piwik no script img

Die Linke nach der Bremen-WahlGeht doch!

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Das gute Abschneiden der Linkspartei in Bremen grenzt an ein Wunder. Dass die Bundespartei die richtigen Schlüsse daraus zieht, ist unwahrscheinlich.

Siegerlachen: Kristina Vogt am Wahlabend Foto: Eibner/imago

D ie Linkspartei hat in Bremen ihr Ergebnis von 2019 ungefähr gehalten. Dieser Satz ist faktisch zutreffend – verfehlt aber das Wesentliche. Denn dieses Resultat ist ein kleines Wunder. Rund 11 Prozent haben in Bremen links gewählt – und damit fast sieben Prozentpunkte mehr, als die Partei in Umfragen im Bund derzeit erreicht. Das ist äußerst ungewöhnlich. Denn viele entscheiden sich auch bei Landtagswahlen unabhängig von den konkreten Erfolgen oder Misserfolgen vor Ort und eher nach generellen Sympathien.

Zudem ist Regieren für Linke oft lebensgefährlich. Es gibt mannigfache Beispiele aus Ostdeutschland, Frankreich und Italien, dass Linke in Regierungen von ihrer Klientel bestraft wurden. Auch dieser Effekt ist ausgeblieben. Warum? Weil die Bremer GenossInnen pragmatische, linke Reformpolitik gemacht haben. Sie sind als selbstständiger Player im Senat wahrgenommen worden – und nicht als Anhängsel der SPD.

Natürlich kann man das Bremer Ergebnis nicht eins zu eins auf den Bund projizieren. Bremen ist urbaner, ärmer und industrieller als die Bundesrepublik. Trotzdem enthält das gute Abschneiden eine Botschaft: Eine Linke, die als Teil eines Mitte-Links-Bündnisses auf sozialen Ausgleich und Gestaltung des klimaneutralen Umbaus der Wirtschaft setzt, wird gebraucht. Das kann man auch als Votum gegen den (links-)populistischen Feldzug à la Wagenknecht lesen – und auch gegen den indifferenten Kurs der Bundespartei.

Für die Linkspartei im Bund hat der Sieg in Bremen etwas Zwiespältiges. Er zeigt, was möglich gewesen wäre, wenn sich die Partei vor Jahren für selbstbewusstes Regieren und Reformen entschieden hätte – anstatt Opposition um der Opposition willen zu machen. Modell Bremen? Wohl kaum. Dass Linkspartei in toto die Lektion aus Bremen begreift, ist leider unwahrscheinlich.

So zeichnet sich eher das Modell Graz ab. Wie die KPÖ in Österreich scheint sich die deutsche Linke in eine Partei zu verwandeln, die in Hochburgen wie Bremen, Berlin, Thüringen eine vitale Rolle spielt. Und im Bund zur Randnotiz wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Moin zusammen,

    pragmatische Politik linkssozialdemokratischer Färbung, jenseits der Wagenknechtschen Putinversteherei und AfD-Anbiederung, macht die Linke attraktiv: siehe Thüringen, siehe Bremen. Das sollte der Partei doch wohl Aufforderung genug sein über eine Trennung von Wagenknecht und Co nicht nur nachzudenken, sondern diese auch endlich zu vollziehen.



    Mit besten Grüßen,



    Siebo M. H. Janssen

  • 89 % haben die Linke nicht gewählt, und das ist jetzt ein Zeichen das die Linke gebraucht wird?

    Und der "Wählerwille" ist eine SPD/CDU Regierung. die haben mehr %Punkte als RRG erhalten.

    In einer Umfrage haben sich 39 % für eine GROKO und 38 % für RRG ausgesprochen.

  • Thüringen als "Linke-Hochburg" zu bezeichnen halte ich für mutig - in Thüringen wählt man nicht zuforderst Die Linke sondern Bodo Ramelow - und dieser müht sich seit Jahr und Tag bloß nicht zu links rüberzukommen.



    Quer durch die Medien fiel da schon oft die Bezeichnung "der Alternativlose" - wer aber einmal seine Nachfolge antreten soll ist völlig offen, denn im Landesverband herrscht neben und hinter ihm nur gähnende Leere.

  • Modell Graz, naja. Dort ist Elke Kahr jetzt Bürgermeisterin, die Linke in Bremen (und sonst außer Thüringen) nur dritte im Bunde.