: Wenn man als Frau alleine kämpft
Bei Löhnen und Gehältern klafft eine große Lücke zwischen Frauen und Männern. Gegen diese Ungerechtigkeit hat eine Arbeitnehmerin geklagt – und gewonnen
Von Nicole Opitz
Es war ein feuriger Appell. „Seid mutig, seid laut und lasst euch niemals die Butter vom Brot nehmen!“, sagte Susanne Dumas, nachdem am Donnerstag das Bundesarbeitsgericht in Erfurt ein Grundsatzurteil gesprochen hatte. Dumas wurde vom Gericht der gleiche Lohn zugesprochen wie einem männlichen Kollegen mit gleicher Qualifikation, konkret ging es um 14.500 Euro. Dazu erhält sie eine Entschädigung in Höhe von 2.000 Euro.
Ob man jetzt wie Susanne Dumas lieber Brot mit Butter isst oder in Zeiten von Inflation und Klimawandel doch mal zur Margarine greift – die Botschaft ist klar und macht Mut. Wenn Frauen und Männer bei gleicher Arbeit unterschiedlich bezahlt würden, begründe das die Vermutung der Diskriminierung wegen des Geschlechts, sagte die Vorsitzende Richterin Anja Schlewing laut dpa. Diese Vermutung könnten Arbeitgeber nicht mit dem Argument widerlegen, der Mann habe besser verhandelt oder er sei perspektivisch für einen Leitungsjob vorgesehen, so die Richterin.
Heißt: Fordert ein Arbeitnehmer mehr Lohn, muss der Lohn für alle Kolleg_innen im Betrieb mit gleicher Qualifikation im gleichen Maße steigen. Ist das nicht der Fall und die Betroffenen ziehen vor Gericht, können sie sich am Urteil im Falle Dumas orientieren.
Das hat weitreichende Konsequenten, denn noch immer verdienen Männer in Deutschland wesentlich besser als Frauen: Ende Januar hatte das Statistische Bundesamt mitgeteilt, dass der Gender Pay Gap hierzulande bei 18 Prozent liegt. Frauen verdienen durchschnittlich 20,05 pro Stunde – 4,31 Euro weniger als Männer (24,36 Euro). Begründet wird es damit, dass Frauen eher in prekären Berufen und in Teilzeit arbeiten.
Doch der sogenannte bereinigte Gender Pay Gap, der unterschiedliche Qualifikationsgrade, Ausbildungshintergründe und Alter herausrechnet, beträgt immer noch 7 Prozent. Für andere Geschlechter wird der Gender Pay Gap nicht berechnet, orientiert man sich aber an Zahlen aus den USA, lässt das nichts Gutes erahnen.
In Europa schneiden in Sachen Gender Pay Gap nur Tschechien, Estland und Österreich schlechter ab als Deutschland. Seit Jahren verändert sich dieser Trend nicht, dabei ist dieser geschlechtliche Lohnunterschied in der Europäischen Union eigentlich verboten, Artikel 157 im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) legt das fest.
Auf der Arbeit ist der Lohnunterschied ein Diskriminierungsfaktor von vielen, der dazu oft verdeckt ist. Das muss nicht sein. Gerade weil er so schön zu beziffern ist, ist es einfacher, vor Gericht zu gehen, als bei anderen Formen von Sexismus.
Der aktuelle Fall zeigt auch: Wenn man als Frau alleine kämpft, hat das Auswirkungen für andere. Beispielsweise diejenigen, die vielleicht nicht die emotionalen und finanziellen Ressourcen haben vor Gericht zu ziehen, wenn die Ausgangssituation so vage ist. In der jetzigen Situation ist es weiterhin nötig, zu klagen, damit das Recht durchgesetzt wird. Aber je mehr klagen, desto mehr Arbeitgeber_innen müssen mitziehen.
Auch die Rechtsanwältin Susette Jörk, die Dumas vor Gericht vertrat, zeigte sich begeistert: „Auf Fortschritte durch den Gesetzgeber oder Arbeitgeber*innen warten wir leider seit Jahren vergeblich. Der heutige Durchbruch ist einmal mehr der Ausdauer einer mutigen Frau zu verdanken, die den Rechtsweg nicht gescheut hat.“
Und in Zeiten des Fachkräftemangels könnte es ja sogar dazu führen, dass Arbeitgeber_innen Gehälter transparent machen und so einzelne Unternehmen deutlich attraktiver würden als konkurrierende. Das klingt in der jetzigen Situation ziemlich utopisch, aber – wer weiß, was alles möglich ist. Das Grundsatzurteil in Erfurt lädt jedenfalls zum Träumen ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen