piwik no script img

Verfassungsschutz-Einschätzung der AfDIm rechten Sumpf

Niedersachsens AfD stellte eine parlamentarische Anfrage, um die Arbeit des Verfassungsschutzes in Zweifel zu ziehen. Daraus wurde ein Eigentor.

Bekam nichts Erfreuliches über seine Partei zu hören: Stephan Bothe, hier im Jahr 2020 Foto: dpa / Moritz Frankenberg

E ine parlamentarische Anfrage der AfD in Niedersachsen führt zur politischen Selbstenttarnung: Der Landtagsabgeordnete Stephan Bothe wollte mit seinem Fragenkatalog den Verfassungsschutzpräsidenten des Landes, Dirk Pejril, unter Druck setzen – hielt doch Pejril der AfD vor, sich nicht von „radikalen Kräften“ in der Bundespartei wie von „pro-russischen Positionen des Bundesverbandes“ zu distanzieren. Und Pejril betonte zudem die Nähe der niedersächsischen AfD zu Coronaleugnern, Verschwörungstheoretikern und Reichsbürgern. Das wollte Bothe so nicht stehen lassen und forderte konkrete Fakten ein, die das untermauerten. Die bekam er – und sie bestätigen, was die AfD nicht bestätigt wissen wollte.

In der Antwort stellt die rot-grüne Landesregierung voran, das Informationen nicht gegeben werden können, die „einem Geheimhaltungsgrad“ unterliegen würden. Geheime Daten, eventuell durch Informanten beschafft, bedurfte es für die eindeutige Einordnung aber auch nicht: Schon in der ersten Antwort heiß es deutlich: „Der Niedersächsische Verfassungsschutz hat bisher keine aktive Distanzierung von zentralen Akteuren“ des Landesverbandes „gegenüber bundesweit auftretenden radikalen und extremistischen Kräften und Positionen“ feststellen können.

In einer weiteren Antwort listet die Regierung auf – wie gefragt –, welche AfD-Mitglieder Texte für „Publikationen extremistischer Gruppierungen“ verfasst haben. Bei dem rechtsextremen Blog „PI-News“ schreibt der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin E. Renner aus Nordrhein-Westfallen eine Kolumne. Regelmäßig veröffentlicht der thüringische AfD-Landtagsfraktionsvorsitzende Björn Höcke ebenso in dem Blog.

Aus Niedersachsen erfolgten auch Beiträge. Seit 2018, so die Antwort, ist der AfD-Bundestagsabgeordnete Dietmar Friedhoff aus dem Wahlkreis Hannover-Land I bei PI-News präsent – mit Interviews und Videobeiträgen. 2022 schrieb er Beiträge unter den Titeln „Linker Kulturkolonialismus“, „Das Ahrtal – Geschichte eines Staatsversagens“ oder „Russenphobie in Deutschland: Selbstgerechte hetzen gegen Minderheit“. Der ehemalige niedersächsische AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Kestner schrieb auch für den Blog.

Bothe selbst wird als Beleg für die Relativierung von Reichsideologien angeführt

Den PI-News gab zudem Marie-Thérèse Kaiser ein Interview. Die AfD-Politikerin, die seit 2021 dem Kreistag Rotenburg (Wümme) angehört, führt die Landesregierung allerdings gleich mehrfach als Beweis für die rechtsextreme Vernetzungen an. Kaiser, die in Hamburg die rechten „Merkel muss weg“-Demonstrationen mitorganisierte, ließ sich 2019 von Jürgen Elsässer, Chefredakteur der rechtsextremen „Compact“, interviewen. In einem Video des Magazins zur Sonderausgabe „Antifa – Die linke Macht im Untergrund“ erscheint sie auch als Gesprächspartnerin. Seit 2021 hat Kaiser zudem die Moderation des Videoformats „Wir klären das!“ übernommen. Das Format trägt das neurechte Netzwerk „Ein Prozent“.

Die Landesregierung betont, dass die AfD „vor allem prorussische Positionen“ einnehme, „indem sie den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fortlaufend relativiert.

En détail führt sie auch auf, wann und wo die AfD in Niedersachsen Protest der Querdenker unterstützte oder selbst Aktionen zum Thema organisierte.

Und Bothe selbst wird als Beleg für die Relativierung von Reichsideologien angeführt: Nach der Razzia gegen das Terrornetzwerk um Heinrich Prinz Reuß führte Bothe aus, die Maßnahme sei ja „nach Art des Hauptmanns Köpenick“ gelaufen und auf Bestellung von Medien werde diese „hochgeputsche Realsatire eines angeblichen Staatsstreichs von ein paar älteren Herrschaften“ genutzt, um ein AfD-Verbot zu thematisieren.

Diese Kommentierung lasse keine Distanzierung erkennen, so die Landesregierung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Diese ewiggestrigen Störenfriede sind sich echt für keine Schweinerei zu schade. Es ist eine Schande, dass die immer noch fast ungestraft Unfrieden stiften können.