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Klimakrise und globaler SüdenDie Töne der Zeit

Wenige Menschen richten viel Schaden an, den wiederum viele Menschen ertragen müssen. Die Erderwärmung geht mit extremer Ungerechtigkeit einher.

Eitler Sonnenschein für die Reichen, den Schaden, den sie anrichten, baden die Armen aus Foto: imago

A m bisher heißesten Tag des Jahres wurde in Stuttgart die Oper „Saint François d’Assise“ von Olivier Messiaen aufgeführt. Einige sangen, einige spielten Instrumente, alle anderen fächelten sich mit dem Programmheft Luft zu. Messiaens großartiges Werk vertont den spirituellen Weg des heiligen Franziskus in einer undogmatischen Musik ohne Grenzen. Vogelstimmen spielen eine wichtige Rolle, ebenso eine ganzheitliche Liebe zur Schöpfung.

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Die Klimakrise wird als globales Problem diskutiert, deren Lösung eine kollektive Anstrengung aller Menschen erfordert. Ganz im Sinne der Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus, in der er zur Abkehr von unserem zerstörerischen Lebenswandel aufruft, der auf Kosten der Natur und der Menschen insbesondere in den ärmeren Ländern geht. Das gemeinsame Haus der Menschheit dürfe nicht zerstört werden. Die Bedeutung der Schöpfung und der Natur müsse in den Vordergrund gerückt werden.

Ja, ja und ja, und doch ist dieses „globale“ Framing – wie der Climate Inequality Report 2023 aufzeigt – irreführend. Denn die globale Klimakrise ist durch extreme Ungleichheit gekennzeichnet. Einfach gesagt: Die Leidtragenden sind jene, die am wenigsten zum Problem beigetragen und am wenigsten Geld haben, sich gegen die Folgen zu wappnen. Während jene, die sie hauptsächlich verursachen, am wenigsten von den Auswirkungen bedroht sind und zudem über finanzielle Möglichkeiten der Anpassung verfügen.

Die treibende Kraft des Klimawandels ist somit nicht die Menschheit im Allgemeinen, sondern es sind diejenigen, die vom Wirtschaftswachstum am meisten profitieren. Weltweit gehen 89 Prozent der Emissionen auf das Konto der vier Milliarden wohlhabendsten Menschen. Knapp die Hälfte entfällt sogar auf die obersten 10 Prozent (800 Millionen). 17 Prozent aller Emissionen werden von nur 1 Prozent der Meschheit verursacht.

Globale Ungleichheit

Anders gesagt: Die untere Hälfte der Weltbevölkerung verursacht 12 Prozent der globalen Emissionen, erleidet aber 3 Viertel der Einkommensverluste aufgrund des Klimawandels. Zugleich verfügen die oberen 10 Prozent über 76 Prozent des Wohlstands und können die Folgen entsprechend finanziell auffangen. Die Klimakrise wird also nicht von „uns Menschen“ verursacht, sondern ist Ausdruck globaler Ungleichheit in Folge der gesellschaftlichen und globalen Machtverhältnisse.

In der Oper von Messiaen klopft im vierten Bild ein Engel sanft an die Tür, aber für die Figuren wie auch für das Publikum klingt es wie Donnerhall. In der Realität ist es umgekehrt. Die ökologische Katastrophe dröhnt wuchtig, aber die Engel unserer besseren Einsicht hören es kaum. Eine der Figuren, Bruder Elie, kann nicht zuhören und findet nicht zur besinnlichen Ruhe, um das Wesentliche zu erkennen – eine zeitgemäße Figur.

Während sich das Publikum weiter Luft zufächelt. Es kann die Hitze nicht ertragen, die es selbst entfacht hat. Doch südlich des Breitengrads der Klimaanlagen müssen unsere Mitmenschen ganz andere Temperaturen ertragen: In Pakistan 49 Grad, im Niger 50 Grad Celsius, die Stigmata unserer Tage, verursacht durch heißes Quecksilber.

Die Klimakrise ist zwar eine globale Herausforderung, doch sie ist verursacht von einer kleinen Minderheit, die nicht nur auf Kosten anderer und der Natur lebt, sondern mit ihrem Vermögen und ihren Investitionsentscheidungen entscheidend dazu beiträgt, die herrschenden Verhältnisse zu zementieren. Bezahlen müssen viele, profitiert haben wenige.

Solidarisches Wirtschaften ist gefragt

In diesem Zusammenhang offenbart sich nicht nur der Wahnsinn unserer destruktiven Raserei, sondern auch die Illusion einer Entkopplung von Verbrauch und Wachstum einerseits und Energie- und Ressourcenverbrauch sowie ökologischer Zerstörung andererseits. Denn wir machen global betrachtet keine Fortschritte. 2022 wurde beim CO2-Ausstoß ein neuer Höchststand erreicht. In manchen Kommentaren wurde kritisch vermerkt, dass „in Indien die Emissionen um 6 Prozent zunehmen. Das Land stößt jetzt mehr Treibhausgase aus als die EU.“

Nun ja, es hat ja auch mehr als dreimal so viel Einwohner. Der einfachste aller ökologischen Gedanken kann nicht häufig genug wiederholt werden: Würde Indien das Verbrauchsniveau der EU erreichen, könnten wir hierzulande Spiegeleier selbst im Schatten braten.

