Neue RBB-Intendantin: Zum Scheitern verurteilt
Die frisch gewählte RBB-Intendantin Ulrike Demmer soll Ruhe in den Sender bringen, wo nun Chaos herrscht. Aber hat sie überhaupt eine Chance?
Ulrike Demmer lächelt, in der Hand hält sie einen Blumenstrauß. Glücklich und erleichtert sieht sie aus auf den Fotos, die am Freitagabend von ihr, der neu gewählten RBB-Intendantin, bei einer Pressekonferenz geschossen wurden. Eine echte Siegerin eben. Oder?
Nun ja, von einem echten Wahlsieg kann nicht die Rede sein. Denn zuvor waren sämtliche Mitbewerber:innen abgesprungen. Am Ende war also nicht Demmers Qualifikation für den wichtigsten Posten im Sender ausschlaggebend, sondern der Zufall. So einen Sieg wünscht man niemanden.
Dieses chaotische Vorspiel bei der Intendantenwahl war ein schlechtes Omen. Aber verantwortlich dafür ist nicht Demmer, sondern der rbb selbst. Die lauten Forderungen von Personalrat und Freienvertretung, das Bewerbungsverfahren zu stoppen und von vorne zu beginnen, ignorierte dieser. Die harsche Kritik der Mitarbeitendenvertretung am Verwaltungsrat, Alleingänge zu veranstalten, hatte keine Wirkung. Kurz vor der Wahl protestierten sogar noch zahlreiche Mitarbeiter:innen. Sie hielten Zettel hoch, auf denen stand „Wahl absagen!“ und „Neue Ausschreibung, jetzt!“. Auch ihr Protest blieb folgenlos. Der Rundfunkrat zog die Wahl trotzdem durch.
Das hat schon jetzt Spuren hinterlassen. Anders als Ulrike Demmer sah man bei den Beschäftigten am Freitag kein Lächeln, sondern steinerne Mienen. Zurecht.
Vertrauen zurückgewinnen
Als im vergangenen August die letzte reguläre Intendantin, Patricia Schlesinger, wegen Vorwürfen der Vetternwirtschaft und der Geldverschwendung fristlos entlassen wurde, sollte danach endlich wieder alles geordnet laufen im RBB. Transparenz, Teilhabe, Ruhe: das war es, was sich viele Beschäftigte wünschten. Das sollte mit der Wahl einer neuen Intendanz dann endlich auch umgesetzt werden. Nur daran ist der rbb nun kläglich gescheitert. Dabei wäre es möglich gewesen, das Chaos einzudämmen: Verfahren stoppen, auf die Suche nach neuen Bewerber:innen gehen.
Stattdessen hat der Rundfunkrat der frisch gewählten Intendantin zusätzlich Steine in den Weg gelegt, weil er diese Wahl stoisch durchziehen wollte. Dass die rbb-Intendanz in diesen Zeiten ein herausfordernder Job ist, war klar. Aber war es nötig, die neue Position so undankbar für die Neue zu gestalten?
Demmer bekommt den Unmut und die Unzufriedenheit der Belegschaft mit auf den Weg. Ob sie es schaffen wird, Vertrauen zurückzugewinnen, das der Wahlprozess zusätzlich zerstört hat, werden die nächsten Wochen zeigen. Sollte sie daran scheitern, dürfte aber niemand überrascht sein.
Vorwurf der Staatsnähe
Und dann ist da noch das Problem mit Demmers Lebenslauf. Fünf Jahre lang war sie stellvertretende Regierungssprecherin unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie selbst habe kein Parteibuch, beteuerte Demmer bei ihrer ersten Pressekonferenz am Freitag immer wieder. Das wird sie nun unter Beweis stellen müssen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist der rbb aber jetzt schon daran gescheitert, auf maximale Staatsferne zu achten. Demmer wird ihre Position noch so gut ausfüllen können, Kritiker:innen werden ihr immer wieder ihre Vergangenheit als Regierungssprecherin vorwerfen. Der Sender macht sich in Zeiten, in denen er um das Vertrauen der Bevölkerung kämpfen muss, maximal angreifbar.
In der Affäre um Patricia Schlesinger war es einfach, die Schuldige zu benennen. Diesmal müssen sich die Verantwortlichen der Intendantenwahl selbst in die Verantwortung nehmen. Ulrike Demmer mag ihre Makel haben, für ihre Wahl sind aber andere verantwortlich. Vielleicht wird Demmer am Ende scheitern, weil sie nie eine Chance hatte; weil auch ihr Wahlsieg neue Gräben geschaffen hat, die sie nicht überwinden können wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“