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Zivilgesellschaft in MyanmarMit lauter Stille gegen die Junta

In Myanmar protestiert die Bevölkerung gegen den Militärputsch vor zwei Jahren – mit einem stillen Streik, bei dem viele demonstrativ zu Hause bleiben.

Keine Menschen, nur Tauben: Ein Markt in Yangon am zweiten Jahrestag des Putsches der Junta Foto: imago

Chiang Mai taz | Selbst Stille kann ein unüberhörbarer Protest sein: Am zweiten Jahrestag des Militärputsches in Myanmar von 2021 hat die dortige Bevölkerung am Mittwoch millionenfach mit einem „Streik der Stille“ für gespenstisch leere Straßen gesorgt. In den sozialen Medien kursierende Fotos und Filme menschenleerer Straßen stammen nicht nur aus den Großstädten Yangon und Mandalay, sondern auch aus vielen Provinzstädten.

Tagsüber gab es kaum Verkehr und kein normales Leben auf den Straßen. Geschäfte und Büros blieben geschlossen, die Menschen einfach zu Hause. Googles digitaler Kartendienst zeigte zum Beispiel in Yangon völlig freie Straßen an, wo sonst Staus die Regel sind.

Ein landesweites Streikkomitee hatte von 10 bis 15 Uhr zum zivilen Ungehorsam aufgerufen. Vereinzelt wurden aus Yangon auch Flashmobs gemeldet, in denen kleine Gruppen mit einem Transparent für einige Minuten auf die Straße gingen und davon Fotos in sozialen Netzen posteten. Auch hingen an einigen Brücken Banner, die zur „Revolution“ gegen die Junta aufriefen. Kleine Demos gab es auch in einigen Widerstandshochburgen wie in den Regionen Magway und Sagaing. Zwar lassen sich die Veröffentlichungen nicht so einfach prüfen, aber die große Zahl dokumentierter Aktionen macht sie glaubwürdig.

In Thailand, wohin viele Birmesen geflohen sind und wo viele Arbeitsmigranten aus dem nach dem Putsch in eine schwere Wirtschaftskrise geratenen Land leben, demons­trier­ten etwa zweitausend Menschen vor der Vertretung ihres Landes in Bangkok. Myanmars Junta erschwert den im Ausland lebenden Bürgern das Leben, indem sie deren Pässe nicht verlängert und keine neuen ausstellt. Proteste gab es auch in anderen Städten wie dem philippinischen Manila oder dem indischen Mizoram.

Das Militär stürzte die Friedensnobelpreisträgerin

Am 1. Februar 2021 hatte das Militär unter Führung von Verteidigungsminister und Armeechef Min Aung Hlaing die Regierung der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi gestürzt. Deren Partei NLD hatte zuvor mit einem Erdrutschsieg die Wahlen gewonnen und die Militärpartei USDP geschlagen.

Vereinzelt wurden aus Yangon auch Flashmobs mit Transparenten gemeldet

Juntachef Min Aung Hlaing begründete den Staatsstreich mit Wahlbetrug. Doch den hatten weder Wahlbeobachter festgestellt noch die Bevölkerung. Deshalb gibt es massiven zivilen wie bewaffneten Widerstand gegen die Junta.

Am Dienstag räumte der Nationale Verteidigungs- und Sicherheitsrat des Militärs ein, dass sich das Land noch immer in einer „außergewöhnlichen Situation“ befinde. Nach der Verfassung des Militärs hätte das Kriegsrecht eigentlich am Dienstag enden müssen, doch am Mittwoch gab der staatliche Sender MRTV bekannt, dass der Ausnahmezustand um sechs Monate verlängert werde.

Das letzte Woche vorgestellte Wahlgesetz garantiert einen Sieg der USDP und schließt die gestürzte NLD von der Wahl aus. Deshalb rufen schon jetzt Widerstandsgruppen zum Boykott auf, kritisieren westliche Regierungen und Vertreter der Vereinten Nationen die geplante Farce und greifen bewaffnete Gruppen Wahlbüros an.

Westliche Staaten verhängen neue Sanktionen

Am Dienstag hatten die USA, Australien und Großbritannien neue Sanktionen gegen Myanmar verhängt. So wurden Mitglieder der Wahlkommission auf eine schwarze Liste gesetzt und Geschäftsbeziehungen zu zwei vom Militär kontrollierten Holdings verboten.

Vor allem Canberra und London zielen darauf, dem Militär den Zugang zu Kerosin für seine Luftwaffe zu erschweren. Denn weil immer mehr Soldaten in Hinterhalte geraten und Posten attackiert werden, ist die Junta verstärkt zu Luftangriffen übergegangen.

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