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Streit um Schutz der OstseeNationalpark oder nicht?

Schleswig-Holsteins Umweltminister will einen Teil der Ostsee zum Nationalpark machen, aber der Landwirtschaftsminister ist gegen „Nullnutzungszonen“.

Müsste etwaige Nationalpark-Zonen in Ruhe lassen: Fischkutter auf der Ostsee Foto: dpa | Christian Charisius

Neumünster taz | Ein Teil der Ostsee soll zum Nationalpark werden, fordert Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne). Für die schwarz-grüne Koalition in Kiel dürfte die Debatte darüber einer der großen Streitpunkte werden. Denn bereits am Anfang des sogenannten „Konsultationsprozesses“, auf den sich die Parteien geeinigt haben, regt sich Widerstand. Er reicht bis ins Kabinett: Das CDU-geführte Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Räume sieht die Pläne des Umweltressorts kritisch. Der Streit war absehbar, seit Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) die Bereiche aufgeteilt hat.

Die Ostsee, im Schnitt gerade einmal 52 Meter tief, ist mit ihren Steilküsten und Sandstränden, ihren Inseln und Küstenorten die große Badewanne im Nordosten des Kontinents und die wichtigste Urlaubsregion Schleswig-Holsteins. Doch das rund 400.000 Quadratkilometer große Binnenmeer „ist in einem dramatischen Zustand, ihrem Ökosystem geht es sehr schlecht“, sagt Matthias Kissing, Sprecher des Umweltministeriums. „Damit es der Ostsee wieder besser geht, müssen wir ihren Schutz weit vertiefen und besser organisieren.“ Der Nationalpark-Status reiche dafür allein nicht, aber „er wäre ein Meilenstein in Richtung mehr Schutz“.

Angedacht ist eine Fläche von rund 160.000 Quadratkilometern, die von der Flensburger Förde über die Mündung des Ostseefjordes Schlei, die südliche Eckernförder Bucht und die östliche Kieler Bucht bis östlich von Fehmarn reicht. Rund die Hälfte des Parks könnte nach den Plänen des Ministeriums zur Kernzone erklärt werden. Dort wäre die Fischerei verboten, Sportarten wie Surfen und Kiten könnten eingeschränkt sein.

Schon die Ankündigung treibt mögliche Betroffene auf die Barrikaden. Bei Terminen auf Fehmarn oder in Heiligenhafen traf Goldschmidt auf Anwohner*innen, die um ihre Hobbys oder Verdienstmöglichkeiten bangen.

Die Ang­le­r*in­nen wollen die Park-Idee am liebsten auf den Grund der Ostsee versenken

Mit dieser Skepsis habe das Ministerium gerechnet, die sei bei allen Projekten dieser Art groß, so der Sprecher. Und ja: „Ganz ohne Einschränkungen wird es nicht gehen.“ Eben deshalb lege das Land den „Konsultationsprozess“ so breit an: „Jedes Argument wird gehört“, verspricht Kissing. Die Sorgen um einen Einbruch des Tourismus will das Ministerium mit dem Hinweis auf die „enormen Chancen“ eines Parks entkräften, schließlich steuern viele Reisende bewusst Regionen mit Nationalparks an.

Damit hat Schleswig-Holstein Erfahrung: In der Nordsee liegt der mit über 4.400 Quadratkilometer größte deutsche Nationalpark „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“. Gegen diesen Park, der bereits 1985 eingerichtet wurde, hatte es jahrelange und heftige Proteste gegeben. Inzwischen sind die meisten An­woh­ne­r*in­nen versöhnt – auch weil der Park einen Umsatz von rund 167 Millionen Euro für die gesamte Region bringt, so das Ministerium.

Doch die Ostsee wird noch intensiver genutzt als das Watt, entsprechend heftig fallen die Proteste aus. Auf Fehmarn hat Jochen Czwalina, Geschäftsführer eines Unternehmens für Kite- und Surfausstattung, sich die Domain „Nationalpark-Ostsee.de“ gesichert, auf der er eine Reihe kritischer Fragen zum Park aufzählt. Auch die Küs­ten­­fi­sche­r*in­­nen und die Ang­le­r*in­nen wollen die Park-Idee am liebsten auf den Grund der Ostsee versenken.

