piwik no script img

Kai Wargalla holt Sitz über PersonenstimmenGrün und trotzdem beliebt

Die Grüne Kai Wargalla ist zur Bremer Bürgerschaftswahl auf einem aussichtslosen Listenplatz angetreten. Trotzdem hat sie es ins Parlament geschafft.

Queer-, Kulturpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus: Das sind Kai Wargallas Kernthemen Foto: Leonie Rabea Große / Wikimedia Commons (CC BY 3.0 DE)

Bremen taz | „Ich hoffe, ihr begreift die Wucht dessen, was ihr da erreicht habt“, schreibt die Bremer Grüne Kai Wargalla ihren Un­ter­stüt­ze­r:in­nen bei Twitter, wenige Tage nach der Bürgerschaftswahl. Dabei begreift die 38-Jährige es ja selbst noch nicht so richtig, sagt sie der taz. Nur elf Sitze im Parlament: Das ist die Ausbeute der Bremer Grünen, und auf einem der Stühle wird nun Wargalla sitzen – obwohl sie auf der Landesliste auf einem aussichtslosen 14. Platz angetreten war.

Denn sie hat knapp 5.000 Personenstimmen bekommen, mehr als die Sozialsenatorin Anja Stahmann. Noch mehr hat nur noch die inzwischen zurückgetretene Spitzenkandidatin und Umweltsenatorin Maike Schaefer. „Ohne diese Stimmen wäre ich nicht drin“, sagt Wargalla, die seit 2016 in der Bürgerschaft sitzt und schon mal Landesvorsitzende war.

Doch warum stand Wargalla trotzdem so weit hinten auf der Liste? Sie hatte sich auf Listenplatz acht beworben, wie auch schon vor vier Jahren. Auch damals landete sie stattdessen auf Platz 14 und zog über Personenstimmen in den Landtag ein.

Der Hintergrund: Auf die Plätze mit geraden Zahlen können sich alle Grünenmitglieder bewerben. Weil die ungeraden für Frauen vorgesehen sind (in Bremen zudem für trans*- oder nichtbinäre Personen), werden die offenen Plätze jedoch auch als Männerplätze verstanden. Schon vor vier Jahren habe jemand beim Parteitag gesagt: „Willst du das wirklich machen? Ich würde mir das nochmal überlegen.“ So erzählt es Kai Wargalla.

Geschlecht ist nicht schwarz-weiß

Sie ging für die vergangen Wahl den gleichen Weg – auch, weil der Bremer Landesvorstand betont haben soll, dass man sich diesmal am Bundesfrauenstatut der Grünen orientiere, nach welchem die ungeraden Plätze wirklich ausschließlich für Frauen seien. „Wenn das das Kriterium ist, fühle ich mich wohler auf einem offenen Platz. Ich empfinde Geschlecht halt nicht so binär oder schwarz-weiß.“ Am Ende ist sie nach hinten durchgereicht worden.

Vielleicht, weil Wargalla auch aneckt. Sie trägt blaue Haare zu neongrünem Schmuck, sie saß auch schon mal unbeschuht im Landtag, das missfällt einigen, auch in den eigenen Reihen. In der Pandemie kritisierte sie harsch den Umgang des Senats mit der Erstaufnahmestelle in der Lindenstraße, in der zwischenzeitlich über 300 Geflüchtete coronakrank waren. Sie schlug sich auf die Seite der Protestierenden.

Und auch intern gebe es immer wieder Punkte, mit denen sie nicht einverstanden sei, sagt Wargalla. „Ich mache das aber nicht gegen meine Partei, sondern für mein Gewissen.“ Sauer sei sie wegen der Sache mit der Listenaufstellung nicht, austreten kommt für sie nicht infrage. „Es ist total viel im Umbruch bei uns. Ich möchte mithelfen, dass wir in vier Jahren besser dastehen.“

Warum sie so viele Menschen gewählt haben, kann und will sie nicht mutmaßen. Gute Rückmeldungen habe sie jedoch auch zu ihrer Arbeit bekommen: neue Fördertöpfe für die junge Szene, Queer- und Subkultur, Gründung des queerpolitischen Beirats – das sind nur ein paar der Erfolge, die Wargalla aufzählt.

Die Parteirebellin kommt aus den sozialen Bewegungen. Wargalla arbeitete bei „Justice for Assange“ mit, eine Kampagne zur Unterstützung des Wikileaks-Gründers. Sie initiierte Occupy London, begleitete den Prozess gegen Whistleblowerin Chelsea Manning, verklagte gemeinsam mit sechs anderen Barack Obama. In Bremen kämpfte sie bei Alnatura für einen Betriebsrat im Konzern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Wargalla turnt halt in der alternativen Aktivisti-Szene rum und steht bestimmt für irgendwas. Man hat sie zwar sonst nie groß wahrgenommen in der bremischen Politik, dafür aber auf jedem alternativen Straßenfest getroffen.

    • @Kawabunga:

      Muss man das so unterschwellig negativ ausdrücken?

      Gerade die "sichtbaren" Frontschweine sind doch überwiegend kleine Söders mit Karriereambitionen. - auch bei den Grünen.

      Da ist eine Wargalla doch eher ein wichtiges und notwendiges Gegengewicht.

    • @Kawabunga:

      "steht bestimmt für irgendwas"

      Für konsequenten Antifaschismus zB.

      Aber das ist manchen Zeitgenossen halt nicht so wichtig.

      • @Ajuga:

        Mir sind Politiker*innen wichtig, die Willens und in der Lage sind, tatsächlich Politik zu machen. Statt nur eine Haltung vor sich herzutragen.