Meine Tochter, die Schule und der Regen: Ein Tag zum Vergessen

Immer muss ich meine Tochter zur Schule bringen. Außerdem vergesse ich ständig etwas. Und dann war da auch noch dieser Regen.

Eine Frau läuft unter einem Regenschirm zwischen den leeren Sitzplätzen eines Cafés auf dem Bremer Marktplatz entlang.

Kommt in Bremen öfter vor: Regenschirm-Einsatz in der Innenstadt Foto: dpa | Sina Schuldt

Ich-muss-Hatice-wieder-zur-Schule-bringen! Die Betonung liegt auf ‚ich‘ ‚muss‘ ‚Hatice‘ ‚wieder‘ ‚zur‘ ‚Schule‘ ‚bringen‘. Wenn es draußen schüttet, denkt meine Frau überhaupt nicht daran, aus dem Haus zu gehen.

„Hatice, wir müssen los“, sage ich genervt. „Wenn du auf deine Mutter wartest, bleibst du Analphabetin.“

„Papa, es regnet. Nimm doch einen Regenschirm mit. Am besten zwei“, sagt Hatice.

„Wieso zwei?“

„Einen verlierst du wie immer. Mit dem anderen kommst du wieder nach Hause. War nur ein Witz“, lacht sie frech.

Kaum an der Bushaltestelle brülle ich: „Hatice, wo ist denn dein Schulranzen? Das kommt davon, weil du immer so überstürzt rausgehst. Dann musst du heute ohne Bücher auskommen. Komm, lass uns für dich in der Bäckerei dort wenigstens Pausenbrötchen kaufen.“

Hatice holt sich zwei Schokocroissants, ein Schokobrötchen und eine große Tafel Schokolade. Und ich hole mir eine Zeitung und renne zum Bus, der genau in dem Moment anhält.

Die Zeitung ist voll mit meinen Lieblingsnachrichten. Nein, keine Fußballergebnisse, sondern die zahlreichen blöden Männer, die ständig was vergessen.

Ein Mann hat zum Beispiel auf der Autobahnraststätte seine Frau vergessen. Ein anderer hat an der Tankstelle seinen alten Opa stehen lassen und ein Vater irgendwo seine kleine Tochter. Apropos Tochter, wir sind schon an der Schule – aber wo ist Hatice?! Und die beiden Regenschirme?

Apropos Tochter, wir sind schon an der Schule – aber wo ist Hatice?!

„Ist irgendwo ein kleines Mädchen mit zwei Regenschirmen ausgestiegen?“, frage ich den Busfahrer aufgeregt.

„Nicht, dass ich wüsste. Hier ist einer. Nehmen Sie den doch so lange“, sagt er und zeigt mir einen komischen, lilafarbenen Regenschirm.

„Mal schüttet es, als hätte der Himmel ein riesengroßes Loch, fünf Minuten später scheint wieder die Sonne, als wäre nichts passiert. Sonst würde man doch nicht andauernd seinen Regenschirm verlieren“, jammere ich und springe mit dem Lila-Schirm aus dem Bus.

Mit dem nächsten Bus fahre ich zur Bäckerei zurück. Als ich aussteige schüttet es wie aus Eimern und ich habe wieder keinen Regenschirm. In der Bäckerei ist Hatice leider nicht. Genauso wenig die beiden Regenschirme.

„Nehmen Sie doch den da“, sagt die Verkäuferin und zeigt mir einen rosa Regenschirm mit gelben Blümchen. Mit diesem komischen Rosa-Regenschirm in der Hand, aber trotzdem triefnass, trotte ich nach Hause.

„Das ist ja super. Jetzt haben wir drei Regenschirme“, freut sich Eminanim und deutet mit dem Kopf auf unsere beiden Regenschirme.

„Wie kommen die denn hierher?“, frage ich überrascht.

„Hatice hat sie von der Bäckerei mitgebracht, wo du die beiden Regenschirme und deine Tochter vergessen hast“, lacht sie.

„Aber warum ist Hatice denn wieder nach Hause gekommen? Will sie doch ihren Schulranzen abholen?“

„Nein. Sie geht heute nicht zur Schule.“

„Wie bitte? So ein faules Kind! Hatice, du musst sofort zur Schule!“, schimpfe ich böse.

„Osman, schrei doch nicht so! Sonntags geht Hatice doch nie zur Schule.“

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