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Ausschreitungen im KosovoEine neue Militanz

Im Kosovo haben radikale Serben KFOR-Soldaten attackiert, um albanische Abgeordnete in Gemeinden zu verhindern. Die Nato verstärkt ihre Präsenz.

Protest von Kosovoserben in Zvečan, Nordkosovo, am Montag. Im Hintergrund KFOR-Soldaten Foto: Laura Hasani/reuters

Sarajevo taz Nach den Angriffen militanter Serben auf die Nato-Schutztruppe KFOR mit rund 80 Verletzten auf beiden Seiten haben sich am Dienstagmorgen erneut Serben im Norden des Kosovos zu Protesten versammelt. Demonstranten fanden sich vor den Gemeindeämtern in Zvečan, Leposavic und Zubin Potok ein, die von der KFOR gesichert werden, berichteten Nachrichtenagenturen.

Am Montagnachmittag entwickelte sich eine regelrechte Straßenschlacht, als militante Serben die KFOR-Soldaten angriffen. Dreißig Soldaten, unter ihnen 19 Ungarn und 11 Italiener, erlitten Verletzungen, darunter Knochenbrüche und Verbrennungen, teilte die Schutztruppe am Dienstagmorgen in der kosovarischen Hauptstadt Prishtina mit.

„Die KFOR hat auf die unprovozierten Angriffe einer gewalttätigen und gefährlichen Menge reagiert“, hieß es in der Mitteilung, und zwar mit Tränengas und Schlagstöcken. Laut dem Krankenhaus in der nahegelegenen Stadt Mitrovica wurden 53 Serben verletzt, berichtet dpa. Als Konsequenz will die Nato ihre Schutztruppen im Kosovo nun verstärken, hieß es am Dienstagnachmittag.

Die militanten Demonstranten wollen auf jeden Fall verhindern, dass kosovoalbanische Abgeordnete in die Rathäuser der drei Gemeinden einziehen. Diese Gemeinden – jede hat etwa 30.000 Einwohnern – werden mit großer Mehrheit von Kosovoserben bewohnt. Nach dem Wunsch der USA und der EU sollten hier im April Wahlen stattfinden, um eine legitime Repräsentation der Einwohner zu schaffen. Ziel dieser Politik war es, Voraussetzungen für die Integration Serbiens und Kosovos zum Eintritt in die EU zu schaffen.

Doch die serbische Bevölkerung, angeführt von extremistischen Kräften, weigerte sich mit Rückendeckung der Regierung in Belgrad, an den Wahlen teilzunehmen. Belgrad lehnt eine Integration der kosovarischen Serben innerhalb der Strukturen des Staats Kosovo ab und möchte einen eigenen Gemeindeverbund organisieren, der unabhängig vom Parlament und der Regierung in Prishtina agiert.

Diese Forderung fand bei den Diplomaten der westlichen Mächte zwar durchaus Gehör – so bei dem US-Botschafter in Belgrad, Christopher Hill, dem US-Sondergesandten Daniel Escobar und EU-Außenkommissar Josep Borrell –, doch trotz allen diplomatischen Drucks gelang es nicht, die kosovarische Regierung unter Albin Kurti zum Nachgeben zu bewegen.

Die Albaner befürchten, ein serbischer Gemeindeverbund würde die Existenz Kosovos bedrohen, und beharren auf einer demokratisch legitimierten Vorgehensweise. Sie verweisen darauf, dass die Minderheitenrechte der Serben und anderer Minderheiten in Kosovo wie kaum in einem anderen Land in Europa gewahrt sind.

Weil die Kosovoserben an den Gemeindewahlen im April also nicht teilnahmen, gewannen Albaner und andere nichtserbische Bevölkerungsteile mit 3,5 Prozent der Wahlberechtigten die Wahlen und stellen nun die Bürgermeister, die am Wochenende in ihr Amt eingeführt werden sollten. Mit der Strategie, im Vorfeld des Eintritts in die EU legitime Verwaltungen zu schaffen, blieb der KFOR-Truppe nichts anderes übrig, als die gewählten Abgeordneten zu schützen. Die Truppen sind verpflichtet, den legitimen Volksvertretern den Zutritt zu den Gemeindegebäuden zu garantieren.

