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Rechte Gewalt in Schleswig-HolsteinAngriffe vor allem rassistisch

Die meisten Taten finden sich nicht in der Statistik wieder. Entweder werden sie nicht gemeldet oder die Polizei stuft sie nicht als rechts ein.

Dauerthema: Demonstrationszug gegen rechte Gewalt in Henstedt-Ulzburg 2021 Foto: Jonas Walzberg

A n fast an jedem dritten Tag wurden in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr Menschen aus rassistischen, antisemitischen oder anderen rechten Motiven angegriffen – durchschnittlich. Diese Angriffe „gingen zudem mit einen hohen Maß an körperlicher Gewalt einher“, sagt Felix Fischer, Berater beim „Zentrum für Betroffene rechter Angriffe e. V.“ (Zebra).

Am Donnerstag hat das Netzwerk mit Sitz in Kiel sein landesweites Monitoring für 2022 vorgestellt. Im vergangenen Jahr registrierte Zebra insgesamt 104 Fälle mit 146 Betroffenen. 2021 waren es mit 77 erfassten Fällen noch rund ein Drittel weniger gewesen.

Über die Hälfte der Angriffe waren 2022 rassistisch motiviert – 62 Fälle. 32 Angriffe richteten sich gegen politische Gegner*innen. Hier seien vor allem Lo­kal­po­li­ti­ke­r*in­nen als auch antifaschistische Ak­ti­vis­t*in­nen angegangen worden. „Über 60 Prozent der Angriffe waren Körperverletzungsdelikte“, hebt Fischer hervor.

Einen starken Anstieg der Gewalttaten stellte Zebra in Flensburg und im Kreis Pinneberg fest. Für 2021 wurden an beiden Orten zusammen fünf Gewalttaten registriert, 2022 waren es schon 14. Sie wurden meist bei Demonstrationen verübt. Diese „regionalen Spezifika“ seien „durch eine aktive verschwörungsideologische Szene geprägt“, sagt Fischer. Diese dürfte die „Handlungsräume extrem rechter Akteur*­­in­nen erweitert“ haben, „wodurch es zu einem Anstieg der rechten Gewalttaten kommen kann“.

Dunkelfeld und polizeiliche Ignoranz

Eine ähnliche Zunahme hatte Zebra bereits 2019 im Kreis Segeberg beobachtet, als durch die Aktivitäten einer neonazistischen Gruppe die Anzahl der Gewalttaten angestiegen war.

Das Monitoring zeige die bestehende Gefahr, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete ­Niclas Dürbrook. „Die Zahlen im Zebra-Monitoring sind erschreckend und zeigen, dass wir bei rechter Gewalt nicht aufhören dürfen, genau hinzuschauen.“ 146 Betroffene von rechter Gewalt seien 146 zu viele, so Dürbrook. Er betont, dass die Dunkelziffer „deutlich höher“ seien dürfte.

Diese Annahme teilt Fischer. „Die meisten dieser Angriffe auf politische Geg­ner­­*­in­nen finden sich nicht in der polizeilichen Statistik zu politisch motivierter Kriminalität – rechts wieder.“ Einerseits würden viele rechte Angriffe überhaupt nicht bekannt. Andererseits würden einige Angriffe aufgrund bestehender Hemmnisse nicht bei der Polizei angezeigt. Zebra beobachtete zudem, dass die Polizei viele rechte Gewalttaten nicht als „PMK – rechts“ einstuft.

Fischer führt ein Beispiel aus dem Dezember 2022 an: Ein Ehepaar war vor seinen Kindern massiv körperlich angegriffen und rassistisch beleidigt worden. Selbst als die Polizei eingetroffen war und der Vater mit mehreren Gesichtsfrakturen im Krankenwagen behandelt wurde, ließen die An­grei­fe­r*in­nen unter rassistischen Beleidigungen nicht von der Familie ab. Die Polizei habe die Tat dennoch nicht als „PMK – rechts“eingestuft, so Fischer.

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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4 Kommentare

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  • @NIKOLAI NIKITIN

    Sie meinen also, Herr Fischer lügt?

    • @tomás zerolo:

      Nein, das nicht. Ich hätte nur gerne ein paar meiner Fragen beantwortet, um mir ein Urteil darüber bilden zu können, inwieweit seine Ausführungen zum polizeilichen Handeln gerechtfertigt sind oder nicht.

  • 'Fischer führt ein Beispiel aus dem Dezember 2022 an: Ein Ehepaar war vor seinen Kindern massiv körperlich angegriffen und rassistisch beleidigt worden. Selbst als die Polizei eingetroffen war und der Vater mit mehreren Gesichtsfrakturen im Krankenwagen behandelt wurde, ließen die An­grei­fe­r*in­nen unter rassistischen Beleidigungen nicht von der Familie ab. Die Polizei habe die Tat dennoch nicht als „PMK – rechts“eingestuft, so Fischer.'

    Vielen Dank für die Schilderung, Herr Speit. Um die angeprangerte Verfehlung der Polizei näher und ausgewogen beurteilen zu können, hätte ich mir eine detailliertere Darstellung dieses Falles gewünscht. Wie sahen die Beleidigungen denn aus ? Welcher Art waren sie ? Waren die Täter altbackene, rückwärtsgewandte Spießbürger von Nebenan oder organisierte Rechtsradikale mit politischem Hintergrund ? Wurden die Taten bestraft ? Wenn ja, wie ?

  • "... dass wir bei rechter Gewalt nicht aufhören dürfen, genau hinzuschauen"

    Aha?

    "... dass die Polizei viele rechte Gewalttaten nicht als 'PMK – rechts' einstuft"

    Also, Herr Dürbrook. Setzen Sie sich vielleicht dafür ein, dass wir mal (endlich!) anfangen, genau hinzuschauen?