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Xão Seffcheque ist tot„Gestern war es noch hier und dort“

Er komponierte, schrieb und rockte. Xão Seffcheque, der Renaissancemensch der Düsseldorfer New Wave, ist gestorben.

Xão Seffcheque mit der Band Blässe, 1981 Foto: Gino Buehler/Tapete

Xão Seffcheque, der Name klang exotisch, als ich ihn zum ersten Mal las. Der Vorname hatte eine chinesische Anmutung, der Nachname sah aus wie eine Mischung aus Deutsch und Französisch. Xão Seffcheque hatte die Musik für fast alle Titel auf einem Album, das den Titel „Resistance“ trug, (mit-)geschrieben. Es erschien 1985 und beeinflusste die deutschsprachige Popmusik nachhaltig. Family*5 hieß die Band, Soul Punk nannte sie ihren Sound, Peter Hein war ihr Sänger.

Ich liebte die Band sofort. Diese Melodien, diese Rhythmen, diese Bläser, diese Lyrics, diese Energie, wo sonst gab es das zu hören? „Mother Night“ etwa, das mit Xãos Gitarrensounds beginnt, die wie eine ferne Sirene klingen. Der stoische Bass und das funky Spiel auf einem Becken setzen ein, dann werden nonchalant die ersten Zeilen fallengelassen, die so typisch sind für die Auseinandersetzung mit der Welt da draußen und da drinnen, für den Guerillakampf mit sich selbst, der die Stücke der Family prägte: „Deine Freunde leben dir vor, wie es nicht sein soll. Und von dir selbst hast du die Schnauze auch ziemlich voll.“

Die Family, das waren nicht nur die Band, sondern auch die 5.000 Menschen, die diese Platte gekauft hatten. Den Fans von Family*5 schenkte man Vertrauen, als seien sie Schwestern und Brüder. Wer diese Band liebte, für den galt: „Manchmal ist dann auch noch jemand da, der ähnlich ist wie ich. Dann fällt die trübe Masse draußen gar nicht mehr so ins Gewicht.“

Zum ersten Mal live sah ich sie 1990. Viele Jahre später, nach einem anderen Konzert, stellte ich mich Xão vor. An diesem Abend verstand ich, dass er wohl nicht der Chef dieser anarchistischen Band, aber ihr Gravitationszentrum war. Er war der Mann, der als Produzent und Mixer Wesentliches beitrug. Vor allem aber war Xão, zumindest von außen betrachtet, der Kommunikator, der die Bande zusammenhielt und mit der Welt Kontakt hielt.

Standesgemäß wohnte er im Heizungskeller

„Ah, du bist des!“, sagte Xão umstandslos zu mir. Sie hätten sich aufgrund meiner Texte über die Band eh schon gefragt: „Der kennt uns, warum kennen wir den ned?“ Wenn wir uns hin und wieder trafen in den folgenden Jahren, war es so, als würden wir uns schon lange kennen, auch das eine Kunst, die er beherrschte. Jetzt lernte ich, dass Herr Seffcheque in Wirklichkeit Alexander Sevschek hieß. Xao, so hatte ihn seine Familie in Graz, wo er 1956 geboren wurde, schon immer gerufen.

Er hatte seinen Namen leicht verfremdet und eine Kunstfigur erschaffen, Markenzeichen eines Manns, der vieles konnte und machte. Xão war der Renaissancemensch der Neuen Welle. Er machte Musik, allein und mit anderen, er schrieb journalistische Texte für die Reihe Rock-Session und für Sounds, wo er 1980 über das erste Neue-Welle-Festival in Polen berichtete. Später schrieb er Drehbücher für TV-Serien und Spielfilme. „Postings“ gewann in der Kategorie „Best Indie“ beim Cannes World Film Festival von 2021.

1977 war Xão nach Düsseldorf gezogen, mitten hinein in die Punk-Explosion. Standesgemäß wohnte er in einem Heizungskeller. Bald zog sein Grazer Freund Peter Glaser bei ihm ein. Dieser verewigte das gemeinsame Leben im, laut Xão, „ersten deutschen New-Wave-Roman“ mit dem Titel „Der große Hirnriss“. Glaser beschreibt darin, wie Xão im Keller mit seinen Synthies hantierte. Bei Tapete Records ist vor wenigen Jahren ein Best-of aus dieser Phase erschienen. Auf dem Cover ein Foto von Xão im Keller, mit Gitarre, nacktem Oberkörper, Krawatte und Zigarette im Mund.

Überhaupt die Gitarre. Hatte er sie umgehängt, wurde aus Xão ein Rocker, der auf der Bühne abging und auch vor Schweinegitarrensolos nicht zurückschreckte. Hauptsache, es knallte. Verfremdung, Parodie, Aneignung, Ironie waren die Mittel dieses Popkünstlers, trotzdem hatte alles, was er machte, Herz. Mit Genialem-Dilletantentum hatte das nichts zu tun. Die Produkte von Xão Seffcheque sahen sehr gut aus, sie klangen sehr gut, waren mit Liebe zum Detail hergestellt. „Sehr gut kommt sehr gut“ hieß folgerichtig eins seiner Alben.

In „Unfamous last words“, sang er: „Lied vom verlorenen Wort. Gestern war es noch hier oder dort, jetzt ist es fort.“ So ist es nun auch mit Xão Seffcheque. Eben war er noch hier, jetzt ist er fort. Seine Musik wird uns weiter zum Lachen und zum Weinen bringen und sie wird die Traurigen trösten.

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