Eine Lösung ist nicht in Sicht. Die serbische Seite will eine demokratische Lösung im Rahmen des Konflikts verhindern, obwohl Belgrad selbst nicht die völlige Kontrolle über die dortigen Machtstrukturen hat. Dieses nördlich von Mitrovica gelegene Gebiet hatte wie die anderen von Serben bewohnten Gebiete seit dem Einmarsch der Nato-Truppen 1999 zwar immer eine von Belgrad gelenkte Verwaltung, war jedoch hier auch unter der Kontrolle einer lokalen Mafia, der es sehr gelegen kam, in einem rechtsfreien Raum agieren zu können.

Auch die UN-Mission im Kosovo, Unmik, die ganz Kosovo bis zur Unabhängigkeitserklärung 2008 verwalten sollte, hat sich hier im Norden Kosovos die Zähne ausgebissen. Zwar gelang es in den südlichen Enklaven, wo mit rund 100.000 die Mehrheit der Kosovoserben lebt, sowohl die Sicherheit zu garantieren als auch ein normales Leben zu ermöglichen. Alle Versuche aber, eine UN-Verwaltung in diesem nördlichen Gebiet aufzubauen, wurden von militanten Demonstranten in Einklang mit der Politik Serbiens verhindert.

Das Problem begann damit, als bei dem Einmarsch der Nato-Truppen im Sommer 1999 die französischen Nato-Truppen sich weigerten, das Gebiet nördlich von Mitrovica zu kontrollieren. Die UN-Truppen wagten dann später nicht, dies zu korrigieren. Nordkosovo blieb ein weißer Fleck auf der Landkarte, ein rechtsfreier Raum, der zwar von Belgrad beeinflusst, doch auch wesentlich von lokalen Kräften und der Mafia gelenkt wurde.

Dem Kosovostaat gelang es zwar in den letzten Jahren, Grenzkontrollen zu etablieren, aber auch die ethnisch gemischte Kosovopolizei wurde hier nicht geduldet. Serbische Polizisten verließen auf Druck der Extremisten lieber ihre Jobs denn als „Volksverräter“ angesehen zu werden.

Es bildete sich dort über all die Jahre ein rechtsfreier Raum, in dem die serbische wie auch die albanische Mafia aktiv sein konnten. Kriminelle arbeiten gut zusammen, wenn es um Drogenhandel, Geldwäsche und andere Aktivitäten geht. Für sie sind eine Normalisierung und der Aufbau eines Rechtssystems mit Rechtssicherheit geschäftsschädigend.

Russische Aktivitäten

Sowohl die KFOR wie die Kosovoregierung verfügen zudem über Kenntnisse von Aktivitäten russischer Dienste, die in dieses Gebiet eingedrungen sind. Im nahegelegenen südserbischen Ort Niš ist ein russisches Militärlager entstanden, das genau wie das US-Militärlager in Kosovo nicht nur Soldaten ausbildet, sondern auch Spionage betreibt. Es gibt sogar Gerüchte, Söldner der Wagner-Gruppe, die für Russlands Machthaber Putin in der Ukraine kämpfen, stünden in Bezug auf Kosovo dort in Niš Gewehr bei Fuß.

Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti macht Serbien für die jetzigen Ausschreitungen verantwortlich. Bei den Demonstranten im Norden handle es sich zum Großteil um „einen Haufen Extremisten unter Anleitung des offiziellen Belgrads“, sagte er am späten Montagabend nach Angabe seines Amtes in einem Gespräch mit westlichen Botschaftern.

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8 Kommentare

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  • Dan sollte die Beitrittsverhandlungen zur EU mit Serbien abbrechen, zumindest aber auf Eis legen

  • Die panslavistische Aggression des Russischseins und Serbisch-Seins geht in die nächste Etappe.



    Nicht Putin selbst, sondern die serbischen Fanatiker wollen einen Konflikt erzeugen.

