Spanien ändert neues Sexualstrafrecht: Reform der Reform
Das spanische Parlament beschließt Änderungen am „Nur Ja heißt Ja“-Gesetz. Es war erst seit wenigen Monaten in Kraft.
Das im Volksmund „Nur Ja heißt Ja“ genannte Gesetz aus der Feder der linksalternativen Gleichstellungsministerin Irene Montero war erst Ende 2022 in Kraft getreten. Anders als zuvor unterschied es nicht mehr zwischen Missbrauch (ohne Gewalt) und Aggression, also Vergewaltigung mit Penetration und Gewalt. Es stellte die fehlende explizite Zustimmung der Frau zu sexuellen Handlungen über alles.
Das Gesetz hatte nicht höhere Höchststrafen, sondern zum Teil auch niedrigere Mindeststrafen eingeführt sowie die Liste der Straftaten ausgeweitet. Danach galten nicht nur direkte Übergriffe als sexuelle Gewalt, sondern auch Belästigungen, Exhibitionismus, sexuelle Provokation, sexuelle Ausbeutung, Missbrauch Minderjähriger, Genitalverstümmelung, Zwangsehe, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, die Verbreitung sexueller Gewaltakte in digitalen Medien sowie sexuelle Erpressung etwa in sozialen Netzwerken oder Chats.
Anwälte hatten in Dutzenden Fällen eine Lücke im Gesetz genutzt, um Freiheitsstrafen zu verringern. Über 70 Straftäter kamen vorzeitig frei. Die rechte Presse nutzte dies für eine beispiellose Kampagne gegen Gleichstellungsministerin Montero. Mit der Reform der Reform wollte Ministerpräsident Pedro Sánchez der Kritik an der Regierung wenige Wochen vor den Kommunal- und Regionalwahlen nun ein Ende bereiten.
Mit der Reform der Reform wird die Frage, ob Gewalt im Spiel war, nun wieder als entscheidendes Kriterium für die Beurteilung der Tat ins Gesetz aufgenommen.
„Heute ist der traurigste und schwierigste Tag, den ich in diesem Parlament als Ministerin erlebt habe“, sagte Montero. Ihr Gesetz habe Jahre der Mobilisierung gekostet, jetzt habe „die Reaktion darauf eine Rückschritt zur Folge“. Das Gesetz aus dem Hause Montero war die Folge von massiven Demonstrationen nach einem Urteil, das in erster Linie keine Aggression sondern „nur“ Missbrauch in einer Massenvergewaltigung sehen wollten. Was die Täter damals entlastete: Auf den Videos, die die fünf Männer mitgeschnitten hatten, wehrte sich das Opfer angesichts der männlichen Übermacht nicht.
„Es hätte eine gemeinsame Antwort gebraucht“, warb Montero ein letztes Mal für die Einheit aller Parteien mit feministischer Einstellung. Vergebens: Die Sozialisten hatten sich längst auf die Unterstützung für ihre im Alleingang ausgearbeitete Reform der Reform durch die konservativen Partido Popular (PP) festgelegt. Deren Sprecherin Cuca Gamarra feierte die Abstimmung und verlangte von Ministerpräsident Sánchez ganz direkt die Absetzung von Gleichstellungsministerin Irene Montero.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Überwachtes Einkaufen in Hamburg
Abgescannt
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Obergrenze für Imbissbuden in Heilbronn
Kein Döner ist illegal