Krimtataren in Warschau: Ein Gruß aus der Protestküche
Krimtataren haben in der polnischen Hauptstadt ein Restaurant eröffnet. Es liegt direkt gegenüber der russischen Botschaft. Ein Ortsbesuch.
„Wir wollten ein politisches Zeichen setzen“, sagt Ernest Suleymanov, der Inhaber. „Wir hätten unser Restaurant auch woanders in Warschau aufmachen können, aber die Lage hier ist politisch einfach nicht zu toppen.“ Seine Frau Elmira Seit-Ametova nickt und deutet aus dem großen Panoramafenster: „Rechts die Botschaft Russlands, links das Puschkin-Kulturinstitut und …“ Sie macht eine kleine Pause, richtet sich auf und deutet auf die Gäste an den kleinen Tischen: „… und mittendrin wir Krimtataren mit all den vielen Unterstützern aus Polen, der Ukraine, aus Usbekistan, eigentlich aus ganz Osteuropa.“
Sie schenkt aus einer kleinen Karaffe Kirschkompott ein, den Saft eingemachter Sauerkirschen. „Als wir das noch leerstehende Lokal renovierten, hatte ich erst große Angst, dass uns hier niemand finden würde.“ Ihr Mann nickt, legt seinen Arm um sie: „Aber bei uns isst man eben nicht einfach nur tatarisch, sondern politisch. Unsere ‚Krym‘ – das ist die Küche des Protests!“
Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat sich die Gegend rund um die russische Botschaft in Warschau verändert. Direkt neben der herrschaftlichen Einfahrt steht seit einigen Monaten ein neues Straßenschild: „Allee der Opfer der russischen Aggression“. Hier finden immer wieder lautstarke Demos mit vielen blau-gelben Ukrainefahnen und Fotos von gefolterten und ermordeten Zivilisten statt.
„Eigentlich sind wir keine Köche“, erzählt der 54-jährige Suleymanov mit dem kurz geschnittenen Oberlippen- und Kinnbart. Er ist eigentlich Architekt. „Nach dem Maidan habe ich mich vor allem politisch engagiert.“ Als er vor neun Jahren gegen das russische Referendum auf der Krim mobilmachte, habe er fliehen müssen. Seine Frau ist eigentlich Künstlerin. Da beide in Polen keine Arbeit fanden, haben sie das Lokal geöffnet. „So ist das eben im Exil. Man muss sich irgendwie durchschlagen. Aber wir beklagen uns nicht“, sagt Seit-Ametova.
In drei Jahren zurück – wenn die Russen abgezogen sind
Ihr Mann nippt am Kirschkompott: „Unser Sohn wird es da sicher leichter haben. Er ist 22 und studiert jetzt hier in Warschau.“ Dabei wollen sie eigentlich in drei Jahren zurück auf die Krim. „Wir hoffen, dass die Russen dann abgezogen sind“, sagt Suleymanov. „Wenn nicht, müssen wir uns etwas Neues ausdenken.“
In Simferopol, der Hauptstadt der Autonomen Republik Krim, leben die Väter des Ehepaars sowie weitere Verwandte. „Wir sind in ständigem Kontakt“, erzählt Seit-Ametova. Sie fahre auch regelmäßig hin. „Das können meine Männer natürlich nicht. Die würden ja sofort für die russische Armee rekrutiert.“ Suleymanov nickt. Die meisten jungen Krimtataren und Ukrainer hätten schon 2014 die Krim verlassen, also direkt nach der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland.
Aus der „Krym“-Küche weht der würzige Geruch von Tschebureki, knusprig ausgebackenen Teigtaschen mit gehacktem Lammfleisch und Spinat. „Das ist unsere Spezialität“, sagt Suleymanov, nimmt dem Kellner das Tablett aus der Hand und bringt das Essen selbst an den Tisch: „Slava Ukraini.“ Lang lebe die Ukraine.
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