piwik no script img

Krach um EU-RenaturierungsgesetzNestlé und SPD gegen Konservative

Es ist ein ungewöhnliches Bündnis: 70 große Konzerne und Verbände, Linke und Umweltschützer wollen das europäische Renaturierungsgesetz retten.

Bottrop-Gladbeck: Ein Nebenfluss der Emscher wurde zu einem naturnahen Gewässer umgestaltet Foto: Rupert Oberhäuser/imago

Brüssel taz | Der Streit um den Umwelt- und Klimaschutz in der EU spitzt sich zu. Die im Europaparlament (EP) führende konservative EVP-Fraktion will ein geplantes EU-Gesetz zur Renaturierung zu Fall bringen – und bekommt nun Gegenwind von allen Seiten.

Die Entscheidung fällt am Donnerstag – dann stimmt der Umweltausschuss des EP über die Verordnung zur Renaturierung ab. Auch bei einem Nein der EVP will eine linke Mehrheit den Entwurf durchbringen. Sicher sei dies aber nicht, heißt es in Brüssel, die Abstimmung stehe auf der Kippe.

Die Verordnung zur Renaturierung gilt als ökologisches Kernstück des „Green Deal“. Sie sieht vor, dass bis 2030 geschädigte Ökosysteme auf 20 Prozent der Fläche der EU „wiederhergestellt“ werden. Bis 2050 müssen dem Entwurf zufolge sogar alle Ökosysteme in Europa wieder in einem gesunden Zustand sein – also „renaturiert“.

Die EVP hat die EU-Kommission aufgefordert, den Entwurf zurückzuziehen. Zur Begründung verweist sie auf angeblich zu hohe Belastungen für Bauern und Landwirtschaft. Das Gesetz würde zu einem Rückgang der Nahrungsmittelproduktion führen und die Preise treiben, erklärte EVP-Chef Manfred Weber (CSU).

Die Industrie widerspricht

Doch ausgerechnet die Industrie widerspricht. Über 70 Firmen und Verbände, darunter Nestlé, Spar und Ikea, haben sich für den Entwurf ausgesprochen. „Wenn die Natur unter Druck gerät, sind auch unsere Ernährungssysteme unter Druck“, erklärte Bart Vande­waetere von Nestlé.

Ein ungewöhnliches Bündnis aus „Big Business“ und Umweltschützern ist entstanden. „Angesichts der Doppelkrise von Biodiversitätsverlust und Erderwärmung nicht oder verspätet zu handeln, verursacht gigantische Schäden und entsprechende Kosten“, warnen der WWF, Deutscher Naturschutzring, BUND und andere in einem offenen Brief.

Doch die Konservativen zeigen sich unbeeindruckt. Die geplante Verordnung habe zwar „gute Absichten“, aber ein „schlechtes Design“, erklärte die Chefunterhändlerin der EVP, Christine Schneider (CDU).

Am Donnerstag könnte es daher zum Showdown im Umweltausschuss kommen. Noch hoffen die Abgeordneten aber auf ein Umdenken in letzter Minute. Jetzt komme es auf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, sagt Delara Burkhardt, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten. Die CDU-Politikerin müsse ein Machtwort sprechen und ihre Parteifreunde zur Räson bringen – sonst werde der „Green Deal“ scheitern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Wenn Konzerne wie Nestlé für etwas sind, sollten die Alarmglocken angehen.



    Sprich: man sollte sehr genau anschauen, welche Lücken sich auftun, was den Konzernen vielleicht ermöglicht wird durch eine Hintertür.



    Nestlé ist ein großer Freund der Trinkwasserprivatisierung und hat in ein paar Ländern da schon große Erfolge erzielen können (Mexico, Indonesien...), und zwar ganz sicher nicht zum Vorteil der Bevölkerung.

  • Wenn der Staat zahlt, bzw die Konsumenten, und es gut fürs image ist, sind solche bündnisse sehr oft an der tagesordnung.



    Egal ob in der modebranche, bei banken oder in der nahrungsmittelindustrie ... bissi greenwashing ist doch immer gut, wenn man nix dazu zahlen muss oder zu verlieren hat.

    Aber bei der nächsten baustelle für die nächste fabrik, lieferkettengesetz oder die nächste genehmigung für industriebebauung, sieht das dann schon wieder anders aus, gelle.

