Science-Fiction als queeres Vorbild: Eltern im Weltraum

Auch in der Science-Fiction finden sich vielfältige Familienmodelle. Angesichts eines antiqueeren Backlashs scheint sie geradezu revolutionär.

ein Roboter streckt seinen Zeigefinger aus, ein Baby in einem schwedenden Kinderwagen will danach greifen

Süß: erste Annäherungen zwischen dem Mandalorianer (Pedro Pascal) und Baby Yoda Foto: Disney/Courtesy Everett/imago

Pedro Pascal spielt bei mir in der Kategorie „Man Crush“ neben „The Rock“ ganz vorne mit. Oder besser gesagt seine Stimme. Welcher Schauspieler schafft es schon, eine ganze Staffel lang Empathie zu transportieren, ohne dass man je sein Gesicht sieht?

Was an der „Star Wars“-Serie „The Mandalorian“, in der Pascal als Din Djarin alias Mando nie seinen Helm ablegen darf, noch so bewegend ist, ist die Elternrolle, in die er hineinwächst, je länger er mit Baby Yoda durch die Galaxis fliegt, obwohl er doch Einzelkämpfer ist. Er nennt den kleinen grünen Kerl in seiner dunklen Tonlage einfach nur „The Kid“, auch wenn er irgendwann erfährt, dass er Grogu heißt und eigentlich ein Jedi ist. Später lässt er ihm ein kleines Kettenhemd schmieden. Wie süß ist das denn?

Grumpy Typ, der ständig rumkämpfen muss, weil irgendwelche korrupten Regierungen den Faschismus wieder aufbauen wollen, trifft Kind mit schlummernden Superkräften, das sich ihm anschließt, ob er will oder nicht: Zuletzt hat das in „Logan“ (2017) super funktioniert, dem besten aller bisherigen X-Men-Filme. Wolverine zieht mit Laura durch die Gegend und irgendwann wechseln sich die Rollen des Beschützens und Beschütztwerdens ab.

Als klassischer Roadtrip inszeniert findet sich das Motiv „unfreiwillige Begleitperson“ auch in der Serie „AJ and the Queen“ (2020), in der Ru Paul als Dragqueen Ruby Red mit einem Wohnwagen von Club zu Club tingelt und plötzlich das genderqueere Nachbarskind AJ, das sich heimlich im Auto versteckt hat, als Mitfahrer an der Backe hat. Die meisten fanden das trashig, weil dem Megamoderator eher mäßiges schauspielerisches Talent nachgesagt wird, ich hab es geliebt.

Warum Science-Fiction mich bewegt

Angesichts der weiter eskalierenden Anti-Drag- und Anti-Trans-Gesetzentwürfe in den USA ist der Plot geradezu revolutionär. Die Republikaner in Tennessee versuchen gerade, eine legale Grundlage zu schaffen, um Eltern, die trans* sind, das Sorgerecht für ihre Kinder zu entziehen. Dragperformances in Anwesenheit von Kindern sind dort ab Juli verboten.

Daniel Scheinert, der mit Daniel Kwan das Regisseurduo von „Everything Everywhere All at Once“ bildet, bedankte sich in seiner Rede zum Oscar für die beste Regie dann auch bei seinen Eltern, dass sie ihn als Kind in Drag schlüpfen ließen. „Was keine Bedrohung für irgendjemanden ist“, setzte er nach.

Kinder und Jugendliche suchen sich Erwachsene, die sie respektieren und stärken. Manchmal sind das die eigenen Eltern wie bei Scheinert, manchmal sind das Figuren im Kino. Mich bewegt das in der Science-Fiction nicht ohne Grund so sehr. Au­to­r*in­nen der feministischen Utopie wie Marge Piercy haben schon in den 1970ern alternative Familienmodelle entwickelt. Bei ihr wählen die Kinder mit 12 noch einmal neue Erwachsene in ihr Leben. So wie Baby Yoda sich eben Mando ausgesucht hat. Es gibt so viele Gesellschaftsentwürfe, wie wir Elternschaft und Pflege anders denken können.

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Redakteurin für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA. 2020 Promotion "Chrononauts in Chromotopia" zum Lusterleben in der abstrakten Malerei. Themen: zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

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