Einen Fürsprecher finden die Skep­ti­ke­r*in­nen in der Regierung selbst: „Wir hatten zum Thema Angeln im Nationalpark Ostsee bereits gute Gespräche mit Landwirtschaftsminister Werner Schwarz“, teilt der Deutsche Angelfischerverband mit.

Auf taz-Anfrage bestätigt das Ministerium, dass es diese Treffen gegeben hat. Die Sorgen nimmt das Haus ernst: „Von einem Nationalpark mit großflächigen Nullnutzungszonen wäre die Fischerei vermutlich erheblich betroffen, da über Generationen genutzte Fanggebiete verloren gehen könnten“, sagt Ministeriumssprecherin Jana Ohlhoff. „Gerade die kleinen Fischereibetriebe an der Ostsee haben dann keine Ausweichmöglichkeiten mehr.“

Spiel auf Zeit

Der CDU-Mann und ehemalige Bauernpräsident Werner Schwarz will sich als Minister für ländliche Räume in der Nationalpark-Frage dafür einsetzen, dass „grundsätzlich Flächen erfolgreich weiterbewirtschaftet werden können“. Entsprechend kritisch sieht sein Haus „die Einrichtung möglicher Nullnutzungszonen“. Denn nicht nur das Meer, sondern auch die Küsten wären von einem Nationalpark betroffen. So sorgt sich das Ministerium um die „land- und forstwirtschaftlichen Gebiete“ und „die regionaltypische Authentizität der vielen kleinen Häfen“ im Land und kündigt an, „das Vorhaben intensiv zu begleiten und auf einen breit angelegten Dialog mit allen Betroffenen zu drängen“.

Auf die Frage nach einem Streit im Kabinett äußert sich der Sprecher des Umweltministeriums diplomatisch: „Die Landesregierung steht geschlossen hinter dem Vorhaben, einen ergebnisoffenen Konsultationsprozess durchzuführen.“ Und dieser Prozess darf gern lange dauern, das zumindest lässt sich aus der Antwort des Landwirtschaftsministeriums heraushören: Die „Prüfung einer Einrichtung eines Nationalparks“ solle bitte „ohne Zeitdruck“ geführt werden, sagt Sprecherin Ohlhoff.

Zwischen CDU und Grünen ist vereinbart, dass die Debatte mit regionalen Informationsveranstaltungen und Fachworkshops noch bis Jahresende dauern soll. In der ersten Jahreshälfte 2024 will die Regierung entscheiden, ob sie dem Landtag in dieser Wahlperiode einen Vorschlag für ein Nationalparkgesetz Ostsee vorlegt. Selbst wenn es eine Mehrheit dafür gibt: Bis ein Park tatsächlich eröffnet wird, könnten weitere Jahre vergehen.

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1 Kommentar

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  • Herr Goldschmidt hat erstmal Hausaufgaben zu machen.



    Es liegen einige hunderttausend Tonnen Munitionsaltlasten und einige tausend Tonnen chemische Kampfstoffe in Nord - und besonders in der Ostsee. Seeminen aus dem ersten Weltkrieg sind durchgerostet und der Sprengstoff hat Kontakt mit dem Wasser. In den Kieler Nachrichten hat der Minister kürzlich von einer Zeitspanne von 137 Jahren bis zur völligen Beseitigung des Abfalls, wenn das Tempo der Beseitigung so bleibt.



    Da wäre dann noch die Sache mit der vierten Klärstufe für das Herausfiltern von anderen Stoffen aus dem modernen Leben: Mikroplastik, Medikamentenreste usw.



    Nationalpark einrichten, dann sich feiern und das Zeug drin lassen.



    Die Entsorgung und Ausbau der Klärwerke wird richtig teuer.