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Wahlkampf in BerlinDie Küchenhelfer von der SPD

Parteichef Klingbeil und Berlins Fraktionschef Saleh besuchen die Tafel in Spandau. Zumindest bei den Mitarbeitenden kommt das gut an.

Prominente Küchenhelfer: Raed Saleh und Lars Klingbeil bei der Tafel Foto: imago

Berlin taz | Das Erste, was in der Halle in den Blick fällt, sind die aufgestapelten Brote und Brötchen. Daneben Sellerie, Porreestangen und anderes Gemüse; Äpfel, Bananen und Weintrauben runden die Tafel ab. Alles wirkt appetitlich und frisch. An diesem Montag sei das Angebot von Laib und Seele wirklich gut, „manchmal sieht es trauriger aus“, sagt der freiwillige Helfer Gordon Thiede.

Der 66-Jährige, Fernfahrer im Ruhestand, hat die Lebensmittel morgens mit einem Kleintransporter bei Supermärkten abgeholt und zum Nachbarschaftszentrum in die Schönwalder Straße 23 in der Spandauer Neustadt gebracht. Hier ist die Ausgabestelle für Bedürftige. Wie immer an Montagen, wenn Lebensmittelausgabe ist, hat sich auch an diesem Tag vor dem Nachbarschaftszentrum eine Schlange gebildet. Die Neustadt ist ein prekärer Kiez.

Auf vielen Wahlplakaten hier ist ein lächelnder Raed Saleh zu sehen. Nicht weit entfernt von dem Nachbarschaftszentrum hat der SPD-Landes- und Fraktionschef sein Wahlkreisbüro. 250 Haushalte mit 300 Erwachsenen und 150 Kindern hätten einen Berechtigungsschein, erzählt der Leiter der Abgabestelle Gert Kaczmarek. Auch er ist ein Freiwilliger in Rente und 20 bis 30 Stunden pro Woche für Laib und Seele im Einsatz. Die Zahl der Bedürftigen nehme zu, auch viele Geflüchtete seien darunter, erzählt Kaczmarek.

An diesem Montag allerdings werden besondere Gäste im Nachbarschaftszentrum erwartet. Raed Saleh hat sich mit dem Bundesvorsitzenden der SPD, Lars Klingbeil, bei der Tafel angesagt. Wahlkampf auf dem Rücken von Bedürftigen, wie er das findet? Kacz­marek zuckt die Achseln. „Schau'n wir mal“, er sehe das entspannt. Saleh sei auch sonst für Laib und Seele da, er habe gute Kontakte zu Lebensmittelgeschäften, auch den Kleintransporter habe er organisiert.

16 Uhr. Zwei Limousinen fahren vor. An der Warteschlange vorbei lotsen Helfer Saleh und Klingbeil in die Halle. Vorher drückt eine Helferin den Politikern rote Schürzen in die Hand, die, umgebunden, gut mit deren schwarzer Kleidung kontrastieren. Kameras klicken, viele Presseleute sind es aber nicht, die den Weg nach Spandau gefunden haben.

Obst und Gemüse sortieren

Ausführlich erklärt eine Helferin Saleh und Klingbeil, was sie tun sollen: Obst und Gemüse sortieren. Teile, die schlecht sind, abreißen oder abschneiden. Verwertbare Reste in die Kiste für Tiere schmeißen, Vergammeltes in die Biotonne. Klingbeil schaut, als wäre er mit dem Gedanken in einem ganz anderen Film. Er kommt gerade von der SPD-Präsidiumssitzung und einem Treffen mit dem israelischen Botschafter. Als die Helferin ein neues Thema anschneidet – „wir wären froh, wenn wir weniger Plastik hätten…“ – ruft er unvermittelt: „So, jetzt wollen wir arbeiten“.

Saleh sortiert Kartoffeln, Klingbeil zupft vertrocknete Stiele aus Petersilientöpfchen. „Wir machen das ausschließlich als Wertschätzung für die Ehrenamtlichen“, versichert Saleh, als er von taz nach dem Sinn der Aktion gefragt wird. Klingbeil nickt bestätigend, schon vor längerer Zeit habe er „Raed“ gefragt, wo er helfen könne. Und auch, weil er erfahren wolle, was der Krieg gegen die Ukraine und die Inflation mit den Menschen mache.

Unbeeinflusst davon geht die Ausgabe der Lebensmittel weiter. Eine halbe Stunde sei für die Aktion angesetzt, erklärt Salehs Referent. „Ich finds gut“, sagt eine Freiwillige. „Auch wenn es nur eine halbe Stunde ist, sehen sie mal, was wir hier machen.“ Bestechen könne man sie damit aber nicht, fügt die Frau lachend hinzu. „Ich habe schon Briefwahl gemacht“.

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1 Kommentar

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  • Besser wäre es, wenn die SPD (und die anderen Parteien) alles daran setzen würden, die Tafeln abzuschaffen, indem sie den armen Leuten mehr Einkommen ermöglichen.

    Schon bei Merkel fand ich das pervers, dass sie die Tafeln bzw. die Arche gelobt hat. Dabei ist es doch v.a. ihr Verdienst gewesen, dass es den Leuten finanziell so schlecht ging.