Rassismus in der evangelischen Kirche: Ein Hirte nur für weiße Schäfchen

Ein Hamburger Pastor soll Sin­ti*z­ze und Schwarze Menschen rassistisch beleidigt und Nazi-Sprache verwendet haben. Die Kirche zeigte ihn jetzt an.

Auf dem Bild ist ein Arbeitszimmer mit hölzerner Wand zu sehen. Unten im Bild ein Schreibtisch mit Papier und Feder. An der Wand ein Portrait des Reformators Martin Luther

Als bekennender Judenhasser ein Vorbild für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit: Martin Luther Foto: Martin Schutt/dpa

HAMBURG taz | Die evangelische Nordkirche stellt Strafanzeige gegen einen ihrer eigenen Pastoren. Der Pastor soll sich wiederholt rassistisch geäußert haben. Von einer „Steinzeitkultur“ und der „Inszenierung eines mittelalterlichen Dorfes“ soll der Hamburger Pastor im Bezug auf die Kultur der Sin­ti*z­ze gesprochen haben. Auch das rassistische Z-Wort soll in einer Gemeinderatssitzung gefallen sein. Zuerst hatte die Hamburger Morgenpost darüber berichtet.

Schon länger gibt es Kritik an dem Pastor vom Vorsitzenden des Sinti-Vereins zur Förderung von Kindern und Jugendlichen, Christian Rosenberg. Der Verein mietet seit 2015 Räumlichkeiten in der Gemeinde im Hamburger Westen. Zuvor habe er sich immer wieder um Versöhnung bemüht, den Pastor und die Kirche zu Gesprächen eingeladen, sagt Rosenberg im Gespräch mit der taz.

Angefangen haben die Pro­bleme mit dem Pastor schon vor mehr als zwei Jahren. Der Pastor habe die Sin­ti*z­ze in der Gemeinde immer wieder schikaniert. Rosenberg ist auch Pastor der freikirchlichen Gemeinde „Licht und Leben“, die die Kirche für ihre Gottesdienste nutzt und in der mehrheitlich Sin­ti*z­ze und Rom­*nja Mitglied sind. Der Pastor habe sich mehrfach über den Zustand der Räumlichkeiten nach den Gottesdiensten der Freikirchengemeinde beschwert, ihnen aber gleichzeitig den Schlüssel zu einem Raum mit Reinigungsmitteln verweigert.

Rosenberg nennt das „puren Rassismus“ und sagt: „Wir haben die Kirche immer sauberer verlassen, als wir sie vorgefunden haben“. Rosenberg sagt, er habe sich immer wieder um Versöhnung bemüht und dem Pastor „die Hand gereicht“. So habe er den Pastor vor einem Jahr zu einer Veranstaltung zum Thema Antiziganismus eingeladen, auf der sich dieser aber wieder rassistisch geäußert habe.

Anlehnung an ein Goebbels-Zitat

Aber nicht nur gegen Sin­ti*z­ze soll der Pastor sich rassistisch geäußert haben. Er soll auch Anti-Schwarze rassistische Beleidigungen gegen die Mitglieder einer afrikanischen Gemeinde, die die Räume seiner Gemeinde ebenfalls nutzt, geäußert haben.

Im Bezug auf Sanierungsmaßnahmen an den Gebäuden der Kirche soll er, in Anlehnung an ein Goebbels-Zitat, die Frage gestellt haben: „Wollt ihr den totalen Bau?“. Als eine Spendensammlung für Kinder diskutiert worden war, soll er gesagt haben: „Zeit, dass wir für arische Kinder sammeln.“ Gesammelt hatten die Zitate des Pastors der zweite Gemeindepastor sowie ein Gemeinderatsmitglied. Die Liste hatten sie an die Landeskirche geschickt.

Die zuständige Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland scheint die Vorwürfe ernstzunehmen und hat inzwischen eine Strafanzeige gestellt. Ihr Sprecher Dieter Schulz schrieb der taz, die Äußerungen, die dem Pastor vorgeworfen werden, widersprächen „in eklatanter Weise den Werten der Nordkirche“ und seien „absolut inakzeptabel“. Der beschuldigte Pastor nimmt bis zur Klärung der Vorwürfe seine Amtsgeschäfte nicht war.

Für Rosenberg kommt die Reaktion der Kirche spät. Schon vergangenes Jahr habe er Kontakt zur Kirche aufgenommen. Dass sie nun dennoch reagiert hat, freut ihn aber. Schulz hingegen sagt, die Nordkirche habe „unverzüglich“ ein „geordnetes dienstrechtliches Verfahren“ in Gang gesetzt, nachdem sie die Hinweise bekommen habe. Er bitte um Verständnis, dass dies „seine Zeit braucht“.

Marko Knudsen überraschen die Äußerungen des Pastors nicht. „Antiziganismus ist, wie Antisemitismus, tief in der Gesellschaft verwurzelt“, sagt der Vorsitzende des Europäischen Zentrums zu Antiziganismus. Die Diskriminierung von Sin­ti*z­ze und Rom*­nja sei „ein Problem der Mehrheitsgesellschaft“, das diese selbst lösen müsse, sagt Knudsen.

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