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Wahlen in BremenHochgejazzte Landtagswahlen

Kommentar von Gunnar Hinck

Über Waffenlieferungen wird nicht in Bremen entschieden. Die Überfrachtung von Regionalwahlen mit Bundesthemen entwertet die Landespolitik.

Es geht um Brötchentasten: Bremens grüne Spitzenkandidatin Maike Schaefer bei der Stimmabgabe Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

E s ist Landtagswahl – und damit schlägt wieder die Stunde der Polit-Deuterinnen in Berlin. Wenn Bremens SPD mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte zulegen sollte, wird es heißen: Das stärkt Kanzler Scholz in seiner Ukraine-Politik. Die WählerInnen fänden seinen eher moderierenden Kurs in der Klimafrage gut. Und wenn die Grünen abschmieren sollten – klar, das liegt dann an Habecks „Heiz-Hammer“ und an dessen Staatssekretär Patrick Graichen und seinem Trauzeugen. Bei „Anne Will“ wird es am Sonntagabend auch darum gehen.

Es ist immer reichlich merkwürdig, wenn Landtagswahlen zum – genau – „Stimmungstest für die Bundespolitik“ hochgejazzt werden – oder Landtagswahlen einfach nur ein willkommener Anlass für die Berliner Politik-Blase sind, über die Themen, zu denen eigentlich jeder schon seine Meinung sagen durfte, eben noch mal zu reden.

Im Fall Bremen ist das besonders bizarr – die Wahlen sind eigentlich Kommunalwahlen. Das Land besteht aus einer mittleren Großstadt (560.000 Einwohner) und mit Bremerhaven einer kleinen Großstadt (113.000 Einwohner). Es geht um Straßenbahnverkehr, Schulen und die sehr kommunale Frage, ob es eine gute Idee der grünen Verkehrsenatorin Maike Schaefer war, die so genannte „Brötchentaste“ beim Parken abzuschaffen.

Mag sein, dass manche WählerInnen mit einem Wahlgang in ihrem Bundesland es denen in Berlin mal zeigen wollen – oder einfach nicht zwischen Landes- und Bundespolitik unterscheiden wollen. Wenn das so ist, wäre es eine Aufgabe von PolitikerInnen und journalistischen Polit-ErklärerInnen, darauf hinzuweisen, dass in Landesparlamenten nicht über Waffenlieferungen und Bundesgesetze entschieden wird. Landespolitik wird sonst zu einer bloßen Folie für die Berliner Politik und damit immer mehr entwertet.

Das Gute ist: Spätestens diesen Dienstag wird die Polit-Deuterei einer Kommunal-, pardon, Landtagswahl wieder vorbei sein. Und bis zum Oktober wird es Ruhe geben: Dann erst nämlich stehen die nächsten Landtagswahlen an.

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ist Redakteur im taz-Ressort Meinung.
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3 Kommentare

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  • " das liegt dann an Habecks „Heiz-Hammer“ und an dessen Staatssekretär Patrick Graichen und seinem Trauzeugen."

    Das ist wohl - verbunden mit der Brötchentaste - exakt der Grund für den Absturz. An anderer Stelle in dieser Zeitung war zu lesen, dass Fr. Schaefer als Ministerin einen hervorragenden Job gemacht hat und auch sonst die Arbeit der Grünen in Bremen von guter Qualität war (was auch ja an den guten Ergebnissen der beiden anderen Koalitionspartner ablesbar ist).

    Wenn also die Spitzenkanditaten gute Politik macht (abgesehen von der Brötchentaste) und die Partei solide bis gute Landespolitik macht, stellt sich die Frage:

    Woran liegt denn dann der Absturz der Grünen, wenn nicht an den Bundes-Grünen? Und bei den Bundes-Grünen macht die Außenministerin einen so guten Job, dass sogar die FAZ neulich gelobt hat. Der Rest der Grünen Minister ist absolut geräuschlos. Woran soll der Absturz also liegen als an Habeck und seinem "Familienministerium" bzw. seinem wichtigsten Staatssekretär, dem die Deindustrialisierung nach eigener Aussage relativ egal ist.

  • Es ist ja so üblich, dass GewinnerInnen den Wert einer Wahl betonen, VerliererInnen deren Bedeutungslosigkeit.



    Doch was sonst soll die Stimmung in einer parlamentarischen Demokratie besser aufzeigen, als Wahlen?



    Das Bremen kleinstes Bundesland ist, wurde ja mehrfach betont. Allerdings wurde auch die Wahl des Berliner Senats ziemlich hoch gehängt. Dabei machen die Berliner WählerInnen und Wähler keine 5 % der Bundesdeutschen Wahlberechtigten aus .



    Also wenn das Alles so unwichtig ist, warum die wochenlange Berichterstattung, auch in dieser Zeitung?



    Dies nur als Antwort auf die Einschätzung des Autors, die ich nicht teile.



    Die Gruppe der Menschen, die sich in Bundestags- und Landtagswahlen völlig anders entscheidet, ist wohl eher klein.



    Dass aktuelle politische Themen, auch wenn sie nicht zur Wahl stehen, die Wahlentscheidung beeinflussen, glaube ich hingegen schon.



    Ich danke für die Berichterstattung über die Wahl, auch über die in der Türkei und gestehe, sie als bedeutender zu werten, als die Entscheidung im ESC.

  • Quintessenz des Kommentars von Gunnar Hinck: Er rechnet bei der Wahl in Bremen mit einer Niederlage für die Grünen.