piwik no script img

Pressefreiheit in LützerathGefährliche Proteste ohne Presse

Jelena Malkowski
Kommentar von Jelena Malkowski

Jour­na­lis­t:in­nen sorgen für unabhängige Berichterstattung – sie können aber auch Ak­ti­vis­t:in­nen schützen. Das war in Lützerath nur teilweise möglich.

Wer ging auf wen los? Eskalierte Demonstration in Lützerath am 14. Januar Foto: M. Golejewski/Adora Press

I m Fall Lützerath geht es jetzt um Deutungshoheit: Polizei und Demonstrierende werfen sich gegenseitig die Anwendung von Gewalt vor. Die Räumung ist zwar abgeschlossen, aber Aktionen zum Braunkohlestopp laufen weiter. Mittendrin ist die Presse, die von dem, was an diesem Ort passiert, unabhängig berichten soll.

Die Presse darf normalerweise hinter Polizeiabsperrungen gehen und in Fällen von öffentlichem Interesse auch Privatgelände betreten. Doch aus Lützerath ist von eingeschränktem Zugang für die Presse, einer unüblichen Akkreditierung und Angriffen auf Jour­na­lis­t*in­nen zu berichten. Das ist problematisch, denn wenn der Presse Zugang verwehrt wird, fehlt eine unabhängige Berichterstattung.

Die Polizei darf dieses Recht eigentlich nicht einschränken. Sie nutzte aber die angebliche Störung der polizeilichen Arbeit als Argument dafür, den Jour­na­lis­t*in­nen die Arbeit zu erschweren: Am umzäunten Bereich von Lützerath wurde zeitweise keine Presse durchgelassen; als ein Aktivist von drei Po­li­zis­t*in­nen zu Boden gedrückt und dort festgehalten wurde, sodass mehrere Fo­to­gra­f*in­nen zustürzten, schubste die Polizei sie weg mit dem Argument, sie würden die polizeiliche Arbeit stören. Dabei lag der Aktivist längst unter zwei Polizisten am Boden. Aus einiger Entfernung konnten die Jour­na­lis­t*in­nen nur schlechte Fotos von seinem blutenden Gesicht machen.

Nicht nur, dass es durch solche Einschränkungen weitaus weniger unabhängige Berichte davon gab, wie die Räumung in Lützerath tatsächlich vonstatten ging. Proteste und Besetzungen können allein durch die Abwesenheit der Presse gefährlicher werden: Immer wieder ist zu hören, dass die Polizei weitaus brutaler vorgeht, wenn keine unabhängigen Be­ob­ach­te­r*in­nen vor Ort sind, und damit aufhört, sobald Jour­na­lis­t*in­nen sich nähern.

Klar, wer hier von eingeschränkter Pressefreiheit profitiert: Von Ak­ti­vis­t*in­nen ist immer wieder ein „Danke, dass ihr da seid“ an die Presse zu hören, von Polizeiseite dagegen „gut so“, wenn man geht.

Die Autorin war als Journalistin bei der Großdemo bei Lützerath anwesend.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Jelena Malkowski
Redakteurin im taz-Klimahub, insbesondere für globale Klimagerechtigkeit
Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Der Ton darf somit aber auch gern Richtung Polizei und Politik, in diesem Fall, aber auch Bundeswehr, Verfassungsschutz, Gerichte etwas erhöht werden. Denn hier wird schon seit langem genau jene "ausreden" verwendet um bestimmte "Beschlüsse" als rechtswirksam zu machen, wo Protest noch lange möglich wäre. Das ist eine Delegitimierung unserer demokratischen Mittel. Wenn das Gehör findet, was dann?

    Ich denke wir brauchen keine israelisch-palästinensischen Verhältnisse wo nur Pressefotos/videos überhaupt etwaige Verfahren gegen Verfehlungen von Polizei/Soldaten vielleicht in die Wege leiten. Das hat mit Demokratischen Systemen dann nämlich so GAR NICHTS MEHR zu tun.

  • Andererseits wurde die Lützerath-Aktion tagelang als willkommenes Infotainment ausgeschlachtet und als weltbewegend dargestellt.

  • Wenn es stimmt(und ich gehe von einer seriösen Berichterstattung der taz aus!),dann sollten alle Infos gesammelt werden und die Behinderung der Presse gerichtlich prüfen zu lassen.



    Es wird Zeit, sich dem auch gerichtlich zur Wehr zu setzen. Freie Presse ist unabdingbar für unsere Demokratie.



    Auf gehts.... Aktivisten sollten ihre Filmaufnahmen z.B. der taz zur Verfügung stellen!

    • @KielerSprotte:

      Wäre schön, doch verhält es sich bei Verfehlungen der Polizei zu Pressefreiheit ähnlich wie bei Gewalt durch die Polizei. Nur maximal eine kleine einstellige % Zahl kommt überhaupt zum Staatsanwalt, davon fast gar nichts mehr vor Gericht...Dagegen werden Gegenanzeigen meist bis zum Ende ausgefochten und vom Gericht zügig beurteilt...tolles Rechtssystem

  • @NELLY M.

