Ölkonzern-Chef soll Klimagipfel leiten: Klimaschützer oder Öl-Lobbyist?
Die nächste Weltklimakonferenz wird in Dubai stattfinden. Leiten soll sie ausgerechnet Sultan Ahmed al-Jaber, Chef des staatlichen Ölkonzerns.
Doch um die Einhaltung genau dieser Grenze soll es bei den Verhandlungen der COP eigentlich gehen. Die Doppelrolle veranlasste diverse Akteure zu der Aussage, al-Jaber sei eine Fehlbesetzung für die Präsidentschaft. Al-Jaber reagiert gelassen: „Ich weiß diese Skepsis zu schätzen, doch ich lade Sie ein, sich meine Laufbahn anzuschauen“, sagte er in einem Video-Interview im März.
Tatsächlich hat al-Jaber noch weitere Rollen inne. So ist der Sultan seit 2020 Minister für Industrie und Fortschrittstechnologie sowie Sondergesandter für den Klimawandel, was ihn zu einem naheliegenden Kandidaten macht, waren doch die vergangenen COP-Präsidenten oft Minister oder Staatssekretäre. Zwischen 2013 und 2020 hat al-Jaber außerdem als Staatsminister bereits an Klimaverhandlungen teilgenommen. Zusätzlich ist er Vorsitzender des staatseigenen Unternehmens für erneuerbare Energien, Masdar, das unter anderem einen der größten Offshore-Windparks vor England entwickelt hat. Al-Jaber hat diese Firma 2006 mitgegründet und soll dafür gesorgt haben, dass der staatliche Ölkonzern der Vereinigten Arabischen Emirate 2022 ein Viertel der Masdar-Anteile gekauft hat. Mit Masdar möchte al-Jaber bis 2030 erneuerbare Energien um 100 Gigawatt ausbauen. Ein ambitioniertes Ziel, das er auch beim Petersberger Dialog letzte Woche in Berlin manifestiert hat.
Als designierter Präsident der COP möchte al-Jaber Verhandlungen führen, die „allen Parteien Raum geben, alle Energiequellen zu diskutieren“. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte er am Mittwoch: „Aufseiten der Emissionsminderung müssen wir die Erneuerbaren verdreifachen, die Wasserstoffproduktion verdoppeln, nukleare Energie expandieren, Batteriespeicher verbessern und Carbon-Capture-Technologien vergrößern.“ All das müsse gleichzeitig passieren.
Kein Ende von Öl und Kohle
Da hört man den Ölkonzernchef heraus: Fossile Energiequellen hält al-Jaber für unverzichtbar. Statt über ein Ende für Öl, Kohle und Gas sprach er von „Dekarbonisierung“ und einem „Ausstieg aus den Emissionen“. Mit der ADNOC-Gruppe möchte al-Jaber bis spätestens 2050 unterm Strich klimaneutral sein – wie die Vereinigten Arabischen Emirate als Ganzes. Dafür investiert ADNOC viel Geld in die Entwicklung von Carbon-Capture-Technologien, mit denen man CO2 abscheidet und unterirdisch speichert. Wie viele fossile Konzerne berücksichtigt die Ölfirma in ihrer CO2-Bilanz ohnehin nicht die Emissionen, die später bei der Verbrennung des Kraftstoffs entstehen.
Die Präsidentschaft wird al-Jaber nicht allein innehaben, sondern gemeinsam mit Abu Dhabis Umweltbehördenchefin Razan Al Mubarak, Klima- und Umweltministerin Mariamm Al Mheiri und Entwicklungsministerin Shamma Al Mazrui. Das Team steckt schon in den Vorbereitungen für die COP28 im Winter: In den letzten Monaten hat es nach eigenen Angaben eine „aktive Zuhör-Tour“ gemacht und „Stimmen aus dem Globalen Süden, aus großen Wirtschaftsnationen, aus Indigenen Communities, NGOs, der Zivilgesellschaft, der Jugend und der Wirtschafts-Community gehört“.
Gesundheitsaspekte der Klimakrise im Vordergrund
Insgesamt arbeiten etwa 70 Menschen im Präsidentschaftsteam. Davon seien 60 Prozent Frauen und 60 Prozent aus Ländern des Globalen Südens, betonte al-Jaber in Berlin. Das Durchschnittsalter liege bei 34 Jahren. Eines erwähnte er allerdings nicht: Nach Recherchen des Centre for Climate Reporting sind darunter auch ein Dutzend ehemalige Mitarbeiter von ADNOC.
Die 28. UN-Klimakonferenz findet vom 30. November bis 12. Dezember in Dubai statt. Zum ersten Mal soll es dabei einen ganzen Tag lang um die Gesundheitsaspekte der Klimakrise gehen, ein persönliches Anliegen von al-Jaber. Es wird auch der erste Gipfel sein, bei dem in einer globalen Bestandsaufnahme überprüft wird, wie es um die Einhaltung der globalen Klimaschutzziele steht. Dieser sogenannte Stocktake ist ein elementarer Bestandteil des Pariser Abkommens und soll alle fünf Jahre erfolgen. „Wir müssen nicht auf das Stocktake warten, um zu wissen, wo wir stehen“, sagte al-Jaber im Januar bei einer Rede: „Wir befinden uns weit abseits der Bahn, weit abseits.“
Derweil gibt es von Menschenrechtsorganisationen ernsthafte Bedenken, was das Gastgeberland des Klimagipfels betrifft: „Die starken Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit untergraben die Arbeit der Zivilgesellschaft und den Raum für politischen Widerspruch im Land“, schrieben Human Rights Watch, Amnesty International und zahlreiche Organisationen in einem gemeinsamen Statement letzte Woche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“