozent. Der Anteil der Erwachsenen, die seit ihrer Ankunft in Deutschland eine Bildungseinrichtung besucht haben, liegt nach sechs Jahren bei 33 Prozent.

Auch steigt das mittlere Bruttomonatsentgelt der beschäftigten Geflüchteten mit der Zeit deutlich – von 664 Euro in den ersten beiden Jahren auf 1.638 Euro im sechsten Jahr. Bei den Vollzeitbeschäftigten sind es 2.037 Euro. Diese Zahlen zeigen aber auch: Zwar finden viele Geflüchtete Arbeit, viele davon sogar als Fachkraft – trotzdem verdienen sie wenig.

Beschäftigte sind meist jünger

„Der Verdienst der Geflüchteten wird vor allem durch ihr junges Alter gedrückt“, erklärt Herbert Brücker vom IAB. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt verdiene man in der Regel mit zunehmendem Alter besser. Das Durchschnittsalter der Er­werbstätigen sei dabei mit etwa 50 Jahren recht hoch. „Die erwerbstätigen Geflüch­teten sind aber meist zwischen 25 und 30 Jahre alt und stehen noch am Anfang ihrer Berufslaufbahn“, so Brücker.

Eine weitere Rolle spielten die Jobs selbst: „Wir finden Geflüchtete weniger in der Industrie, wo überdurchschnittlich verdient wird, und mehr in der Dienstleistung – und dort oft in Branchen, in denen die Löhne trotz Fachkräfteniveau niedrig sind“, sagt Brücker. Das seien etwa die Gastronomie, die Pflege oder der Transport. Mit 45 Prozent ist ein großer Teil der 2015 zugezogenen Geflüchteten nach wie vor auf staatliche Leistungen angewiesen.

Dabei sind 28 Prozent der Erwerbsfähigen aus Haushalten mit Leistungsbezug erwerbstätig. Zum einen seien wie beschrieben die Verdienste oft niedrig, sagt Brücker, zum anderen hätten junge Menschen oft kleine Kinder zu versorgen. „Da reicht das Einkommen vielleicht für den Erwerbstätigen alleine, aber nicht auch noch für drei Kinder.“

Frauen betreuen die Kinder

Auch gibt es deutliche Geschlechterunterschiede: Nach sechs Jahren sind zwar 67 Prozent der Männer erwerbstätig, aber nur 23 Prozent der Frauen. Zu „erheblichen Teilen“ lässt sich das laut Studie durch Sorgearbeit, insbesondere durch das Vorhandensein kleiner Kinder unter drei Jahren im Haushalt, erklären.

Die Förderung von Frauen sei „vordringlich“, bilanziert das Institut – etwa durch Zugang zu umfassender Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeitmodelle oder mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

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7 Kommentare

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  • Also mehr als 30 % haben nach 7 Jahren noch immer keinen Job, trotz Arbeitskräftemangel. Ist das tatsächlich positiv, wenn nach 7 Jahren noch immer Sozialleistungen gezahlt werden müssen ?

  • Wenn man bedenkt, daß die Flüchtlinge aus ganz verschiedenen Ländern kommen, in der Regel kein Deutsch konnten, und eine Fluchtgeschichte hinter sich haben, sind das eigentlich recht gute Zahlen.

  • Das sind gute Nachrichten!



    Integration in den Arbeitsmarkt funktioniert, Weiter- und Ausbildung wurde zielführend umgesetzt.



    Das ist nicht nur für die Flüchtlinge erfreulich, sondern auch für die ganze Gesellschaft.



    Die Tatsache, dass Flüchtlinge auch noch Leistungsbezieher sind, ist ebenfalls gut. Unser Sozialsystem ist nämlich keine Selbstverständlichkeit und die Zugezogen müssen in den meisten anderen Ländern der Welt mit Ihrem Einkommen auskommen.

    • @Philippo1000:

      Da bin ich anderer Meinung. Aber nur wegen dem Sozialsystem. Schmarotzen und den Superreichen ihr Vermögen abziehen ohne einen Finger krumm machen zu müssen sollte standardisiert werden.



      Den Reichen wegnehmen, den Armen geben. Dann funktioniert auch ein gerechtes System und "soziale Brennpunkte" verschwinden.

  • Super ! Das ist mal ein erfolgreicher Schritt gegen den Fachkräftemangel !



    Weiter so !



    Mehr davon !

  • Ich muss sagen, wenn die Zahlen so stimmen, finde ich das doch beachtlich. Die Erwerbstätigenquote bei den Frauen ist allerdings noch verbesserungswürdig. Da ist weitere Förderung notwendig, wie das IAB richtig feststellt.

  • 6G
    687478 (Profil gelöscht)

    Deutschland braucht mehr Industrie. Dann kann auch der Dienstleistungssektor quersubventioniert werden. Absolut höchste Priorität muss aber die Industrie sein, insbesondere Robotisierung und Automatisierung mittels KI. Das ist nun das, was einstmals der Getreideanbau im Neolithikum war: die Grundlage der postmodernen Gesellschaft.