Malerei von Dana Schutz: Und sie tritt nicht auf der Stelle
Dana Schutz zeigt im dänischen Louisiana Museum ihre von Farbe und Firnis strotzende Malerei. Die ist lustvoll grotesk.
Wer bezweifelt, dass sich mit der guten, alten Malerei heute eine bedeutsame Kunst herstellen lässt, könnte sich zunächst in der Ausstellung „Between Us“ von Dana Schutz im dänischen Humlebæk bestätigt sehen.
Der dicht bestückte Auftakt einer umfangreichen Überblicksschau der US-amerikanischen Künstlerin fällt doch ziemlich altmeisterlich aus im Louisiana Museum of Modern Art. Wie solche von Farbe und Firnis strotzenden Riesenbilder überhaupt zu transportieren sind? „The Wheel“ von 2022 etwa ist ein knapp fünfzehn Quadratmeter großes Panorama.
Dana Schutz: „Between Us“. Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk (Dänemark), bis 11. Juni
Es knüpft an den antiken Sisyphos-Mythos an. Eine männliche Figur wuchtet vom rechten Bildrand her ein voluminöses Rad eine Anhöhe hinauf. Dieses ist zugleich in allegorischem Sinn Schicksals- oder (Un-)Glücksrad, das alles und jeden zermalmt: bald wohl auch jene Figur, die oben auf dem Rad buchstäblich „nach den Wolken greift“ und darüber vergisst, dass sie mit der nächsten Umdrehung unter die Räder gerät.
Die Szene ist in einen tiefrot-pastosen Grund gebettet, Figuren und Staffage sind ins Groteske gedreht, aber mit ungewöhnlich lockerem, temporeichem Strich ausgeführt. Satte, nass in nass vermalte Farbflächen gehen zulasten von Kontur und Zeichnung – Qualitätsmerkmale in Schutz’ früheren Bildern. Jetzt rückt umso mehr der Malvorgang in den Vordergrund und macht die Künstlerin präsent.
Hartnäckig problematisiert sie die Figur des Künstlers
Die sprichwörtliche „Liebe zur Malerei“ geht laut der Kunstkritikerin Isabelle Graw nicht ohne Fetischisierung des Künstlers selbst ab. Ein teuer bezahlter Pygmalion-Effekt, denn Großformate der 47-jährigen Dana Schutz erzielen längst Millionensummen auf dem Markt.
Wenn Schutz im Pressetext zur Schau unter den „großen, gegenständlich arbeitenden Maler(innen)der Gegenwart“ gezählt wird, vertritt sie neben ihren langjährigen Stammgalerien CFA in Berlin und Thomas Dane, London, seit 2020 der New Yorker Big Player David Zwirner. Die Formate ihrer Gemälde wachsen also sicher nicht ohne Grund.
Trotzdem fällt auf, wie hartnäckig Schutz in ihren neueren Arbeiten die Figur des „Künstlers“ problematisiert. Bei allem handwerklichen Hang zum Traditionsgenre und all ihren sichtbaren Bezügen zu historischen Künstlern wie Hieronymus Bosch, Francisco de Goya und Édouard Manet macht sie auch das Verhältnis von Kunst, Spektakel und Öffentlichkeit zum Thema.
In „The Wheel“ ist es ein Glatzkopf an der Maler-Staffelei, der ein Bergmassiv auf Leinwand bannt. Auf „The Public Process“ von 2022, das mit knapp drei auf sechs Metern größte Bild der Schau, kniet eine nackte (menstruierende?) Malerin-Figur mit penetrant hochgerecktem Hintern nieder und pinselt angestrengt auf eine kleine Leinwand. Hinter ihr tummeln sich auf einem aus Latten gefügten Rechteck allerhand schräge Cartoon-Figuren: Es sind Beobachter, Spanner, Kommentatoren, während rechts der Malerin ein schlanker Bürokrat, vielleicht, die verschlissenen Farbtuben verrechnet.
Zu Recht verzichtet das Louisiana Museum auf das überspektakularisierte Werk „Open Casket“. Dana Schutz hatte darauf eine bekannte Fotografie des Lynchmord-Opfers und afroamerikanischen Jungen Emmett Till wiedergegeben, 2017 wurde es im Rahmen der Whitney Biennale Gegenstand erbitterter Debatten über die Grenzen der Kunst. Eine weiße, erfolgreiche Künstlerin beute Schwarzes Leid aus, so der Vorwurf, der bis in die Forderung gipfelte, das Werk gar zu zerstören.
Auch Malereiskeptiker werden schwach
Der retrospektive Parcours in Humlebæk führt stattdessen in die Genese von Schutz’ Œuvre ein. Das mag mittlerweile zwar auch jede Menge Grafik und Plastik umfassen. Kern bleibt aber die Malerei, ihre findige De- und Rekonstruktion. Wenn Schutz 2001 in der Momentaufnahme einer Nießenden mit kleinen, ekelhaft präsenten Farbwürstchen Malkunst in ihre vulgär-materialen und kunstvoll-ideellen Komponenten zerlegt, wenn sie 2004 mit dem sich selbst verzehrenden „Face Eater“ und seinen vor dem großen Maul schwebenden, schreckhaft geweiteten Augen daran erinnert, wie eng Sensation, Schock und Lust zusammenhängen, dürften auch Malereiskeptiker schwach werden.
Zugleich zeigt der Rundgang die Entwicklungsfähigkeit der Künstlerin. Vielleicht sind die aktuellen Bilder gleich zu Beginn der Ausstellung nicht die überzeugendsten, die Schau macht in der Gesamtsicht jedoch deutlich, dass diese Künstlerin nicht lange auf der Stelle tritt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!