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Johannes Paul II. in PolenHeiligenschein mit Schatten

In Polen wird Papst Johannes Paul II. verehrt. Doch laut Enthüllungen soll er sexuellen Missbrauch vertuscht haben. Viele wollen das nicht glauben.

Nicht nur in Warschau: Papst-Unterstützer gingen am Sonntag für Johannes Paul II. auf die Straße Foto: Kacper Pempel/reuters

Warschau taz | „Er ist heilig!“, sagt Jan Gorniak, und zwar so bestimmt, als wäre das Thema damit erledigt. „Es ist unmöglich, dass ein Heiliger etwas Schlechtes tut. Unser polnischer Papst! Schlecht sind die, die das behaupten!“, empört sich der Rentner und zieht sich die graue Schiebermütze tiefer ins Gesicht. Der 72-Jährige marschiert an diesem nasskalten Sonntagvormittag mit Tausenden anderen Gläubigen durch die Warschauer Innenstadt, um des polnischen Papstes Johannes Paul II. zu dessen 18. Todestag zu gedenken. In ganz Polen sind an diesem 2. April Papst-Unterstützer unterwegs. Oder, um es wohl treffender auszudrücken: Papst-Verteidiger.

Johannes Paul II. ist die letzte große moralische Autorität, die den Polen geblieben ist. Zumal nachdem die nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und ihr nahestehende Publizisten den Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa als angeblichen Kommunisten-Spitzel demontiert hatten. Nur: Auch das Bild des von 1978 bis 2005 als Pontifex amtierenden Karol Wojtyła hat nun Risse bekommen.

Im Buch „Maxima Culpa. Johannes Paul II. wusste davon“ deckte der niederländische Polen-Korrespondent Ekke Overbeek vor rund drei Wochen auf, dass der spätere Papst in seiner Zeit als Krakauer Erzbischof vom sexuellem Kindesmissbrauch durch Priester in mindestens drei Fällen wusste. Statt aber die Sexualstraftäter in der Soutane der Staatsanwaltschaft zu übergeben oder zumindest aus der Seelsorge abzuziehen, habe Wojtyła die Priester lediglich in eine andere Gemeinde versetzt, in einem Fall sogar nach Österreich.

Parallel zum Buch von Overbeek strahlte der Privatsender TVN24 die Dokumentation „Franciszkanska 3“ von Marcin Gutowski zum gleichen Thema aus. Die Franciszkanska-Straße 3 ist die Adresse der Erzdiözese Krakau, wo Johannes Paul II. auf seinen vielen Reisen in die Heimat immer wieder Station machte.

Zwar hatte es schon vorher Vermutungen gegeben, dass der inzwischen heiliggesprochene Papst als Erzbischof in Krakau von den sexuellen Straftaten der ihm unterstellten Priestern gewusst haben muss, doch Beweise hatte es bislang nicht gegeben. Das ändern nun der gut dokumentierte Film und das Buch Overbeeks, der sich seit vielen Jahren mit den Opfern pädophiler Übergriffe durch katholische Priester beschäftigt.

Die Gläubigen auf dem „nationalen Marsch zur Verteidigung der Ehre Papst Johannes Paul II.“ interessieren sich weniger für Argumente und Beweise. „Was heißt hier Wahrheit?“, fragt eine ältere Demonstrantin im dicken Wintermantel. Sie schwenkt zwei Fahnen – die weiß-rote Polens und die gelb-weiße des Vatikans.

Den Nationalpopulisten kommt das Thema gerade recht

„Die Wahrheit ist, dass er uns die Freiheit gebracht hat. Wo wären wir ohne Johannes Paul II.? Wahrscheinlich immer noch im Ostblock!“ Sie nickt einer Bekannten zu. „Auch die Welt verdankt dem polnischen Papst unendlich viel. Diese Vorwürfe jetzt von diesen Pseudojournalisten – das ist doch einfach nur infam!“ Die Bekannte, die einen geschmückten Palmwedel in der Hand hält – am 2. April ist auch Palmsonntag –, wirft trotz des kalten Nieselregens fröhlich ein: „Ich gehöre zur Johannes-Paul-II.-Generation. Ich habe das alles miterlebt. Das ganze Pontifikat. Ich bin eine stolze Katholikin.“

Den Politikern der rechtspopulistischen PiS kommt das Papst-Thema gerade recht – immerhin stehen im Herbst Parlamentswahlen an. So „verteidigt“ die Partei ja immer die Polen vor angeblich drohenden Gefahren. Mal sind es die Flüchtlinge aus Afghanistan und dem Irak, mal die Ukrainer, die Russen, die Deutschen, die EU und insbesondere Brüssel. Und jetzt will Jarosław Kaczyński an der Spitze aller guten Katholiken den polnischen Papst verteidigen.

„Das direkte Ziel dieser schändlichen Diffamierungsaktion und dieser verleumderischen und koordinierten Medienhetze“, gab der PiS-Parteichef den Demonstranten wie seinen Anhängern mit auf den Weg, „kann nur eines sein: die Zerstörung der Autorität des berühmtesten Polens unserer Geschichte. Sein Name soll verrissen, seine Verdienste sollen verschwiegen werden. Es geht um seine moralische Degradierung auf das Niveau von Menschen, die pädophile Straftaten begehen.“

Der demokratischen Opposition hingegen kommt das Thema denkbar ungelegen, denn sich auf die Seite der unkritischen Papst-Verehrer zu schlagen scheint ebenso wenig eine gute Wahlkampfstrategie zu sein wie die Forderung nach einer endlich vollständigen Aufklärung der ungezählten Kindesmissbrauchsfälle in der katholischen Kirche.

