Meine Familie am 1. Mai: Solidarität mit der Polizei

Den Tag der Arbeit verbrachten alle Mitglieder meiner Familie genau so, wie sie wollten. Einen Tag später stand die Polizei vor unserer Tür.

Eine rote Nelke liegt auf einem grauen Stein.

Darauf können sich alle einigen: rote Nelke zum Tag der Arbeit Foto: dpa/dpa-Zentralbil | Robert Michael

Endlich wieder 1. Mai, Tag der Arbeit. Obwohl ich der einzige Arbeiter bei uns in der Familie bin, sind alle anderen viel aufgeregter als ich und bereiten sich fröhlich auf den Feiertag vor. So was ärgert mich natürlich! Ich klaue Eminanim ja auch nicht den Muttertag.

Meine Frau will mit ihren türkischen Freundinnen im Bürgerpark ausgiebig grillen. Meine feministische Tochter Nermin will irgendwo Bäume pflanzen und mein kommunistischer Sohn Mehmet will die Schaufensterscheiben von drei Banken einschlagen. „Man gönnt sich ja sonst nichts“, sagt er.

Ich selbst werde mir mit meinen Kumpels die Sportschau-Sendungen der Hin- und Rückrunde noch einmal reinziehen und die Bundesligasaison bei einem Kasten Bier – oder auch zwei – gemütlich Revue passieren lassen.

Es ist also alles ganz normal, halt so wie immer am 1. Mai. Dann steigen alle Kommunisten, Feministen und die Grilllisten in meinen Ford-Transit ein und ich liefere sie in ihren jeweiligen Einsatzgebieten ab.

Nach fünf Stunden Fußballglotzen sind wir total mies gelaunt, weil dieses Jahr der FC Bayern leider schon wieder Meister wird. Wir schmeißen uns alle auf den dämlich grinsenden Nedim, den einzigen Bayern-Fan der Gruppe, und rasieren dem Verräter zur Strafe ein großes W wie Werder auf den Schädel.

Mein eilig herbeigeholtes Uli Hoeneß-Autogramm beeindruckt den Kommissar überhaupt nicht

Einen Tag später stehen zwei Polizeibeamte vor der Tür. „Herr Kommissar, ich hab Nedims Kopf nicht abrasiert! Ich habe nichts gegen den Bayern München. Schauen Sie, ich hab sogar ein echtes Uli Hoeneß-Autogramm“, versuche ich die Blaumänner von meiner Unschuld zu überzeugen.

Mein eilig herbeigeholtes Autogramm beeindruckt den Kommissar aber überhaupt nicht. „Herr Engin, es gibt diverse Fotos in den Zeitungen, die belegen, dass der vermummte Täter, der die Scheiben von mehreren Banken zerschlagen hat, Ihr Sohn Mehmet ist. Auch die radikale Umweltschützerin, die sich überall festgeklebt hat, stieg aus Ihrem Auto. Und eine der türkischen Frauen, die gestern verbotener Weise mitten im Naturschutzgebiet gegrillt haben, wurde von Ihnen dort abgesetzt und ist Ihre Ehefrau. Das nenne ich organisiertes Verbrechen! Wir haben es hier mit einem gemeingefährlichen Familien-Clan zu tun!“

„Aber Herr Kommissar, das haben wir doch alles nur für Sie getan“, sage ich und lächel.

„Wie bitte? Das haben Sie für uns getan?“, fragt der Kommissar verwirrt.

„Ja, klar. Für unsere Freunde und Helfer. Das war die 1. Mai-Solidaritäts-Aktion der Familie Engin gegen den geplanten Stellenabbau bei der Polizei wegen angeblicher Unterbeschäftigung.“

„Herr Engin, schauen Sie bitte diese Zeitung an. Hier auf dem Foto beißt Ihre Ehefrau gierig in eine extra dicke Wurst rein – und zwar direkt unter dem Verbotsschild, den Rasen zu betreten“, meint der junge Polizist.

„Lügenpresse! Lügenpresse!“, brüllt Eminanim. „Das ist keine dicke Wurst, sondern eine mit Reis und Hackfleisch gefüllte Aubergine!“

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