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Gesundheitskompetenz als Gemeinde-Projekt„Jeder trägt seinen Arzt in sich“

Im Dorf Grundhof bei Flensburg gibt es keine Arztpraxis, dafür Qigong-Kurse und Infoangebote. Die Idee: Wer mehr weiß, kann besser auf sich aufpassen.

Von Stützstrümpfen und Badewannen-Liften: Infoveranstaltung für Dorfbewoh­­ner*innen Foto: privat

Neumünster taz | Dass ein Mönch in Grundhof lebt, bemerkte Roland Trill bei einem Spaziergang durchs Dorf: „Ich sah diesen Mann, der auf dem Fußballplatz in einer Kutte Übungen gemacht hat“, sagt Trill. Er sprach ihn an, und inzwischen gibt Shi Miao Dao, Lehrer für Meditation und Qigong, Entspannungskurse für die Be­woh­ne­r*in­nen des Ortes. Das neue Angebot ist ein Mosaikstein in dem Konzept „Gesundheit ist Zukunft“, das eine Gruppe Ehrenamtlicher vor vier Jahren in der Gemeinde startete. „Gesundheitsvorsorge als Graswurzel-Projekt“ nennt es Trill, auf dessen Terrasse sich die Gruppe zum ersten Mal traf.

Grundhof liegt im nördlichen Schleswig-Holstein unweit der Flensburger Förde. Rund 1.000 Menschen leben in den drei Ortsteilen Lutzhöft, Bönstrup und dem zentralen Grundhof. Die einzigen Läden im Ort sind ein Blumengeschäft und ein Saatzuchtbetrieb. Was fehlt, ist eine Arztpraxis, berichtet Karin Griese, ebenfalls ein Gründungsmitglied der Gruppe. Sie hat früher an einer Pflegefachschule unterrichtet, Trill leitete bis 2018 den von ihm gegründeten Studiengang „eHealth“ an der Hochschule Flensburg.

„Dass ich als Rentner nur spazieren gehe oder mich mit dem Garten beschäftige, ist mir zu wenig“, sagt der 71-Jährige. So entstand die Idee, sich mit einem Projekt am Landeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ zu beteiligen. Die Idee: Durch Informationen und digitale Tools könnte die „Gesundheitskompetenz“ der Menschen im Ort verbessert werden. „Jeder trägt seinen inneren Arzt in sich“, erklärt Trill. Wer mehr wisse, könne seine Beschwerden einordnen und besser einschätzen, wann ein Besuch in einer Praxis nötig sei.

Das ehrenamtliche Team hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Veranstaltungen auf die Beine gestellt, etwa einen Gesundheitstag, bei dem Fachleute für Entspannung, Ernährung oder Bewegung Tipps rund um Gesundheitsvorsorge gaben. Unterstützung fand die Gruppe unter anderem bei der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in Kiel. „Ich bin Praktikerin, ich finde es gut, den Leuten konkrete Dinge zu zeigen“, sagt Karin Griese.

Der Saal war voll – weil die Landfrauen und die Kirchengemeinde Werbung gemacht hatten

Zuletzt organisierte die Gruppe Ersthelfer-Kurse. „Bei vielen war es seit der Führerscheinprüfung das erste Mal, dass sie sich damit befasst haben“, sagt Trill. Als Nächstes ist ein Vortrag über Gesundheitsvorsorge in Zeiten des Klimawandels geplant: „Gerade für Ältere ist das eine wichtige Frage“, sagt Trill.

Gut angenommen wurde eine Veranstaltung, bei der Pflegehilfsmittel vorgestellt wurden. „Es gab Kaffee und Kuchen, das ist immer wichtig auf dem Dorf“, sagt Trill. Daneben erklärten Fachleute eines regionalen Fachgeschäfts die richtige Verwendung von Stützstrümpfen oder Badewannen-Liften. Der Saal war voll – weil die Landfrauen und die Kirchengemeinde Werbung für die Veranstaltung gemacht hatten.

Dabei hatte sich der eHealth-Experte Trill vor vier Jahren, zu Beginn des Projekts, eigentlich gewünscht, dass gerade die Älteren im Ort digitale Hilfen nutzen und sich im Netz informieren, etwa auf der Seite der Gruppe auf der Internetplattform neben­an.de oder über die Gemeinde-Homepage.

Das klappe aber noch nicht so gut, bedauert der pensionierte Professor. Zwar besäßen inzwischen viele Ältere Computer oder Smartphones, würden die Geräte aber kaum für die Gesundheitsvorsorge nutzen. Immerhin scheint die Bereitschaft zu Vorsorgeuntersuchungen und regelmäßigem Impfen gestiegen sein, berichtet Roland Trill nach einem Gespräch mit dem Arzt, dessen Praxis die meisten Grund­ho­fe­r*in­nen aufsuchen. „Es wird keine Revolution geben, aber es geht weiter“, sagt er – eben eine echte Graswurzelbewegung.

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