Es gibt nur eine Lösung: Klimagerechtigkeit. Das Entscheidende wäre eine Praxis des global solidarischen Wirtschaftens und Konsumierens. Die Verantwortung für den Planeten müsste eine kritische Haltung gegenüber den eigenen Privilegien beinhalten. Mit handfester Empathie für die Verlierer der ökologischen Katastrophen.

Die Sonne brennt, die Vögel sind kaum hörbar

Nacheinander werden im fünften Bild im Stuttgarter Freilufttheater hölzerne Vögel auf die Bühne getragen, wie bei einer religiösen Prozession. Die Namen der Vögel, deren Gesang vom Orchester ornithologisch präzise nachgeahmt wird, erscheinen auf einer Anzeigetafel. Heimische Arten wie die Mönchsgrasmücke, ebenso Vögel aus ozeanischer Ferne wie der Goldbauchschnäpper. Auch Vögel, die vom Aussterben bedroht sind. Ein globales Parlament der Vögel. Beeindruckend.

Doch in die musikalische Pause hinein dröhnt ein Flugzeug, schlürft jemand aus seinem Plastikbecher, jault im fernen Hintergrund ein Motor auf. Und aus dem Orchester flattert ein Fächerschwanzkuckuck hervor. Sakrale Atmosphäre will sich nicht einstellen, die Begegnung der Oper mit der Natur erfolgt einseitig: Die Sonne brennt, aber die Vögel der Umgebung sind kaum hörbar, weil das Kunstwerk abgespult wird mit der Unerbittlichkeit eines fixen Programms.

Je intensiver die Kunst die Schöpfung besingt, desto mehr scheint sich diese zu entziehen. Die Verherrlichung scheint mächtiger als das Geehrte. Wir alle sind – das zeigt diese Oper am heißesten aller Tage – gefangen im Amphitheater unserer entfremdeten Inszenierung.

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5 Kommentare

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  • Es brennt und die Menschheit diskutiert, anstatt zu löschen. Wer ist Schuld? Wer muss mehr machen? Mein Urlaub ist wichtig! Ich fliege ja fast nie! Wie soll ich sonst zur Arbeit kommen? Wir machen ja in Deutschland schon viel mehr als in ...! Genauso schlimm in der Politik: Neues Heizungsgesetz- so was braucht Zeit, das kann man nicht übers Knie brechen, Klimakleber sind Kriminelle, wenn nicht gar Terroristen...etc. Das sind klitzekleine Befindlichkeiten angesichts einer globalen Klimakrise. Das Schlimme: es geht schon lange nicht mehr um das eigene Gewissen, keiner kann sich mehr frei kaufen ( auch die Reichen nicht ). Wenn die Menschheit nicht zusammen hält und globale Lösungen findet, die jeden Menschen dieser Erde betreffen, wird alles, schneller als gedacht, den Bach runter gehen.



    ////Cut//////



    Die "Menschheit", die zusammen hält? Seien wir mal ehrlich ... das ist dermaßen utopisch, dass noch nicht einmal Bücher darüber geschrieben werden. Obwohl...da gebe ich dem Autor dieses Artikels schon Recht, mit viel Geld hast du die größten Chancen irgendwie zu überleben.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    "Die Verherrlichung scheint mächtiger als das Geehrte."



    Ganz wie an der Börse, wo das Geehrte durch die Verherrlichung mächtig gemacht werden soll.

  • Ich frage mich : Wo bleibt die Intelligenz, die uns eigentlich in diese Lage gebracht hat ? Was ist das für eine 'Freiheit' ? Wenn wir den Politikern nur beim Falschregieren zuschauen, so lange, bis wir ÜBERHAUPT KEINE HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN mehr haben! Ist schon jemand auf die Idee gekommen, dass selbst die Verhandler beim Pariser Klimaabkommen nicht wissen konnten, wie dramatisch und schnell sich die Erderwärmung auswirkt ? Ist schon jemand auf die Idee gekommen, dass die Technologieoffenheit -die Lüge von Lindner,Merz, Wissing etc.- auch dazu führen kann, dass sich nachher Ratlosigkeit einstellt ? Wir leben im NOTSTAND und niemand will es noch glauben, weil selbst die 'Grünen' vor ihm eingeknickt sind. Weiter so ? WIRKLICH ?

  • Es stimmt einfach nicht, das Märchen von der kleinen Minderheit, die an allem Schuld ist. China und Indien lassen grüßen.

    • @Reinhard Roller:

      Wie bitte?