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Auf dem Weg zur EnergiewendeExperten für Sonnenenergie

Das Institut für Solarenergieforschung in Hameln forscht an der Verbesserung und Einbindung von Photovoltaik. Die Ergebnisse sind öffentlich.

Seiner Zeit weit voraus: Solar-Carport am Institut für Solarenergieforschung in Hameln im Jahr 2000 Foto: Wolfgang Weihs/dpa

Im niedersächsischen Emmerthal stehen sich Vergangenheit und Zukunft der Energieversorgung in Sichtweite gegenüber: das Institut für Solarenergieforschung Hameln (IFSH) und das abgeschaltete Atomkraftwerk Grohnde. Tatsächlich fiel der Beschluss, ein niedersächsisches Institut zur Erforschung der Sonnenenergie zu gründen, knapp einen Monat nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986. Die Entscheidung scheint sich gelohnt zu haben. „Hier sind Dinge entstanden, die in jedem Fotovoltaik-Modul stecken, das heute verkauft wird“, sagt Stefan Bordihn von der Abteilung Solare Systeme des IFSH.

Das Institut mit seinen 150 Mitarbeitern wird Bordhin zufolge zu 30 Prozent vom Land finanziert und ist an die Leibniz-Universität Hannover angedockt. Es versucht zum einen, Fotovoltaikanlagen und deren Herstellung zu verbessern; zum andern erforscht es, wie „solare Systeme“ funktionieren könnten, also das Zusammenspiel solarer Energieerzeugung mit anderen regenerativen Energiequellen. Dazu kommt eine unabhängige Prüfstelle, von der sich Hersteller aus aller Welt die Effektivität ihrer Solarzellen bestätigen lassen.

Vor zwei Jahren etwa bescheinigte das IFSH dem chinesischen Hersteller Longi, dass seine Zellen einen Wirkungsgrad von 25,21 statt bisher 25,09 erreichen[https://www.pv-magazine.de/2021/06/02/longi-erreicht-2521-prozent-wirkungsgrad-fuer-topcon-solarzelle/], wie das PV-Magazine berichtete. „Für die Fotovoltaik-Industrie ist die Zahl hinter dem Komma wichtig“, sagt Bodihn. Denn ein Zehntel oder Hundertstel Verbesserung vervielfache sich ja durch die enorme Zahl zu produzierender Solarzellen.

Deutlich übertroffen werden kann dieser Wirkungsgrad durch eine neue Generation von Solarzellen, an deren Entwicklung das IFSH beteiligt war und die jetzt produktionsreif ist: die POLO-Zelle. Das steht für „polycrystalline silicon on oxide“. Die neuartige Solarzelle arbeitet mit einem Wirkungsgrad von 26,1 Prozent. Aber auch hier ist noch nicht Schluss. Gestapelte Solarzellen aus Materialien, die Licht unterschiedlicher Wellenlänge durchlassen, können mehr vom Spektrum ausnutzen und kommen auf Wirkungsgrade über 30 Prozent.

Neben der Herstellung von Fotovoltaik-Anlagen befasst sich das Institut mit deren Einbindung in die Energieversorgung. „Wir entwickeln neue Methoden, um das Potenzial von Solaranlagen zu erforschen“, sagt Bordihn. Ein Kollege habe ein mit künstlicher Intelligenz arbeitendes Instrument entwickelt, mit dem sich ermitteln lasse, an welchen Fassaden Fotovoltaik möglich wäre.

Kombination mit anderen Methoden

Im Auftrag des Landes hat das IFSH zusammen mit dem Institut für Umweltplanung der Leibniz-Uni ermittelt, wie groß der Raumwiderstand gegen den Bau von Solaranlagen ist. Wälder, Landwirtschaft und Naturschutzgebiete erschweren den Ausbau der Fotovoltaik. Wiesen oder ertragsarme Äcker gelten als Potenzialflächen mit geringem Widerstand.

Dazu kommt die Frage, wie sich Fotovoltaik am besten mit anderen erneuerbaren Energiegewinnungsmethoden kombinieren lässt. Eine wichtige Rolle spielt die Wärmepumpe, deren Qualität und Einbindung in die Energieversorgung das IFSH ebenfalls untersucht. Das reicht bis zu prosaischen Themen wie dem Lärm: „Für den Nachbarn darf das Ding nicht zu laut sein“, sagt Bordihn.

Das IFSH versteht sich als anwendungsorientiertes Forschungsinstitut. „Bei uns kommt das Interesse mit konkreten Wünschen vom deutschen Maschinenbau“, sagt Bordihn. Die Drittmittel der Firmen seien Voraussetzung dafür, Fördergeld vom Bund zu bekommen. Die Forschungsergebnisse seien jedoch öffentlich. „Es ist nicht unsere Aufgabe, Patente anzumelden und Geld zu machen“, sagt Bordihn. „Wir machen Forschung, die muss transparent sein.“

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