  • Wut ist kein guter Ratgeber, doch was die EVP und die nationelen Konservativen treiben, das scheucht geradezu in weißglühende Wut hinein. Haben diese Leute immer noch nicht verstanden, um was es geht? Sind die so profitbesessen, dass sie dafür unsere Lebensgrundlagen zerstören? Geben sich viele Konservative nicht auch gern christlich? Was ist mit dem Erhalt der Schöpfung? M.W. steht in der Bibel nichts vom Erhalt des Profits...

  • ...wie war das noch gleich - Allgemeinwohl geht vor....?

  • Einerseits... Andererseits...



    Es ist bezeichnend, dass die EVP und somit auch die



    CDU /CSU gegen Umweltschutz agieren.



    Gut ist, dass sie hier ihr Lobbyisten Gesicht zeigen und auch der letzte konservative Grüne merkt: mit dem Haufen ist keine Zukunft zu machen.



    Dass neben NGOs auch Firmen für den Umweltschutz plädieren zeigt, dass sie weiter denken, als ManchEr vermutet. Gerade Lebensmittelkonzerne sind an lebenden Biosphären interessiert, denn sie begünstigen Ihre Produkte. Klima ist schon als Mikroklima erfolgreich und eine Zerstörung desselben folgenreich.



    Leider sehe ich hier in NRW bereits die Folgen, wenn man mit dem Teufel ins Bett steigt:



    Die Grünen haben sich der CDU angebiedert und die Umweltzerstörung geht weiter.



    Also gut, dass den Menschen die Augen geöffnet werden und gut, dass deutlich wird, dass Zukunft nur mit der Natur und nicht gegen sie möglich ist.



    Wenn schon Nestlé das einsieht, sollte der Groschen demnächst auch mal bei den Konservativen fallen...

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Im Wortsinn unter Druck steht die Natur in den Böden. Wie groß die Bodenverdichtung durch die Bewirtschaftungsmassnahmen in Land- und Forstwirtschaft insgesamt tatsächlich ist, ist gar nicht umfänglich bekannt. Zur Bodenverdichtung, ihren Folgen und ihrer "Renaturierung" steht im Programm entsprechend fast nichts.

  • Wenn Nestlé dafür ist, bleibt mir das suspekt.

    Und die Bedenken der Landwirte sollte man auch nicht unüberlegt zur Seite wischen, wenngleich von dort des Öfteren überzogene Forderungen kommen.

    • @Alexander Schmidt:

      “Der Wolf im Schafspelz”würde ich sagen und wundere mich so gar nicht mehr, welchen “Anstrich” sich so manche Unternehmen geben. Vermutlich gucken die bei Bill Gates ab …

  • “ Bis 2050 müssen dem Entwurf zufolge sogar alle Ökosysteme in Europa wieder in einem gesunden Zustand sein …”

    Da wird erst gebaggert, gebohrt, die Umwelt zerstört, …”Lithium” heißt ein Zauberwort, ein anderes ist Braunkohle (Lützerath…) um dann zu “renaturieren”?



    Etwa mit “Elektrobaggern” oder wie jetzt?

    Ein Blick auf Portugal macht den Irrwitz perfekt:

    www.br.de/nachrich...n-werden,300596858

    www.arte.tv/de/vid...oder-gruenes-gift/

    www.deutschlandfun...ie-folgen-100.html

    Ausbeutung pur auf Teufel komm raus.



    Eins gedoch ist sicher:



    die Erde überlebt uns alle!



    Auch den Kapitalismus und eine “freie Marktwirtschaft”, die Reiche immer reicher macht …

  • Die konservativen sind wie alte weiße Männer. Erst alles haben wollen und dafür alles kaputt machen aber beim aufräumen nicht mitmachen wollen. Das hat man in der Kita aber anders gelernt.

    • @pablo:

      In der Mehrheit werden sie das auch sein ... alte weiße Männer.



      Es hört sich schon verdächtig an, wenn Großkonzerne sich für die Natur einsetzen. Aber die EVP ist viel mehr als nur verdächtig und was die sogenannten Bauernverbände in Deutschland so für einen Schwachsinn verzapfen, wäre für mich dann doch der Grund, mich hier trotz Zweifeln auf die Seite auch von Ikua, Nestlè zu stellen. Diese unsere Agrartechniker sind ja gar keine Bauern mehr - eher schon profesionelle Giftmischer und Grundwasserverschwender und alleine, wie von denen oft mit Tieren umgegangen wird (Der Gesetzgeber und die Justiz gucken dabei mit verbundenen Augen zu - und was macht eigentlich der Herr Özdemir so ??))



      Ich hör ma lieber auf, sonst werde ich wieder zu zornig ...