Girls' Day mit Maxi und Benja: Der Gender-Irrtum
Der Girls' Day im letzten Jahr lief anders als geplant und brachte mir den bösen Anruf einer Mutter ein. Seitdem will ich damit nichts zu tun haben.
H eute ist wieder Girls’ Day. Und ich will damit nichts zu tun haben! Letztes Jahr war ich so perplex, als zwei Mädchen – Maxi-Merle und Benja-Bente – mir geschrieben haben, dass sie am Girls’ Day zu mir kommen wollen!
Was macht man an einem Mädchen-Tag, fragte ich mich damals? So unter sich sein wie am Frauen-Tag in der Sauna, nur woanders und unter jüngeren Frauen? Sie klärten mich auf: Maxi-Merle und Benja-Bente wollen meine Arbeit kennenlernen, stand weiter in der Mail.
Aber wir haben doch keine Frauen-Arbeit in Halle 4. Wir haben bei uns nicht mal Frauen! Und mein lieber Meister Viehtreiber war wenig begeistert davon, „dass es draußen bei dem Volk den Anschein hat, als würden wir in Halle 4 nur Weiber-Kram erledigen“, meckerte er. „Wir machen Autos und keine Plüschtiere“, schimpfte er laut.
„Vielleicht haben die beiden Mädchen türkische Freunde und wollen sehen, wie die Türken schuften“, tröstete ich ihn.
„Höchstens zehn Minuten, Osman. Mehr dürfen die beiden Gören den Betrieb hier nicht aufhalten“, zischte er.
Im Gegensatz zu ihm waren die Kollegen völlig aus dem Häuschen.
„Endlich mal was ohne Bart und mit hoher Stimme“, freuten sie sich.
„Osman, ich bringe den beiden Mädchen bei, wie man einen Stapler fährt“, jubelte mein Kumpel Hans aufgeregt.
Am Girls’ Day waren wir alle total gespannt und dann total enttäuscht, als die beiden Mädchen Maxi-Merle und Benja-Bente sich als Jungs entpuppten.Warum nennen Eltern ihre Brut denn nicht Hans, Horst oder Helmut?
„Hans, du wolltest denen doch Staplerfahren beibringen“, knurrte ich.
„Nee, mach du mal. Die wollen sicherlich sehen, wie die Türken schuften“, zischte er und gab sofort Gas, um schnell abzuhauen.
Nur mein Meister war richtig erleichtert, und erklärte den Jungs gutgelaunt und höchstpersönlich, wie die ganzen Maschinen in Halle 4 funktionieren. Nach zwei Stunden waren sie aber damit durch – und ich hatte die beiden Jungs noch vier Stunden am Hals.
Also nahm ich sie mit ins türkische Café und versuchte ihnen alle gängigen Kartenspiele des Orients beizubringen. Insbesondere aber, wie man dabei erfolgreich schummelt, damit sie später vor dem türkischen Schwiegervater nicht als Loser dastehen.
Am nächsten Tag rief mich die Mutter von Maxi, Merle, Benja oder Bente an. Und war ziemlich wütend. „Herr Engin, was haben Sie getan? Unsere Jungs sollten doch lernen, wie man schreibt!“, brüllte sie.
„Wie man schreibt?“, stotterte ich überrascht.
„Ja. Als ein Schriftsteller, so wie Sie!“
„Öhm… Aber das haben die doch!“
„Nein. Die haben erst zugeguckt, wie man Autos lackiert und Stoßdämpfer montiert, und dann haben sie mit Ihnen stundenlang Karten gespielt und Fußball geschaut!“, rief sie empört.
„Aber dabei haben sie doch geschrieben“, wehrte ich mich. „Die haben sämtliche Spielstände notiert, und auch alle Getränke aufgeschrieben, die wir getrunken haben. Viel mehr schreibe ich ja auch nicht.“
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