Berlinale-Film „Home Invasion“: Das Grauen auf der Fußmatte

„Home Invasion“ zeichnet die Geschichte der Türklingel nach. Die wird bei Graeme Arnfield zum Inbegriff kapitalistischer Ausbeutungsdystopien.

Blick durch eine Kamera, die an der Haustür angebracht ist

Was alles vor der eigenen Haustür passiert, will man so genau vielleicht gar nicht wissen Foto: Graeme Arnfield

Einen interessanten Gedanken gibt es in „Home Invasion“, dem neuen Film von Graeme Arnfield. Demnach fand das Telefon Eingang in die Welt der Grusel- und Horrorfilme als Symbol männlicher Impotenz: Während die junge Frau, allein zu Hause, panisch Serienkillern beim Einschlagen der Tür zuhört, kann der Vater oder Ehemann nur noch dem Schrecken live am Telefon lauschen, zur Rettung kommt er zu spät.

Für Horrorfilme scheint Arnfield ein ausgewachsenes Faible zu haben, unterlegt er doch beinahe jede Sequenz seines dia­logisch ausschließlich mittels Texttafeln kommunizierenden Films mit nur schlecht auszuhaltenden schrillen Streichern, Sägen und der US-Band Nine Inch Nails entlehnten Industrialsounds.

Vergleichbares wie der Vater oder Gatte am Telefon fühlt Arnfield zufolge auch der Besitzer der marktführenden Videotürklingel „ring“: Außer Haus lässt sich so per Smartphone nachvollziehen, wer da alles was vor der eigenen Haustür treibt.

Dass Polizeibeamte auf die „ring“-Daten gerne und erfolgreich zugreifen, wundert kaum, auch, dass das Auge an der Haustür Umfragen zufolge die gefühlte Sicherheit der Be­woh­ne­r:in­nen dahinter nicht erhöht, leuchtet ein. In der Fantasie wandelt sich die Vorortsiedlung so zum Paradies für Balaklawa tragende Psychopathen.

Unbedingte Kapitalismuskritik

Mit Angst lässt sich gut Geld machen, das wissen Waffenhersteller genauso wie Vertreiber von Lebensversicherungen und Home-Security-Systemen. Arnfield, der sich in seinen Filmen so unterschiedlichen Sujets zuwendet wie der Asbestindustrie oder dem Hund der letzten russischen Zarenfamilie, zielt mit „Home Invasion“ auf unbedingte Kapitalismuskritik ab. Die Geschichte der Türklingel, wie er sie erzählt, ist eine in die Nähe des Klischees gerückte alptraumhafte, eingebettet in lang bekannte Erzählungen vom Klassenkampf und Dystopien.

„Home Invasion“: 24. 2., 17 Uhr, Werkstatt­kino@silentgreen

Von der eigentlichen Klingel rückt er dabei mitunter weit ab. So schlussfolgert er aus der historischen Bewegung der Ludditen, englischen Textilarbeitern, die aus Protest gegen die Einführung von neuartigen Maschinen zu Beginn des 19. Jahrhunderts Baumwollspinnereien in Brand setzen, eine immer noch gültige Drohung: Die Anführer des Aufstands seien hingerichtet worden als Warnung, nicht dem technischen Fortschritt im Weg zu stehen.

Dass die Industrialisierung und somit Technisierung trotz allem maßgeblich für den gestiegenen Lebensstandard in Europa wie den USA verantwortlich zeichnet, erwähnt Arnfield nicht. Auch ist die abzuleitende Warnung doch eigentlich eine andere, die immer gleiche: Köpfe am Wegesrand als archaischer, kaum misszudeutender Hinweis darauf, sich niemals gegen die herrschende Klasse zu wenden.

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