    • @Land of plenty:

      Der Artikel oben weißt ja darauf hin, dass die gegenwärtigen Ausschreitungen einen durchaus nachvollziehbaren Hintergrund haben, nämlich einen Streit um kommunale Strukturen, in dem sich die serbische Seite sogar auf Abkommen berufen kann, die von der Regierung des Konsovo ignoriert werden. Genau deshalb haben diverse westliche Regierung, darunter die USA, ja auch deutliche Kritik an Kurti und seiner Regierung geäußert. Hier wieder reflexhaft alle Schuld bei den Serben zu sehen (oder gar einer imagnierten "panslavischen Aggression") ist viel, viel zu einfach. Es hilft manchmal, wenn man sich nicht sofort auf eine Seite stellt und sich deren Position unhinterfragt zu eigen macht - ganz besonders nicht in einer Region, in der an nationalistischen Fanatikern nirgendwo Mangel herrscht.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Land of plenty:

      Die auch, aber zu denen gehören die dortigen Serben nicht unbedingt. Auf der Kosovarischen Seite sitzen die gleichen Fanatiker, die die KFOR für ihre Zwecke missbrauchen.

      Lassen sie sich bitte auf der Zunge zergehen:



      3,5% Wahlbeteiligung.

      Denken sie ernsthaft, dass man diesen Menschen mit Gewalt kommen sollte? Das Statement, die Ablehnung der Kosovarischen Regierung, ist eindeutig. Und anstatt zu deeskalieren, gießt die Kosovarische Regierung Öl ins Feuer und wir schieben die Schuld auf den Russen...? Ich glaube kaum.

  • "Das Problem begann damit, als bei dem Einmarsch der Nato-Truppen im Sommer 1999 die französischen Nato-Truppen sich weigerten, das Gebiet nördlich von Mitrovica zu kontrollieren." Aus eigener Erfahrung in Sarjevo 1994 und Kosovo 2000 kann ich sagen, dass Frankreich sowohl im Bosnienkrieg als auch dann im Kosvo eine mehr als fragwürdige Rolle spielte, da ihre Sympathien offensichtlich den christlichen Serben und Kroaten und weniger den muslimischen Bosniaken galt. Die Parteinahme der Franzosen für den serbischen und kroatischen Agressor gegen Bosnien hatte wohl auch geschichtliche Gründe, da Serbien auf Seiten der „Entente“ (Russland, Frankreich, Großbritannien und Italien) gegen die „Mittelmächte“ Deutschland, Österreich-Ungarn und Türkei gekämpft hatte. Eine rassistische Grundeinstellung der französischen Armee und ihrer Elitetruppe Fremdenlegion gegen bosnische Muslime war aber leider Realität.

  • Dass auch in Serbien die Nationalisten keine Ruhe geben, vermutet man seit dem Ende des Krieges. PS: Wer mal in Sarajevo war, kann die serbischen Geschütze die damals runterschossen noch immer bewundern- sie wurden nie weggeräumt

  • Also ich denke wenn man etwas gelernt hat aus dem Krieg auf dem Balkan, dann, dass sich die KFOR Truppen mit aller Härte verteidigen müssen. Wenn Putin meint da zündeln zu müssen, dann muss es ordentlich auf die Finger geben. Und diese Wagnermördertruppe muss sowieso überall massiv angegangen werden.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Gnutellabrot Merz:

      Die Aufgabe der KFOR ist nicht, die verfehlte Politik der kosovarischen Regierung durch Gewalt auszugleichen, sondern zu deeskalieren.

      Es gab 2018 Interesse seitens des serbischen Präsidenten, durch Gebietsaustausch die Grenzlinien anhand der ethnischen Grenze zu ziehen (Prosova Tal vs Mitrovica) .. daraus ist nix geworden, da es auch bei den KFOR Staaten und dem Kosovo auf Ablehnung stiess.

      Und der jetzige Konflikt wurde durch soetwas banales wie Auto Kennzeichen und Anmeldung provoziert.. ernsthaft. Die Kosovarische Regierung hat gezündelt, wissend das die KFOR die Prügel dafür einstecken muss.