Transparenz bei der Schufa: Bonitätseinblick ab jetzt per App
Die Auskunftei gibt Verbraucher:innen einen neuen Einblick in die Bewertung der Kreditwürdigkeit. Doch die Transparenz hat Grenzen.
Die Schufa ist Deutschlands größte Auskunftei im Verbraucherbereich. Pro Tag liefert das Unternehmen die Antworten auf durchschnittlich 300.000 Bonitätsanfragen. Die Anfragen kommen beispielsweise von Banken, Händlern oder Mobilfunkanbietern, die mithilfe der Schufa-Daten einschätzen, für wie kreditwürdig sie potenzielle Kund:innen halten. Zu den wichtigsten Produkten der Schufa gehören die Scores. Sie geben in prozentualer Wahrscheinlichkeit an, ob eine Zahlungsverpflichtung wohl erfüllt werden wird.
Neben Scores für einzelne Branchen wie etwa Banken oder Handel, ist dabei vor allem der Basisscore wichtig, der einen Gesamtüberblick bieten soll. Bislang ließ sich der eigene Basisscore entweder durch einen kostenpflichtigen Zusatzdienst der Schufa einsehen oder indem man eine kostenlose Datenkopie auf Papier anfordert. Diese Kopie müssen Unternehmen, die persönliche Daten verarbeiten, seit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung anbieten.
„Wir wollen Menschen einen geschützten Raum geben, außerhalb der Zugriffsmöglichkeiten der Schufa“, warb Birkholz am Dienstag. Denn auch wenn Bonify zur Schufa gehöre, habe die Auskunftei ohne explizite Einwilligung der Betroffenen keinen Zugriff auf die bei Bonify liegenden Daten. Das ist vor allem deshalb relevant, weil Nutzer:innen der App auch Zugriff auf die eigenen Kontodaten und die dortigen Transaktionen geben können und dann beispielsweise zusätzliche Auswertungen der eigenen Zahlungsfähigkeit erhalten, jenseits der Schufa-Einschätzung.
Das Finanz-Start-up Bonify war Ende vergangenen Jahres von der Schufa übernommen worden. Schon damals war der Plan, Verbraucher:innen über die App Einblick in den eigenen Score zu gewähren. Doch an die Übernahme knüpft noch ein weiterer, deutlich umstrittenerer Plan an: dass Verbraucher:innen der Schufa selbst aktiv Daten zur Verfügung stellen, um ihren Score zu verbessern.
Mehr Daten für die Schufa
Mittlerweile wird die Planung hier konkreter. Laut Schufa-Chefin Birkholz soll im kommenden Jahr die Möglichkeit starten, „den eigenen Score durch Zusatzdaten zu verbessern“. Das könnte etwa das Einkommen sein oder Informationen über bereits geschlossene Girokonten betreffen, die die Schufa aus Datenschutzgründen regulär löschen muss.
Oliver Buttler, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg über die Nutzung der App
Die NGO Finanzwende, die im Juni eine Petition dagegen gestartet hat, fürchtet, dass mit der freiwilligen Kontodatenweitergabe auch Informationen an die Auskunftei geraten, die äußert sensibel seien – etwa über beglichene Arztrechnungen oder gezahlte Gewerkschaftsbeiträge. Die NGO kritisiert auch die Einsichtnahme über Bonify: Das habe „noch nichts mit Transparenz zu tun“, sagt Michael Möller, Referent für Verbraucherschutz. Schließlich werde weiterhin nur die Bewertung des Scores übermittelt und nicht dessen Berechnungsmethode.
Auch Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg ist skeptisch: „Ich wäre da eher vorsichtig“, sagt er mit Blick auf die Nutzung der App. Und das liegt unter anderem an der Doppelrolle von Bonify. Das hinter der App stehende Unternehmen Forteil GmbH vermittelt über die App auch Finanzprodukte. Durch die Verknüpfung mit dem Einblick in den eigenen Score entstehe eine „Verkaufsmasche“, kritisiert Buttler.
Seine Forderung: Die Schufa solle den Einblick direkt bei sich erlauben. Wenn es schnell gehen solle – eine eigene App für die Einsichtnahme plant die Schufa erst für das kommende Jahr –, könne sie einfach den jetzt schon möglichen Zugriff über die Schufa-Webseite kostenlos machen. Auch Buttler übt darüber hinaus grundsätzliche Kritik an der Geschäftspolitik der Auskunftei: „Wir haben hier eine große Blackbox, wir wissen nicht, wie die Schufa die Daten verarbeitet.“
Und das wird sich auch weiterhin nicht grundlegend ändern: Zwar sollen Verbraucher:innen im kommenden Jahr in einem Datencockpit simulieren können, wie sich der eigene Score ändert, wenn etwa ein Konto gekündigt wird. Bislang gibt es einen Simulator nur ohne die eigene Datenbasis und nur mit einem Teil der in der Praxis für die Berechnung genutzten Merkmale.
Weiterhin geheim bleiben allerdings die Formeln hinter der Berechnung. Die Schufa begründet das vor allem mit dem Geschäftsgeheimnis und der Angst vor Manipulationen durch Menschen mit schlechtem Score.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“