    Polizei, der Klub der Einzelfälle :-)

  • @WERNER2

    "Presse hat unabhängig und neutral zu bleiben."

    Sie sind lustig. Gehen Sie zur "BILD" und sagen sie das denen. Oder zu den verschiedenen Murdoch-Kanälen ("Sun", z.B., oder Fox News).

    Es wäre wünschenswert, ist aber nicht so.

    Und doch sollten wir allen mutigen Reporter*innen dankbar sein, die ihren Job auch bei hohem persönlichen Risiko ernst nehmen.

  • Darüber jammern ist für sich alleine nutzlos. Gefordert ist die Politik, denn sie kann solchen Problemen abhelfen.

    Da dies aber nicht oder nur unbrauchbar geschieht, sollte eine ausgewogene Berichtserstattung auf jeden Fall gleichzeitig hervorheben, welche Rolle die Politik in dieser Angelegenheit spielt, denn schon aufgrund der Instanzenwege, bei der die Polizei lediglich das ausführende Werkzeug am Ende der Kette ist, wird es unsinnig, das Werkzeug zu verdammen und die Rolle seines Benutzers totzuschweigen.

  • Es ist Zeit für unabhängige Kontrollorgane und dass man sich die Planung dessen nicht von den Polizeigewerkschaften zerschießen lässt. Diese erzkonservativen Gewerkschaften sind m.E. schon lange nicht mehr tragbar, siehe: europa-verlag.com/...demrechtenWeg.html.

  • Es ist ausgezeichnet, wenn durch die Anwesenheit von Pressemitarbeiter sich Gewaltauschreitungen von allen Seiten minimieren.

    Es ist aber ein schwerer Denkfehler, wenn sich die Presse mit den Anliegen von wem auch immer gemein macht.

    Presse hat unabhängig und neutral zu bleiben.

    Ansonsten tritt nämlich ebenso der gegenteilige Fall auf, dass man bei unliebsamen Demonstrationen, die dem eigenen Weltbild widersprechen, sehr einseitig oder nicht berichtet.



    Da freie Meinungsäusserung sich aber am pointiersten in Demonstrationen manifestiert (ansonsten würden die Aktivistinnen sich den Stress in Moment ja gar nicht antun), sehe ich da so einiges in unseren demokratischen Meinungsbildungsprozessen im Moment in Schieflage. Und dieser Trend hat in den letzten Jahren massiv zugenommen (beispielsweise wurde über die Friedensdemos gegen die US Kasernen in Ramstein fast nirgendwo überregional berichtet, trotz sehr bekannter Redner; nicht einmal in "links"liberalen Zeitungen, die angeschrieben wurden mit der Bitte um Berichterstattung)



    (nein, ich meine nicht die taz)

    • @Werner2:

      Sie konstruieren, um die Schuld der Polizei runterzuspielen. Pressefreiehit heisst, dass ALLES berichtet werden DARF nicht berichtet werden MUSSS.

    • @Werner2:

      Es ist ein schwerer Denkfehler anzunehmen, Presse habe neutral zu sein. Das hat sie bspw. im Wahlkampf Trumps gegen Clinton allzu lange gemacht und die Lügen nicht als solche benannt und einfach multipliziert und maßgeblich zu seinem Wahlerfolg beigetragen. Mittlerweile haben sich alle seriösen Medien explizit von Trump abgewandt und geben Wahlempfehlungen.

      • @K2BBQ:

        Wie bitte?

        • @Ungehorsam Bleiben:

          Schon mal etwas von „false balance“ gehört? Soll die Presse auch neutral sein, wenn sie über die Sichtweise von Klimawandelleugnern, Impfgegnern, Rassisten etc. berichtet?

    • @Werner2:

      Es geht hier aber nicht darum, dass die Presse sich mit der Sache der Protestierenden gemein machen soll, sondern darum, dass sie oft der letzte Rest Öffentlichkeit ist, bei Räumungen wie hier oder im Hambi, die noch zugelassen werden muss. Auch dann wennn die zivile Öffentlichkeit schon längst ausgeschlossen wird.



      Das ist eigentlich nicht die Aufgabe der Presse , sondern darin zeigt sich ein krasses Demokratiedefizit der Staatsmacht. Ich hab das oft genug erlebt, dass Bürger*innen wegen angeblicher Gefahr nicht mehr anwesend sein durften und wo dann auch keine Presse sein kann gibt es gar keine Zeug*innen mehr, das ist grundsätzlich Mist und manche Cops oder Security-Leute enthemmt es eben noch zusätzlich.

  • Das lässt sich kaum anders deuten als dass die Polizei es als Teil ihrer Arbeit betrachtet, Demonstrant*innen zu verletzen. Da stört natürlich Presse.

    Danke, dass Ihr da seid.

    • @tomás zerolo:

      Alles Einzelfälle....