Andererseits war es gerade der Papst aus Polen, der den schweren Weg der Buße für all die Sünden der katholischen Kirchen in den vergangenen Jahrhunderten frei gemacht hat. Die Opposition könnte ihm auf diesem selbstkritischen, wenn auch schwierigen Weg nun folgen.

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6 Kommentare

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  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Wenn Menschen einem Menschen einen Heiligenschein aufsetzen, dann ist das ein Aktion, deren Absurdität nicht zu steigern ist.



    Wie sollte es möglich sein, dass - selbst wenn es Heilige "gibt" - notwendig nicht Heilige zur Heiligung autorisiert sind?



    Und der-/diejenige, die allein zu dieser Inauguration autorisiert wäre, hat das - zumindest öffentlich - in den letzten paarhunderttausend Jahren nicht getan.



    Lassen wir also auch Wojtyla sein, was er war: Ein Mensch mit hellen Seiten, mit dunklen Seiten und mit grauen Seiten.



    Ein paar dunkle waren bekannt und es kommen gerade welche dazu.



    Dass seine "Fans" das negieren, ist normal. So ist er nunmal, der Fan: Die Vernunft ist in Bezug auf das Idol ausgeschaltet. Und es kann nicht sein, was nicht sein soll.



    Welche Seiten bei Wojtyla überwogen, weiß letztlich niemand, außer ihm. Und von ihm ist dazu nichts mehr zu erfahren.

  • „Es ist unmöglich, dass ein Heiliger etwas Schlechtes tut. Unser polnischer Papst! Schlecht sind die, die das behaupten!“



    Nun ja, Glauben heißt immer noch "Nicht wissen!"



    Wenn Fakten, nachprüfbar vorhanden sind, reicht auch "beten & heilig sein" nicht um die wieder weg zu diskutieren.



    Ich "glaube" da werden viele "Gläubige" ein massives Problem haben bzw. bekommen. Ob das der RKK & ihrer Stellung in der Welt gut tut?



    Ich "glaube" eher nicht! :-))

  • Sehr bezeichend...

    ... war auch heute ein Statement der früheren Premierministerin von PiS-PL, B. Szydlo, in welchem sie selbstverständlich den Papst in Schutz nahm vor diesen widerlichen liberalen und westlichen Medien sowie Historikern.



    Sie hoffe, dass dieses alles nicht in die Politik gerate - also genau das, was ihre Partei PiS seit Tagen betreibt.

    PiS versucht, dem Volke weiszumachen, dass die Opposition den Papst besudeln möchte, um daraus ein Süpplein für den Wahlkampf zu kochen. Und so eilten PiS-Politiker im ganzen Lande vor die Mikrofone und Kameras, um dieses Bild der antichristlichen und einer dem "polnischen Papst" feindlich eingestellten Position in den Reihen der Opposition zu verkaufen.

    Frau Szydlo hat bereits einen bitteren familiären Kelch bez. dieser klerikalen Dinge leeren müssen: Ihr Sohn wurde vor etwa zwei Jahren zum Priester geweiht, hielt vor der gesamten PiS-Polit-Prominenz (incl. Kaczynski, Morawiecki, Duda, etc.) in Tschenstochau seine Primizfeier ab - und hängte nach ein paar Wochen seine Soutane für immer an den Nagel. Über die Gründe wurde nichts verlautbart - gegenüber der Presse wurden hohe Strafen angedroht.

    Gerüchte besagen, dass Frau Szydlo inzwischen Großmutter geworden sein soll, was ja auch nichts Böses ist...

  • Ich wünsche mir, dass die Opposition den Stier bei den Hörnern packt.

    Bin zwar schon lange nicht mehr in Polen gewesen und hab auch sonst wenig Einblick (spreche nur sehr wenig Polnisch), aber längerfristig ist es doch im Allgemeinen die bessere Strategie, Probleme aufzuklären als auszusitzen.

  • "Auch die Welt verdankt dem polnischen Papst unendlich viel'

    Ja, unendlich viel negatives. Johannes Paul II hat über viele rechte Diktaturen schützend seine Hand gehalten, in vielen Ländern hat die katholische Kirche unter seiner Amtszeit mitgeholfen, Kindern aus linken Familien zu entreißen und zur Umerziehung in "gute" rechte Familien zu geben.

    Auch den Missbrauchsskandal der katholischen Kirche muss man unter den Aspekt des Antikommunismus betrachten, viele Täter waren stramme Antikommunisten und dadurch unter Johannes Paul II gegen jegliche Kritik immun.



    Johannes Paul II hat sich primär als polnischer Papst identifiziert, wer kein Pole war, war für ihn unwichtig und gerade in Südamerika hat er das den Gläubigen auch sehr deutlich zu verstehen gegeben; die Freiheit der Menschen außerhalb Polens war ihm immer herzlich egal. Auch mit der Tatsache, dass polnische Katholiken ab dem 20. Jahrhundert großflächig Nicht-Katholiken (immerhin teils über den 20% der Bevölkerung) enteignet und vertrieben haben, hat Johannes Paul sich nie auseinander gesetzt.

    Gerade unter Johannes Paul II hat die katholische Kirche sich von vielen ihrer sozialen Traditionen verabschiedet und die Armen im Stich gelassen.



    Das Johannes Paul II nun offensichtlich auch in Polen selbst Täter geschützt hat, ist nur die Spitze des Eisberges.

  • „Es ist unmöglich, dass ein Heiliger etwas Schlechtes tut. Unser polnischer Papst! Schlecht sind die, die das behaupten!“

    Das kommt heraus, wenn Denken durch Glauben ersetzt wird...