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Verkehrs-Streit in Hamburgs SPDStraßenbahn verbal begraben

Hamburgs SPD modelt Juso-Antrag für die Stadtbahn so um, dass das Wort fehlt. Aber als Ersatz für überlastete Buslinien bietet sie sich dennoch an.

War bis 1978 Teil des Hamburger Straßenbilds: Tram, hier als Modell im Museum der Hochbahn Foto: Markus Scholz/dpa

Hamburg taz | Es versprach, spannend zu werden. Auf dem Parteitag der Hamburger SPD am Samstag hatten die Jusos einen Antrag pro Straßenbahn eingereicht. Eine Renaissance des Verkehrsmittels fordert aber auch der Distrikt Neugraben-Fischbek, allerdings speziell für das südliche der Elbe gelegene Harburg. Am Ende stimmten die Delegierten nach kurzer Debatte für einen Kompromiss, in dem das „böse S-Wort“, wie ein Redner scherzte, nicht vorkommt.

Anträge können SPD-Mitglieder stellen, wie sie wollen. Abgestimmt wird dann in der Regel aber nur über das, was zuvor eine „Antragskommission“ gesichtet hat. So kam es nun im Bürgerhaus Wilhelmsburg nicht zum offenen Streit – hatte doch SPD-Bürgermeister Peter ­Tschentscher die Tram als „altmodisches Stahlungetüm“ verdammt.

Es ist auf ein Machtwort des früheren Bürgermeister Olaf Scholz zurückzuführen, dass Hamburgs SPD die Straßenbahn – die es dort bis 1978 gab – ablehnt und auf unterirdischen U-Bahn-Bau setzt. „Dieser Kurswechsel hat sich schon nach wenigen Jahren als Fehler erwiesen“, schrieben die Jusos nun in ihrem Antrag.

Verstoß gegen den eigenen Koalitionsvertrag?

Denn der Verzicht auf die Tram gefährde das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel, bis 2030 den Anteil des umweltfreundlichen Verkehrs auf 80 Prozent zu steigern. Für neue U- und S-Bahnen sei zwar Diverses „in Planung“, doch fertig würden bis 2030 nur ein paar Stationen. Da sei eine Straßenbahn sinnvoll. Und weil die Straßen ohnehin instand gehalten werden müssten, wären die Kosten „gering“.

In dem Antrag, der schließlich zur Abstimmung kam, fehlt die deutliche Kritik an der Mutterpartei – und das Wort „Straßenbahn“. Stattdessen bekennt der Parteitag sich nun noch einmal zu den U- und-S-Bahn-Projekten wie den milliardenteuren Bau der U5. Weiter heißt es, man werde „prüfen“, auf welchen Linien heutige Bus-Angebote „absehbar nicht mehr ausreichen“ und mit welchem Verkehrsmittel dort „größere Passagiermengen komfortabel befördert werden können“. Diese Strecken werde man „frühzeitig“ in der Verkehrsplanung berücksichtigen, besonders die „Tangentialverbindungen“: So heißen Linien, die äußere Stadtteile ohne Umweg übers Zentrum miteinander verbinden.

Es gebe absehbar Strecken, wo Busse nicht reichen, sagte Finn Nussbaum, der den Kompromiss vorstellte. „Wir Jusos können uns dabei die Stadtbahn vorstellen, wissen aber auch, dass das hier nicht unbedingt geteilt wird.“ Man sei offen für andere Vorschläge.

Linksfraktion erkennt eine Tram-“Phobie“

Heike Sudmann von der oppositionellen Linksfraktion weist darauf hin, dass die nun als Kompromiss gefundene Formulierung beinahe genauso im Rot-Grünen-Koalitionsvertrag von 2020 steht, der noch 18 Monate lang gültig ist; dort fehle einzig das Wörtchen „frühzeitig“. Nehme die SPD die Vereinbarung ernst, so Sudmann, müssten die entsprechenden Prüfungen umgehend stattfinden. Jedoch habe Hamburgs SPD eine unerklärliche „Phobie“ vor der Tram.

Dieter Doege von „Pro Stadtbahn Hamburg“ sagt, die Jusos hätten zwar das zentrale Wort Straßenbahn „verloren“, ihr wichtiger Antrag sei aber mit großer Mehrheit durchgegangen. „Die SPD wird schnell lernen müssen, dass es kein Verkehrsmittel zwischen U-Bahn und Bus außer der Straßenbahn gibt.“ Die koste in Bau und Betrieb nur fünf bis zehn Prozent im Vergleich mit der U-Bahn – und ersetze „locker zwei bis drei Busse mitsamt ihren teuren, schweren und begrenzt haltbaren Batterien“.

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3 Kommentare

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  • Berlin, München, Köln, Bremen - alle haben eine moderne und schöne Straßenbahn, aber die Hamburger SPD möchte keine Straßenbahnen mehr. Eine moderne Straßenbahn in Hamburg wäre sicherlich auch für viele ältere Menschen angenehmer, als in den miefigen Untergrund hinab zu steigen, um dann mit der schmuddeligen U-Bahn fahren zu müssen. Moderne und zeitgemäße Straßenbahnen will man in Hamburg aber nicht, denn die seien ja nach Ansicht von SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher "altmodische Stahlungetüme" und außerdem gehört den Autos die Straße - nicht dass die Klimaschützer sonst womöglich noch auf 'dumme Gedanken' kommen und Hamburg autofrei machen möchten, da es ja Straßenbahnen gibt. Nun ja, man hat ja auch schon genug in Hamburg damit zu tun, das Prestigeobjekt 'Elbtower' für eine Milliarde Euro zu bauen, damit Hamburg schon von Weitem gesehen wird und die reichen Investoren den Weg in die Hansestadt finden. Der derzeitige Hamburger Bürgermeister Tschentscher hat anscheinend viel von seinem Vorgänger gelernt, denn Scholz hat in Hamburg auch lieber ein Luxushochhaus (Elbphilharmonie) gebaut, als endlich mal die fehlenden 150.000 Sozialwohnungen zu bauen.

    • @Ricky-13:

      Eine dreckige U-Bahn mit einer sauberen Tram vergleichen, ist ja noch besser, als das Konzerthaus von von Beust Scholz zuzuschreiben.

  • Die spd hatte es ja auch nie so damit Fehler ein zu gestehen und hält lieber an Dogmen fest koste es was es wolle weil zahlt ja der Steuerzahler.